SZenario:Einmal Kaiser, immer Kaiser

SZenario: Julian Waldner (links) spielt im Film "Chasing the line" die Skilegende Franz Klammer. Bei der Premiere im Bayerischen Hof traf der Schauspieler auf den Sportler.

Julian Waldner (links) spielt im Film "Chasing the line" die Skilegende Franz Klammer. Bei der Premiere im Bayerischen Hof traf der Schauspieler auf den Sportler.

(Foto: Stephan Rumpf)

Franz Klammer, ehemaliger österreichischer Skirennläufer, stellt im Kinosaal des Bayerischen Hofes den Spielfilm "Chasing the line" vor.

Von Thomas Becker

Der Kaiser trinkt Pils. Ganz offensichtlich mundet das frisch Gezapfte. Um kurz vor zehn ist allerdings Schluss: Morgen muss er früh raus, der Ski-Kaiser. "Ich hab' Wandertag", sagt Franz Klammer, "um acht muss ich oben am Berg sein." Dummerweise steht der Berg nicht gerade ums Eck, sondern in 300 Kilometern Entfernung, im Skigebiet von Bad Kleinkirchheim, wo Bergbauernbub Klammer einst zum ersten Mal in einem Sessellift saß und wo heute eine Piste nach dem erfolgreichsten Abfahrer aller Zeiten benannt ist. Immer im Herbst läuft Klammer mit den Fans die Strecke einmal zu Fuß ab. Beim letzten Mal kamen 5000 Menschen. Fast wie bei Hansi Hinterseer. Dabei ist Klammer gar nicht scharf auf das Bohei. Aber was will man machen? Einmal Kaiser, immer Kaiser.

Vor einem Jahr haben sie ihm daheim in Österreich ein Denkmal gesetzt, auf Zelluloid. "Chasing the line" heißt der Film, der sich auf die Tage rund um den Abfahrtslauf bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck konzentriert und auf den Druck, der auf dem damals 22-Jährigen lastete. Klammer nennt die Zeit "die verruckte Wuch", und wer das Vergnügen hatte, den Film, der von Freitag an auf Netflix läuft, im Kinosaal des Bayerischen Hofes vorab sehen zu können, der wird ihm zustimmen. "Alles andere als ein Sieg wäre ein Desaster gewesen", sagt Michael Veith, der damals dabei war, mit Startnummer zwei. Der Mann vom Tegernsee gehörte in den Siebzigerjahren zu den besten deutschen Abfahrern, war 1978 Vize-Weltmeister, und nennt Klammer heute "einen meiner besten Freunde". Er sagt: "Was für einen Druck der Franz gehabt hat!" Wohl wahr: Klammer hatte vor den Olympischen Winterspielen eine irre Siegesserie hingelegt und war geradezu verdammt dazu, im eigenen Land Gold zu holen. Dumm nur, dass sein Ausrüster ausgerechnet zu den Winterspielen einen neuen Ski herausbrachte, den Klammer natürlich auch fahren sollte - ein Unding für jeden Rennläufer, erklärt Veith: "Wenn du einen Ski hast, mit dem du alles gewinnst, dann behältst du den, nimmst ihn sogar mit ins Bett." Klammer trotzte dem mächtigen Sponsor und weigerte sich auch, den golden glitzernden Rennanzug zu tragen, mit dem er am Patscherkofel auf Gold-Jagd gehen sollte. Mit ein paar Hundertstelsekunden Vorsprung schaffte er es dann, die Kronenzeitung titelte: "Ja der Franz, der kann's!"

Ein paar Monate vor seinem wichtigsten Rennen hatte Franz Klammer einen schlimmen Autounfall

In ein paar Wochen wird Klammer 69 - und dafür sieht er noch unverschämt gut aus. Findet auch Michael Veith beim Treffen im Bayerischen Hof: "Gute Farb hast kriagt in Mallorca!" Darauf Klammer: "Is' vom Rotwein! Der Vino Tinto hat zugeschlagen." So geht das in einer Tour zwischen den beiden, der Flachs blüht, später an der Bar wärmen sie die alten Schoten wieder auf, die "von Jahr und Jahr dramatischer werden", wie Veiths Frau Sylvia lachend erzählt. Und Drama ist in der Tat geboten: Im Film fährt Klammer einen zauberhaften BMW 2002 tii, in gackerlgelb. "Den hamm's extra für den Film gekauft, wahrscheinlich war das sogar mein alter BMW", erzählt Klammer.

Post-Kasterl hatten die Kollegen sein Gefährt getauft, was ihm egal war. Hauptsache ordentlich PS! Dass Skirennläufer auch mit dem Auto die Kurven gern mit Schwung nehmen, hat sich bis heute nicht geändert, aber dass der haushohe Olympia-Favorit ein paar Monate vor dem wichtigsten Rennen seiner Karriere mit dem Auto auf einer Passstraße den Abflug macht, sich zigmal überschlägt und erst 150 Meter weiter unten liegen bleibt, passiert doch eher selten. "Woaßt, runter vom Söldener Gletscher kommt nach der Mautstelle doch so eine Rechtslinks-Kurve - die heißt heut noch Klammer-Eck", erzählt Klammer und lacht sich schief, "ein Lkw ist mir entgegen gekommen: Der hat von mir nur die Bodenplatte gesehen." Vielleicht ganz gut, dass ihm an diesem Abend ein Fahrer die Strecke nach Bad Kleinkirchheim abnimmt.

Letzte Frage: Wenn Sie wählen könnten: Lieber im Hier und Jetzt Rennen fahren oder nochmal in der guten alten Zeit? Klammer sagt: "Aus finanzieller Sicht müsste ich jetzt fahren, aber wegen dem Spaß in der alten Zeit. Wir hatten eine gute Rivalität, es war einfach schön, mit dem ganzen Tross zu reisen. Heute ist es teilweise eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, wenn einige mit dem Heli geflogen werden. Das hat es bei uns nicht gegeben, und das hat uns zusammengeschweißt. Und man konnte früher mehr aus einem Lauf herausholen, weil die Pisten schwierig und uneben waren. Wer mehr Mut hatte, ist schneller gefahren. Heute sind die Bedingungen total gleich. Vielleicht ist gewinnen heute schwieriger wie damals."

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