SZ-Adventskalender:Stark sein für die Kinder

SZ-Adventskalender: "Ich muss stark bleiben, denn das einzige auf der Welt, was für mich wertvoll ist, sind meine Kinder", sagt Ceyda Y.

"Ich muss stark bleiben, denn das einzige auf der Welt, was für mich wertvoll ist, sind meine Kinder", sagt Ceyda Y.

(Foto: Robert Haas)

Ihre Kinder sind das Wichtigste für Ceyda Y. - aber obwohl sie extrem sparsam lebt, kann sie ihnen keine passende Kleidung und kein Schuhwerk kaufen. Auch Daniel K. hat es schwer, für seine Familie zu sorgen, selbst mit zwei Jobs.

Von Berthold Neff

"Du kannst es schaffen, nein: Du musst es schaffen. Du musst deinen Kindern zeigen, wie wichtig es ist, stark zu sein, zu kämpfen und zu gewinnen." Immer dann, wenn Ceyda Y. (Name geändert) der Verzweiflung nahe war, machte sie sich mit solchen Sätzen Mut. Immer dann, wenn sie nicht wusste, wie sie ihre drei Kinder über die Runden bringen sollte, wenn ihr selbst für das nötigste Essen das Geld fehlte, konzentrierte sie sich auf ihre eigene Stärke. Das gab ihr die Kraft zum Weitermachen. "Ich muss stark bleiben, denn das einzige auf der Welt, was für mich wertvoll ist, sind meine Kinder", sagt Ceyda Y., während sie die Arme um die beiden Jüngsten legt.

Wie hart das Leben sein kann und dass man es ohne harte Arbeit nicht besteht, hat die heute 42-Jährige schon als Kind erlebt. Ihr Vater war schon 1967 als Gastarbeiter zunächst nach Österreich und dann nach München gekommen, fand bei BMW Arbeit am Fließband. Die Mutter kümmerte sich zu Hause um die Kinder, sieben an der Zahl waren es schließlich. Als Ceyda Y. zwölf Jahre alt war, schickten die Eltern sie in die Türkei, vier Jahre lang besuchte sie dort ein Internat. Ihr Deutsch, das sie schon so gut beherrscht hatte, wurde schlechter, und sie sehnte sich nach ihren Freunden im Münchner Norden. Und war sie nicht ein echtes Münchner Kindl, geboren im Schwabinger Krankenhaus?

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Als sie dann endlich wieder nach München durfte, musste sie erst in der Schule aufholen, was sie verpasst hatte, schaffte den Hauptschulabschluss. Sie arbeitete als EDV-Fachkraft und heiratete, mit 19 Jahren, einen jungen Mann aus Bosnien, den ihre Eltern nicht akzeptierten, das Verhältnis zu ihnen ist bis heute schwierig. Sie brachte in der Ehe zwei Kinder zur Welt, die Tochter ist mittlerweile 17, der Sohn zwölf Jahre alt. Aber wie das dann so ist: Die Ehe zerbrach, endete aber nicht in einer Katastrophe. Ihr Ex-Mann kümmerte sich auch nach der Scheidung um die Kinder, pflegt Umgang mit ihnen und zahlt, so gut es eben geht mit seinem Job als Trambahnfahrer, auch Unterhalt für sie.

Und gerade als Ceyda Y. sich einigermaßen gefestigt und ihren Kindern in einer neuen Wohnung ein Zuhause eingerichtet hatte, wurde ihr eine neue Beziehung zum Verhängnis. Der Mann, der dann Vater ihrer jüngsten Tochter wurde, war aus der Türkei eingereist und hatte, so erkannte sie bald, die Beziehung nur aufgenommen, um in Deutschland bleiben zu können. Arbeit mied er ebenso wie das Erlernen der deutschen Sprache. Zu Hause machte er ihr das Leben zur Hölle.

Ceyda Y. will vor den Kindern über diese schwere Zeit nicht reden, sie setzt das Gespräch mit dem Besucher in der kleinen Küche fort. Es geht um massive Gewalt, dieser Mann nahm keine Rücksicht darauf, dass seine Partnerin gerade frisch entbunden hatte. Die Polizei und das Jugendamt griffen ein, befreiten Ceyda Y. aus dieser Notsituation. Die Behörden verboten ihm den Umgang mit seiner Tochter, dann wurde ein begleiteter Umgang genehmigt. Ceyda Y. lebte in ständiger Angst vor ihm, sie musste sich psychologisch betreuen lassen, um die Angst zu verlieren, dass sie ihre Kinder nicht vor ihm schützen könnte.

