Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender für gute Werke:Der Sohn als Familienchef

Ayez B. floh als Minderjähriger allein aus dem Irak nach München. Jetzt unterstützt er seine Eltern, die er nachgeholt hat.

Von Thomas Anlauf

Als Ayez dem Terror entflieht, ist er fast noch ein Kind. In Mossul und anderen Gebieten im Norden Iraks verbreitet die radikalislamische Terrororganisation "Islamischer Staat" seit 2014 Angst und Schrecken. Ein Jahr später flieht der damals 14-Jährige allein und zu Fuß - erst in die Türkei, dann nach Bulgarien, Serbien und Ungarn. Ayez schließt sich anderen Jugendlichen an, das ist sicherer. Schließlich kommt die Gruppe 2015 in München an. Ayez ist in Sicherheit.

Er wird als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling von der Jugendhilfe betreut, kommt in eine Wohngruppe. Die anfänglichen sprachlichen und bürokratischen Hürden im noch fremden Land meistert er schnell. Er geht in die Schule und lernt eifrig. Aber wenn er in seine Unterkunft kommt, denkt er an seine Familie, die noch immer unter dem Terrorregime des IS in seiner alten Heimat leidet. Zwei Jahre später gelingt es tatsächlich, dass die Eltern im Rahmen des Familiennachzugs auch nach München kommen können. Den drei Geschwistern wird das allerdings von deutschen Behörden bislang verwehrt. Ein Bruder und eine Schwester sind noch nicht einmal volljährig, eine weitere Schwester ist mittlerweile 21 Jahre alt. "Sie haben erst bei der Großmutter gelebt, aber sie ist gestorben", erzählt der heute 20-Jährige.

Die Trennung von den drei verbliebenen Kindern schmerzt den Vater Ameen B. und seine Frau sehr. Die Eltern von Ayez sind oft so verzweifelt, dass sie dann in Depressionen verfallen. An eine geregelte Arbeit ist beim Vater nicht zu denken in seinem Zustand, zudem leidet er unter schweren Rückenschmerzen, weshalb er dringend eine gute Matratze braucht. Auch der Aufenthaltsstatus der Eltern ist nicht gesichert. Zwar haben sie den Status des Familiennachzugs, aber nicht den als Geflüchtete. Nach Angaben des Betreuers der Familie habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entschieden, dass mittlerweile Jesiden, zu deren ethnischer Minderheit die Familie gehört, wieder im Irak leben könnten. Dagegen klagt der Vater, eine Entscheidung steht aber noch aus.

Unterdessen träumt Ayez von seiner Zukunft in München. Er ist im dritten Lehrjahr zum Parkettleger bei einem Einrichtungshaus in der Innenstadt. "Danach schaue ich, vielleicht mache ich mich selbständig", sagt der junge Mann selbstbewusst. Die Familie ist ganz auf den Sohn angewiesen. Sein Lehrlingsgehalt gibt er ab, mehr als ein wenig Geld aus der Flüchtlingshilfe und zuzahlende Leistungen von Hartz IV haben die drei nicht zum Leben. Und im Nordirak leben schließlich noch drei Geschwister, die Hilfe brauchen.

Unser Spendenkonto: Stadtsparkasse München, IBAN DE 86 7015 0000 0000 6007 00, BIC SSKMDEMMXXX. Spenden an den SZ-Adventskalender sind steuerlich absetzbar. Bei Überweisungen von mehr als 300 Euro übersenden wir eine Spendenquittung. www.sz-adventskalender.de

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5489603
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.