SZ Gute Werke:Auch Behinderung ist ein Armutsrisiko

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Es ist wichtig, dass Pari ihre Hilfsmittel, wie Rollstuhl oder spezielle Schuhe, zur richtigen Zeit bekommt, sagt ihre Mutter. (Foto: Catherina Hess)

Pari kann nicht laufen, die Elfjährige sitzt im Rollstuhl, ihre Beine sind gelähmt. Doch ihr Rollstuhl ist zu klein und defekt, sie wartet schon mehr als ein Jahr auf einen neuen.

Von Kathrin Aldenhoff

Jetzt im Winter wird es wieder besonders schlimm. Den Rollstuhl die kleine Anhöhe von der S-Bahn-Station bis zu ihrer Wohnung ganz im Westen der Stadt hinaufschieben, durch Schneematsch und über Eis. Die elfjährige Pari sitzt im Rollstuhl, weil sie gelähmt ist. Sina Moradi (alle Namen geändert) schiebt ihre Tochter. Sie tut das besonders vorsichtig, denn die Bremse des Rollstuhls funktioniert nicht mehr, er hat keine Stütze, die ein Umkippen nach hinten verhindern würde.

Der Rollstuhl ist vier Jahre alt, Pari ist gewachsen, sie ist schwerer geworden, er passt nicht mehr zu ihr. Es gibt Schiebehilfen, die mit einem elektrischen Zusatzantrieb arbeiten, das würde es leichter machen. Es gäbe diese Hilfen, und ein neuer Rollstuhl ist längst beantragt und von der AOK genehmigt – aber er wird einfach nicht geliefert. Seit mehr als einem Jahr wartet die Familie darauf.

„Es ist so wichtig, dass Pari die Hilfsmittel zur richtigen Zeit bekommt“, sagt Sina Moradi. Den Rollstuhl, Schienen oder spezielle Schuhe. Aber es passiert einfach nichts. „Für Pari ist der Rollstuhl so wichtig wie ihre Füße.“

Unter den Gruppen, die besonders stark von Armut bedroht sind, sind Alleinerziehende, Familien mit vielen Kindern und auch Menschen mit Behinderung. Es ist ein Armutsrisiko, wenn ein Kind gelähmt ist. Kinder mit einer Behinderung brauchen mehr Pflege, mehr Hilfe und Unterstützung, mehr Förderung. Dieser persönliche, zeitliche und finanzielle Einsatz könne in eine wirtschaftliche Notlage führen, heißt es im Münchner Armutsbericht. Weil die Familie belastet ist, sei sie sozial isoliert – was die Benachteiligung noch erhöhe.

Sich damit auseinanderzusetzen, welche Hilfen es gibt und von wem, wie man seinen Anspruch durchsetzen kann und nebenbei den ganz normalen Alltag zu bewältigen, das belastet Familien, in denen ein Kind mit Behinderung lebt.

Selbst etwas kaufen, in Vorleistung gehen – dafür fehlt Sina Moradi inzwischen das Geld. Die Familie hat Schulden. In der Wohnung, in der sie vorher lebte, konnte sie die Stromrechnung nicht bezahlen. Sina Moradi heizte viel, denn ihre Tochter sitzt oft auf dem Boden, zieht sich mit den Armen vorwärts. Die Familie hat weitere Schulden: 450 Euro für Orthesenschuhe, mit denen Pari versuchen kann zu laufen. Und die Sina Moradi ihrer Tochter selbst gekauft hat, weil die Krankenkasse es abgelehnt hat, die Kosten zu übernehmen – so erzählt es die Mutter, so teilt es die zuständige Sozialarbeiterin mit.

Paris Wunsch: ein dicker Teppich, auf dem sie bequem sitzt

Sina Moradi und ihre Tochter sind aus Iran nach Deutschland gekommen, Sina Moradi hat dort als Grundschullehrerin gearbeitet. In München besucht die alleinerziehende Mutter einen Deutschkurs. Wenn man Pari fragt, was sie sich wünscht, dann lächelt sie – und blickt weg. Sie schämt sich, sagt ihre Mutter, und spricht für ihre Tochter: Pari würde sich über einen dicken Teppich freuen, auf dem sie bequem sitzen kann.

Wenn der Aufzug an der S-Bahn-Station kaputt ist, ist es besonders schwierig. Dann muss Sina Moradi mit der Hilfe eines Freundes Pari im Rollstuhl die Treppen hoch- und runtertragen, und das mit einem Rollstuhl, der an vielen Stellen beschädigt ist. Das ist nicht sicher, Pari ist schon einmal herausgefallen. „Sie hat Angst, dass etwas passiert“, erklärt ihre Mutter. Mit Freundinnen allein ins Eiscafé? Schwierig.

An der Grundschule, die Pari besucht hat, hatte sie Probleme. Jetzt besucht sie eine Schule der Pfennigparade, dort fühlt sie sich wohl. Sie schreibt gute Noten und Sina Moradi weiß, dass ihre Tochter dort auch nachmittags gut betreut ist. Das ist eine große Entlastung für sie. Und Pari besucht wieder gerne die Schule.

So können Sie für Pari und andere von Armut Betroffene spenden

Per Paypal oder per Lastschriftverfahren unter sz-gutewerke.de/spenden. Mit einer Überweisung an

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Spenden können Sie auch im SZ-Servicepunkt im Kaufhaus Ludwig Beck, Marienplatz 11, Eingang Dienerstraße, 1. Obergeschoss. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr.

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