Erst als er in die Türkei entschwand und dort wegen diverser Delikte in Haft geriet, atmete sie auf - und die Kinder mit ihr. Zu Hause wird Deutsch gesprochen, Türkisch hat die kleine Melinda - mittlerweile sieben Jahre alt und begeisterte Schülerin in der ersten Klasse - draußen auf der Straße gelernt. Gesundheitlich ging es der Kleinsten nicht immer gut. Sie war ein Frühchen und hat seitdem ein schwaches Immunsystem. Dann kam, als Säugling, eine Herpes-Infektion hinzu, die dazu führte, dass die Ärzte ihre Vorderzähne entfernen mussten. Wenn sich alles stabilisiert hat, wird sie neue Zähne bekommen.

Die Kinder haben sich daran gewöhnt, dass das Geld immer knapp ist. Dass sie nicht die gleichen Sachen tragen können wie andere Kinder, deren Familien es finanziell besser geht. Melinda und Edin, ihr Bruder, haben bescheidene Wünsche. "Ich wünsche mir eine Schneekugel mit einer Sternschnuppe drin", sagt Melinda. Edin, der begeistert beim Sport mitmacht, braucht neue, feste Schuhe dafür. Die Marke ist ihm nicht wichtig, er weiß, dass die angesagten Marken zu teuer sind.

Wichtig ist ihm, dass die Familie zusammen ist und glücklich. Dass sie sich gegenseitig stützen. Und so, wie er zu seiner Mutter aufschaut, sieht jeder, dass er sie bewundert. Es gibt viele Gründe dafür. Sie hat immer versucht, die Familie über die Runden zu bringen, hat mit Mini-Jobs die Haushaltskasse wenigstens etwas aufgebessert. Die fielen durch Corona dann weitgehend weg, aber so erwuchs eine neue Chance. Ceyda Y. begann, mit mehr als 40 Jahren, eine Ausbildung zur Kinderpflegerin. "Das war schon immer mein Traumberuf", sagt sie. "Und jetzt habe ich es geschafft." Im Sommer hat sie in Würzburg das Examen zur Sozialpädagogischen Assistentin und Kinderpflegerin mit der Note 2,6 abgeschlossen und arbeitet seitdem in einer Einrichtung des Bayerischen Roten Kreuzes, vorerst in Teilzeit.

Nun hat sie das nächste Ziel im Auge: Erzieherin werden. Und weil die älteste Tochter gerade ihren Mittelschul-Abschluss vorbereitet, wird gelernt und gebüffelt in der 2,5-Zimmer-Wohnung. Es fehlt aber an einem Schreibtisch, einem Stuhl dazu, einem Laptop - solche Dinge halt. Und weil die Kinder wachsen, brauchen sie immer wieder passende Kleidung und Schuhwerk. Spenden würden ihr und ihren drei Kindern sehr helfen. Und Ceyda Y. wird nun selbst wieder Geld verdienen - um ihren Kindern ein Beispiel zu sein.

Zwei Jobs, trotzdem fehlt das Geld für das Nötigste

Wie schwer es in einer reichen und teuren Stadt wie München sein kann, halbwegs über die Runden zu kommen, erlebt Daniel K. jeden Tag. Morgens, wenn es noch dunkel ist, macht er sich auf den Weg zur Arbeit, aus Aubing nach Germering. Wenn Schnee fällt, muss er sehr früh dort sein, um fünf Uhr, denn als Hausmeister einer großen Wohnanlage ist er auch für den Winterdienst zuständig. Im vergangenen Jahr hat er die Strecke jeden Morgen mit dem Rad bewältigt. Einmal ist er dabei böse gestürzt, weil er das Eis unter dem Matsch nicht sehen konnte. Eine Getränkedose drückte sich beim Sturz in seinen Brustkorb, eine Rippe war angebrochen, das Atmen fiel ihm danach schwer - und das Lachen sowieso.

Das Leben hat es dem 40 Jahre alten Mann, der vor 22 Jahren aus Sachsen auf der Suche nach Arbeit nach München kam, noch nie leicht gemacht. Seit er 15 Jahre alt war, hat er stets gearbeitet, zu Beginn in seinem erlernten Beruf als Garten- und Landschaftsgestalter. Das hat ihn schlank gehalten und drahtig gemacht, aber es war oft gefährlich, etwa wenn er sich als Baumfäller noch etwas hinzuverdiente. Als die erste Firma, bei der er in München arbeitete, pleite ging, fand er zwei Wochen später den nächsten Job, arbeitete lange im städtischen Bad Maria Einsiedel, als dieses naturnah umgestaltet wurde.

