Süddeutsche Zeitung

Gastronomie in München:Großer Umbau im Tantris

Eine Baustelle und eine Videokonferenz stehen am Ende der fast 30-jährigen Ära von Spitzenkoch Hans Haas. Seinem Nachfolger Matthias Hahn sollen zwei "junge Wilde" zur Seite gestellt werden.

Von Laura Kaufmann

Eigentlich hätte es zum Finale ein dreitägiges Festival sein sollen. Gerhard Polt wäre aufgetreten, um den schweren Abschied etwas leichter zu machen. Die letzten Wochen waren ausreserviert. Noch einmal bei Hans Haas essen, bevor eine fast drei Jahrzehnte lange Ära zu Ende geht, das wollten viele. Aber die Pandemie zwingt auch eine Größe wie das Tantris in den Lockdown. Und so war Hans Haas' letzter Tag am Herd ein unspektakulärer Tag Anfang November, ohne Polt oder sonstiges Gepolter. Und statt einer Abschiedsgala gab es nun eine Abschiedszoomkonferenz. Das Tantris hat den schon geplanten Umbau vorgezogen, jetzt, da derzeit ohnehin kein Betrieb möglich ist. Und deswegen sitzen die Inhaber Sabine und Felix Eichbauer nun auf der Tantris-Baustelle, die sie noch mindestens bis zum Sommer bleiben wird, und halten Zoom-Audienz. Rechts von sich Haas und seine Sous-Chefin Sigi Schelling, links von sich deren Nachfolger.

Erst einmal aber die Würdigung von Haas, zu der nun Polt und die Biermösl Blosn zugeschaltet werden und ein Ständchen spielen. Wegen technischer Probleme hören das alle, nur nicht Hans Haas. Gerührt ist er trotzdem. "Es war immer eine Freude, hier zu arbeiten. Das war einfach schön", sagt der Spitzenkoch. Kochen wird er nun nicht mehr, er geht in den Ruhestand. Haas will Kunst machen, mehr mit seiner Frau unternehmen, Radfahren. Sous-Chefin Sigi Schelling hingegen hat große Pläne: Im Frühjahr will sie ihr eigenes Restaurant eröffnen.

Mit dem schon lange geplanten Abgang der beiden, das war klar, würde die Sanierung des Gebäudes anstehen. Und mit der Neueröffnung im August soll auch eine zukunftsgerichtete Küche einhergehen. Matthias Hahn ist als Nachfolger von Haas schon präsentiert worden. Zum Neustart hätten sie sich vielversprechende Talente gewünscht, sagt Felix Eichbauer: "Ich hätte gerne junge Wilde in der Küche, aber um das möglich zu machen, brauchen wir einen Dompteur." Der erfahrene Hahn soll als solcher fungieren und sich um das Konzeptionelle kümmern, während die beiden anderen Neuzugänge das Tagesgeschäft am Laufen halten. Folglich heißt Hahn auch nicht Chefkoch, sondern Executive Chef. Nach dem Umbau wird das Tantris zwei Restaurants unter einem Dach vereinen. Den Menü-Bereich mit etwa 70 Sitzplätzen, im Gartensalon Klassiker aus der Geschichte des Tantris à la carte. Also braucht es neben Hahn auch zwei neue Talente am Herd. Sabine und Felix Eichbauer sind viel gereist, um die Richtigen für das neue Tantris zu finden. In New York haben sie sich umgeschaut, aber schnell war klar, dass es Frankreich sein müsse. Auch Matthias Hahn ist nach 17 Jahren in Paris nach München gekommen. "Wir wollten wieder so eine emotionale Küche, wie sie Hans Haas kocht", sagt Felix Eichbauer. "In Deutschland ist Kochen oft zu technisch. In Frankreich wird die Emotionalität hochgehalten."

Benjamin Chmura heißt der erste Zugang nun, zuletzt war er Chefkoch im weltbekannten Dreisterne-Restaurant Troisgros bei Roanne. Deutsche Wurzeln, aber in seiner Kochkunst französisch geprägt. 31 Jahre ist er alt, aufgewachsen in Belgien, am Institut Paul Bocuse lernte er die französische Hochküche von Grund auf. In der "Auberge de l'Ill" im Elsass und im Pariser Fünf-Sterne-Hotel "George V" arbeitete er, im Londoner Restaurant "The Greenhouse" lernte er seine Partnerin kennen, mit der er für ein Jahr nach Australien ging, um in einem japanischen Zwei-Sterne-Restaurant zu kochen. Sein ursprünglicher Plan war es, danach sein eigenes Restaurant zu eröffnen. Dann kamen die Eichbauers auf ihn zu. "Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, ob ich bereit bin, so ein Kapitel aufzuschlagen", sagt Chmura.

Das zweite junge Talent für die Küche ist noch nicht gefunden. Beim begonnenen Umbau wolle man sich sehr genau an die ursprünglichen Pläne von Justus Dahinden halten, sagt Architektin Sabine Eichbauer, dem Schöpfer des Tantrislooks. "So pur und authentisch, wie er es geplant hatte." Die neue Lüftungsanlage der Küche wird dem Gast eher nicht auffallen, wohl aber, dass der Tagesweinkeller mitten in das Restaurant umziehen soll. Dorthin, wo in Anfangszeiten noch Eckart Witzigmanns Showgrill stand, auf dem er den Münchnern Hendl briet, die noch nicht ganz verstanden, was der Mann da mit seiner französischen Küche wollte. Später, bei Heinz Winkler, nahm ein Hummerbecken diesen Platz ein. "Unsere Grundaufgabe ist es, das Tantris für die Zukunft aufzustellen, ohne das kulinarische Erbe zu zerstören", fasst Matthias Hahn zusammen. Nun, nach der vormittäglichen Zoomkonferenz, der sicherlich noch eine Haas-Gala folgen wird, wenn die Zeiten bessere sind, werden die Ärmel wieder hochgekrempelt.

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SZ vom 17.12.2020/aner/van
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