Deria Naima floh 2012 aus dem Irak, vor Verfolgung und Tod. „Wir hatten kein Leben dort, wir haben in Angst gelebt“, erzählt Naima der SZ. Ihren echten Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen, sonst drohe Streit mit ihrem Mann. Die beiden stammen aus einer traditionell geprägten Gemeinschaft mit sehr definierten Geschlechterrollen. Ihr Mann war vor ihr bereits nach Deutschland geflohen. Nun wohnt sie mit ihm in einer Sozialwohnung in München und ist dort mit den Kindern oft allein. „Ich will arbeiten, ich muss arbeiten. Ich will nicht zu Hause bleiben.“ Doch ihr Mann ist dagegen.
Deria Naima soll stattdessen kochen, putzen und für die Familie einkaufen. Sie kümmert sich allein um die vier Kinder, das jüngste ist drei Jahre alt. An manchen Tagen arbeite sie bis Mitternacht. „Wie kann man mit Kindern Pause machen?“ Es gebe immer etwas zu tun. Mit einem Tuch tupft sie sich an das linke Auge. Ein Glas sei ihr vor Kurzem in der Hand zerbrochen, als sie es aus der Mikrowelle nehmen wollte. Jetzt habe sie Glassplitter im Auge und müsse deswegen oft in eine Klinik. Die Mikrowelle habe sie wie fast alles in der Wohnung gebraucht gekauft, jetzt sei sie kaputt.
Wenn Deria Naima über Dinge des Alltags spricht, ist sie besorgt. Die Kinder bräuchten neue Kleidung für den Sportunterricht. Oder neue Jacken für den Winter. Auch Naima benötigt eine neue. Sie trage die alte Winterjacke ihrer ältesten Tochter, aber die sei ihr viel zu klein. Betten stehen auch auf Einkaufsliste, der Jüngste habe noch kein eigenes und schlafe bei ihr. Dann schaut sie auf den Fußboden. Es fehle auch an Teppichen, damit es in der Wohnung nicht so kalt sei. So vieles würde Deria Naima ihren Kindern gerne kaufen, damit es ihnen gut geht. Doch der Lohn ihres Mannes, der als Lkw-Fahrer arbeitet, reicht dafür nicht aus. Aber er ist zu stolz, um sich das einzugestehen.
So wie Deria Naima geht es vielen Frauen in München. Laut dem städtischen Armutsbericht haben ausländische Personen „das mit Abstand höchste Armutsrisiko“ und sind oft von Erwerbslosigkeit betroffen: gerade dann, wenn sie gering qualifiziert nach Deutschland gekommen sind oder ihr Berufsabschluss hierzulande nicht anerkannt ist. Geflüchtete Frauen haben es jedoch besonders schwer. Laut dem Bericht, der zuletzt im Jahr 2022 erschien, beziehen fast 20 000 ausländische Frauen in München Bürgergeld. Sie machen demnach die größte Gruppe von Bürgergeldempfängern in der Stadt aus, wenn man nach Nationalität und Geschlecht unterscheidet. Es dürften aber eher noch mehr ausländische Frauen sein, die einen Anspruch auf Unterstützung haben.
Deria Naima sagt, ihre Familie erhalte kein Bürgergeld, zumindest so lange ihr Mann arbeite. Sie hat Wohngeld beantragt, doch sie warte seit Monaten auf den Bescheid. Ähnlich ist es beim Kinderzuschlag. So bleibt nur das Kindergeld und der Lohn ihres Mannes. Sie streitet mit ihm, weil die Familie damit kaum die Miete bezahlen kann. Weil die Kinder auf selbstverständliche Dinge wie Ausflüge oder Fahrräder verzichten müssen. Den Fernseher im Wohnzimmer habe nicht ihr Mann, sondern Deria Naimas Tochter bezahlt, sagt sie. Die mache eine Ausbildung bei einer Bank. Von ihrem Gehalt habe sie auch die Waschmaschine und die Spülmaschine bezahlt.
Deria Naimas dreijähriger Sohn sitzt auf dem Sofa neben ihr. Sie tätschelt sein Kinn und kitzelt ihn. Am liebsten spielt er mit Spielzeugautos, im nahegelegenen Sozialkaufhaus will er stets neue haben. Sie hofft, dass er bald einen Platz im Kindergarten hat. Dann wäre der Dreijährige tagsüber versorgt, genau wie seine älteren Geschwister, die abgesehen von der ältesten Tochter, zur Schule gehen. Dann, so hofft Deria Naima, stünde ihr nichts mehr im Wege, um selbst arbeiten zu gehen. Auch nicht ihr Mann. Sie wird ihn überzeugen, dass das wichtig für die Familie ist.
So können Sie der Familie von Deria Naima und anderen Bedürftigen in München helfen:
Per Paypal oder per Lastschriftverfahren unter sz-gutewerke.de/spenden. Mit einer Überweisung an SZ Gute Werke e.V., HypoVereinsbank, IBAN DE 04 7002 0270 0000 0822 28, BIC HYVEDEMMXXX.
Spenden können Sie auch im SZ-Servicepunkt im Kaufhaus Ludwig Beck, Marienplatz 11, Eingang Dienerstraße, 1. Obergeschoss. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr.
Spenden an SZ Gute Werke sind steuerlich absetzbar. Jede Spende wird in vollem Umfang dem guten Zweck zugeführt. Alle Verwaltungskosten trägt der Süddeutsche Verlag. Sachspenden können aus organisatorischen Gründen nicht entgegengenommen werden.