SZ-Adventskalender: "Zuerst kommen die Kinder, und dann, viel später, kommen wir", sagt Daniel K.

"Zuerst kommen die Kinder, und dann, viel später, kommen wir", sagt Daniel K.

(Foto: Stephan Rumpf)

Auch in der Ehe lief es gut, anfangs. Später, als er viel auf Montage war, lebte man sich auseinander. Hinzu kam, dass die Tochter im Alter von zwei Jahren an Diabetes Typ 1 erkrankte, das forderte von den Eltern alle Kraft. Er kümmerte sich um das Kind, ging in den Kindergarten, in die Schule, um den Kindern zu erklären, dass man die Kleine nicht hänseln müsse, nur weil die eine Insulinpumpe am Körper trägt. Dann zerbrach die Ehe, seine Frau nahm, als sie nach Sachsen zurückkehrte, so gut wie alles aus der Wohnung mit. "Sie hat mir drei Teller, drei Löffel, drei Gabeln, einen Topf und zwei Tassen gelassen", sagt Daniel K. Und sie forderte die Kaution für die Wohnung zurück, die von ihrer Großmutter vorgestreckt worden war.

In einer solchen Situation war Daniel K. zuvor noch nie gewesen; "ich hatte noch nie Schulden". Die häufte er aber an, als er - bei der Arbeit - seine neue Partnerin kennenlernte und sie zu ihm zog. Er beschaffte zwar nur das Nötigste, aber es ging dennoch ins Geld. Nuria T. war vor zehn Jahren aus Portugal nach München gekommen, der Liebe wegen, aber ihre Beziehung zerbrach. "Sie hat Ähnliches durchgemacht, bei ihr konnte ich mein Herz ausschütten." Und als dann die Kinder in schneller Folge zur Welt kamen, "meine drei Prinzessinnen", wie der stolze Vater sie nennt, wurde das Geld noch knapper. Er kaufte wenig, behalf sich sonst mit geschenkten Dingen, aber dennoch war es dann irgendwann so, dass er die Miete schuldig blieb.

Schließlich, als ihm die Schulden über den Kopf wuchsen, fand er den Weg zur städtischen Schuldnerberatung. Eine Privatinsolvenz soll der Familie nun einen Ausweg eröffnen. Allein mit seiner Arbeit würde es Daniel K., der nebenbei auch noch als Fitnesstrainer tätig ist, nie schaffen, die Schuldenfalle zu verlassen. "Allein für Miete und Strom gehen 1138 Euro drauf", rechnet er vor, und fügt hinzu: "Und dann muss noch der Kühlschrank gefüllt werden." Da sind die knapp 2000 Euro netto, die er verdient, schnell weg. Hinzu kommt, dass die jüngste Tochter, acht Monate alt, aus medizinischen Gründen spezielles Milchpulver und einen relativ teuren Trockenreisschleim braucht, den die Krankenkasse nur teilweise bezahlt.

Die drei Kinder sind für ihn und seine Partnerin das Wichtigste, "sie sind ein Segen", sagt Daniel K. Jeden Abend lacht sein Herz, wenn die Kleinste "mir wie eine Schildkröte entgegenkommt und mich begrüßt". Und dann gibt es ja noch die Pandemie. Er ist geimpft, aber er muss aufpassen, das Virus nicht in die Familie zu tragen, das belastet ihn zusätzlich.

Trotz dieser Schwierigkeiten hat er das Gefühl, "dass es aufwärts geht". Von einem Bewohner in der Wohnanlage hat er einen gebrauchten Motorroller geschenkt bekommen, damit schafft er es besser zur Arbeit. "Mit sieben Euro für eine Tankfüllung komme ich eine Woche durch", sagt Daniel K. Aber weil die Kinder wachsen, braucht es immer wieder neue Schuhe, neue Kleidung. Die Kleinere trägt zwar auf, was der Größeren nicht mehr passt, aber irgendwas fehlt immer. Neue Matratzen wären nötig, und dann auch Laufschuhe für die Kleinste. Spenden würden helfen, das Nötigste zu beschaffen. "Zuerst kommen die Kinder, und dann, viel später, kommen wir", sagt ihr Vater. Dann muss er los, der Zweitjob ruft. Aber er ist zuversichtlich: "Wir können das schaffen."

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