SZ Gute Werke:Und immer wieder Kartoffelbrei aus der Packung

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Kartoffelbrei gibt es bei Nahla Birungi zurzeit sehr häufig. (Foto: Robert Haas)

Nahla Birungi spart und spart – und dreht die Heizung nur dort auf, wo ihre Jungs spielen. Sie fragt sich manchmal: Wo bin ich falsch abgebogen?

Von Ekaterina Kel

Wenn Nahla Birungi Wäsche waschen will, muss sie 25 Minuten mit dem Bus fahren. Dann muss sie die Maschine in einem öffentlichen Waschcenter mit Kleingeld füttern, warten, bis die Ladung fertig ist, dann den Trockner mit Münzen füttern. Anschließend fährt die 39-Jährige wieder 25 Minuten Bus zurück in ihre Drei-Zimmer-Sozialwohnung im Münchner Südosten.

Ein halber Tag für eine Wäsche. Obwohl die Uganderin, die seit sieben Jahren in Deutschland lebt, mit dieser Zeit so viel Produktiveres anstellen könnte: noch mal einen Deutschkurs belegen, um endlich ihre B1-Prüfung zu bestehen, um endlich einen Job finden zu können, Bewerbungen für eine Ausbildung zu schreiben. Aber Nahla Birungi (Name geändert), kurze Löckchen, hat kein Geld, um sich eine Waschmaschine zu kaufen. Kein Geld für einen Tisch und Stühle, damit sie und ihre beiden Jungs, ein und drei Jahre alt, nicht mehr auf dem Boden essen müssen. Kein Geld, um eine Spüle in der Küche zu installieren, damit sie das Geschirr nicht mehr im Bad spülen muss.

Nahla Birungi muss immer wieder neu überlegen: Wo kann ich jetzt wieder sparen? Wo lässt sich ein bisschen was abzwacken? Als eine Bekannte ihr zwei Kinderbetten verkauft, muss sie feilschen, sie einigen sich auf 350 Euro. „Das muss ich in Raten abbezahlen“, sagt Birungi. Als sie nach Jahren in der Wohnungslosenunterbringung eine Sozialwohnung von der Stadt vermittelt bekommt, muss sie den Boden dort selbst verlegen. Sie findet einen Handwerker, der den Preis etwas drücken kann. „Ich habe noch mal gespart, gespart, gespart“, sagt sie, sie reibt die Fingerkuppen an der Handinnenfläche. Dennoch hängen weiterhin mehrere Hundert Euro in Raten über ihr wie eine dunkle Wolke.

Und dann ist da noch die 2800-Euro-Restforderung von den Stadtwerken für Strom, aus der alten Bleibe. Es sei ein altes Haus gewesen – und als sie aufhörte zu heizen, weil ihr klar wurde, wie teuer das war, kam der Schimmel.

Nahla Birungi ist sichtbar erschöpft. Sie sitzt auf dem flauschigen Teppich im Zimmer ihrer Kinder, hier spielen sie gleich, wenn Birungi sie von der Kita abholt. „Sie halten mich auf Trab, das ist gut.“ Den Großteil der Kita-Gebühren übernimmt zwar die Wirtschaftliche Jugendhilfe. Aber das, was übrig bleibt, holt sich der private Träger für mehrere Monate im Voraus von ihrem Konto. Einmal habe es ihr richtig die Sprache verschlagen, als sie den Kontostand gecheckt habe, sagt Birungi.

Im Kinderzimmer ist es warm, im Gegensatz zur übrigen Wohnung. Hier stehen ein Schrank, ein Wickeltisch, ein bisschen Spielzeug. Die übrige Wohnung ist fast leer, obwohl Birungi schon im September eingezogen ist.

Zum Abendessen gibt es wahrscheinlich wieder Kartoffelpüree. Die 39-Jährige kauft das Püree zum Anrühren im Supermarkt, das kostet nicht viel, ist warm und macht satt. „Das ist das, was ich habe“, sagt sie. Eine Kochplatte mit Stromanschluss steht am Fenster. Ein brummender Kühlschrank in der Ecke der Küche.

„Letztes Jahr habe ich meine Mutter verloren“, sagt sie unvermittelt. „Es war nicht möglich für mich, zur Beerdigung nach Uganda zu fahren. Das tut so weh.“ Den letzten Satz flüstert sie. Ihre Schwester habe sie seit ihrer Flucht aus Uganda nicht mehr gesehen. Sie musste weg, weil sie lesbisch ist. Deshalb saß sie dort bereits im Gefängnis, erzählt sie. Hier in Deutschland habe sie ihren Mittelschulabschluss nachgeholt. Mit dem Vater der Kinder sei sie zerstritten, sie waren nie Partner, aber eigentlich gute Freunde. Eines Tages sei er sehr wütend geworden, sie habe die Polizei holen müssen. Den Unterhalt bezahlt er zuverlässig, sagt sie. Wenigstens das, eine kleine Stütze.

Die Raten, das Minus, die Kinder. Ihr Stresslevel ist hoch. Wenn sie abends den Kopf auf dem Kissen ablegt, kommen die Gedanken. Was für ein Leben ist das, in das ich geraten bin, fragt sie sich. Wo bin ich falsch abgebogen?

So können Sie für die Protagonistin dieser Geschichte und andere bedürftige Menschen in München spenden:

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