Energiekrise:Stadtwerke München erhöhen Gaspreis drastisch

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Die Preissteigerung beträgt für einen durchschnittlichen Münchner Haushalt 93 Prozent - der Mehrwertsteuerrabatt der Bundesregierung ist da schon eingerechnet. (Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn)

Für einen Haushalt mit durchschnittlichem Verbrauch bedeutet das fast eine Verdopplung auf 3700 Euro im Jahr. Auch der Strompreis wird deutlich steigen. Was Kundinnen und Kunden tun können, um den Preisschock abzufedern.

Von Heiner Effern, Anna Hoben und Catherine Hoffmann

Der Gaspreisschock schlägt nun voll auf die Verbraucher in München durch: Die Stadtwerke werden ihre Preise zum 1. Januar 2023 in etwa verdoppeln. Wer im Mittel des Verbrauchs aller Münchner Privathaushalte liegt - das sind 20 000 Kilowattstunden pro Jahr - muss laut einer Mitteilung des städtischen Tochterunternehmens künftig 307 Euro pro Monat zahlen. Im Moment liegt der Preis bei 159 Euro. Das bedeutet zusätzliche Gaskosten von 1776 Euro in einem Jahr. Doch nur beim Schock über die Gaskosten wird es zum Jahreswechsel nicht bleiben: Auch die Strompreise werden laut Stadtwerken "leider deutlich steigen". Details dazu gebe es aber im Moment noch nicht.

Schaut man sich die Entwicklung des Gaspreises in den vergangenen zwölf Monaten an, fallen die Mehrkosten für die Münchnerinnen und Münchner freilich noch deutlich heftiger aus als die jetzt verkündeten 93 Prozent. Denn die Stadtwerke haben den Gaspreis heuer bereits zwei Mal erhöht. Der angeführte Durchschnittshaushalt zahlte bis zum 31. Dezember 2021 monatlich lediglich 94 Euro. Mit der Erhöhung zum 1. Januar 2022 belief sich der Betrag auf 117 Euro, mit der nächsten Steigerung zum 1. August 2022 auf 159. Der Gaspreis wird sich zum 1. Januar im Vergleich zum Ende des vergangenen Jahres also mehr als verdreifachen.

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Im Fall des Beispielhaushalts beträgt die Erhöhung dieses Mal konkret 93 Prozent. Allerdings ist hierbei laut den Stadtwerken schon die Senkung der Umsatzsteuer auf Gas von 19 auf sieben Prozent eingerechnet. Rechnet man diese heraus, würde der Monatspreis noch höher ausfallen. Für den Haushalt mit Münchner Durchschnittsverbrauch läge dieser bei 342 statt bei 307 Euro. Noch nicht enthalten in der Rechnung sind die Vorschläge der Expertenkommission zur Entlastung von Gaskunden. Wenn diese umgesetzt werden, würde der Staat einmalig im Dezember die Abschlagszahlung übernehmen und von März 2023 an für 80 Prozent des Verbrauchs den Preis auf zwölf Cent pro Kilowattstunde drücken.

Die neuen Preise mit einem Anstieg von 93 bis 98 Prozent je nach Tarif werden laut Stadtwerke Privatkunden sowie kleine und mittlere Unternehmen treffen. Ab einem Gasverbrauch von 103 000 Kilowattstunden jährlich gilt man als Großkunde und kann individuell einen Vertrag mit dem Versorger abschließen. "Es ist uns bewusst, dass steigende Preise sehr unerfreuliche Nachrichten sind", sagte Stefan Tauber, Leiter des Kundenservices bei den Stadtwerken. Doch sein Unternehmen könne "die extrem hohen Beschaffungskosten nicht mehr abfedern".

Im Vergleich zu Anfang 2021 seien die Lieferpreise um 950 Prozent gestiegen, sagte Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde im Wirtschaftsausschuss des Stadtrats. "Im Gasmarkt haben wir sozusagen Hyperinflation", so Bieberbach. Wenn die Preise fürs darauffolgende Jahr verkündet würden, habe man das Gas schon komplett gekauft. Üblicherweise beginne man ein bis zwei Jahre vorher schrittweise mit dem Einkauf.

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Die Stadtwerke empfehlen den Kunden, schnell die Abschlagszahlung für Gas zu erhöhen, um eine heftige Nachzahlung in einem Stück zu vermeiden (möglich unter www.swm.de/abschlag). Wenn Kunden die Erhöhung nicht oder kaum bezahlen könnten, sollten sie schnell Kontakt aufnehmen. Dann werde nach Lösungen gesucht. "Niemand muss wegen Zahlungsschwierigkeiten frieren", versprechen die Stadtwerke.

Das Unternehmen verweist zudem auf eine Ausweitung seiner Energiesparberatung und auf den Wärmefonds mit 20 Millionen Euro, der Geringverdienende dabei unterstützen soll, die steigenden Preise zu bewältigen. Der Fonds soll von Januar an zur Verfügung stehen, Experten aus der Sozialarbeit übernehmen die Prüfung und Vergabe der Mittel.

Über die Vergabe müsse nun auch umgehend entschieden werden, forderte die SPD-Fraktionsvorsitzende Anne Hübner. Ihre Partei habe diesen Fonds angestoßen, "damit die Menschen durch den Winter kommen". Deshalb müsse die Auszahlung durch die Stadtwerke zum Jahresanfang 2023 starten. "Die Preiserhöhung ist eine schwere Belastung Hunderttausender Münchner." Für den Gaspreisdeckel brauche es ebenfalls "schnell einen konkreten Verfahrensvorschlag".

Ihr Kollege bei den Grünen, Fraktionschef Dominik Krause, hofft ebenfalls auf umfassende Hilfe durch das angekündigte Entlastungspaket des Bundes mit Gaspreisbremse. Ohne diese Zahlungen "würden wir vor einer mittleren Katastrophe stehen", sagte er. Auch Krause hofft, dass die Absichten in Berlin nun schnell konkretisiert werden. In der Folge müsse die Stadtpolitik prüfen, ob weitere Hilfe für Menschen nötig sein wird, die durch das Entlastungspakt nicht ausreichend unterstützt würden.

Genau eine solche Lücke sieht bei den jetzt bekannten Plänen Linken-Stadtrat Stefan Jagel. Besonders von Armut bedrohte Menschen könnten beim Entlastungspaket zu kurz kommen, fürchtet er. Denn die Gaspreisbremse soll nur für 80 Prozent des Monatsverbrauchs gelten. Wer jetzt schon um jeden Cent ringen muss, könne aber seinen jetzigen Verbrauch meist nicht mehr senken, sagte Jagel, weil er ohnehin so wenig wie möglich heize. Für die verbleibenden 20 Prozent müssten arme Menschen also oft den vollen Preis bezahlen. Genau diese könnten sich aber diese Mehrkosten nicht leisten.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung war von durchschnittlichen Zwei-Personen-Haushalten in München die Rede, die 20 000 Kilowattstunden Erdgas pro Jahr verbrauchen. Diese Angabe haben die Stadtwerke München (SWM) so verbreitet, zwischenzeitlich aber selbst in ihrer Online-Veröffentlichung korrigiert. Tatsächlich bezieht sich der Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden laut SWM auf einen durchschnittlichen Münchner Haushalt unabhängig von der Anzahl der darin lebenden Personen. Ein Haushalt mit zwei Personen in einem Mehrfamilienhaus dagegen verbraucht laut SWM jährlich im Schnitt 15 000 Kilowattstunden.

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