Milbertshofen:Diese Brüder bauen Bio-Surfbretter

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Die nachhaltigen Boards sind auch auf der Eisbach-Welle im Einsatz. (Foto: Patrick Elgert)

Surfer wollen mit der Natur im Einklang sein, doch viele Boards schaden der Umwelt. Sebastian und Alexander Schwainberger haben nachhaltige Surfbretter entwickelt - und einen Preis gewonnen.

Von Rita Argauer

Der Schuppen im Garten eines Drei-Parteien-Hauses im Münchner Stadtteil Milbertshofen gleicht einem kleinen Operationssaal: Die Wände haben einen türkis-grünen Anstrich, in der Mitte steht ein länglicher Arbeitstisch, grell beleuchtet. Auch die Gesichtsmasken, die Alexander und Sebastian Schwainberger darin tragen, unterstützen diesen Eindruck. Nur dient der Schutz nicht dem Wohl von Patienten. Vielmehr sind es die beiden Brüder, die hier geschützt werden müssen. Denn Surfbretter herzustellen, ist ganz schön giftig; auch die nachhaltige und ökologische Variante, die die Geschwister hier in ihrem Gartenschuppen am Münchner Stadtrand produzieren.

"Shape-Room" nennen Alexander und Sebastian Schwainberger, 28 und 31 Jahre alt, diesen vorderen, OP-ähnlichen Teil des Schuppens. Hier wird geshaped, also die Grundform des späteren Surfbretts mit der Hand auf dem Arbeitstisch heraus geformt. Mit Schleifpapier und Hobeln bearbeiten die beiden Brüder die sogenannten Blanks. Diese Prototypen aus den Kunststoffen PU und EPS bilden den eigentlichen Schwimmkörper. Der Staub ist gesundheitsschädlich. Doch das ist der einzige Teil der in Milbertshofen gefertigten Boards, der auch in konventionellen Surfbrettern verwendet wird. Für alles andere haben die Brüder eigene, umweltfreundlichere Bio-Alternativen gefunden. Selbst die "Blanks" beziehen sie mittlerweile aus recyceltem Material. Doch: "Gesund ist das trotzdem nicht", sagt Alexander Schwainberger. Das Hobeln staubt. Deshalb der Atemschutz.

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Der 28-Jährige geht schnell ins Detail, erklärt die Materialien, deren Eigenschaften und was daraus für ihre Boards resultiert. Sein drei Jahre älterer Bruder Sebastian Schwainberger arbeitet als angestellter Architekt in einem Büro, Alexander Schwainberger ist CAD-Konstrukteur bei einem BMW-Zulieferer. Allerdings nur noch für drei Tage die Woche. Denn die vollständig handgefertigten Surfboards, die sie mit Chris Jach seit nunmehr zwei Jahren unter dem Namen "Wau-Eco-Boards" fertigen und vertreiben, verkaufen sich immer besser. Auch Sebastian Schwainberger möchte seine Architekten-Arbeitszeit künftig reduzieren. "Surfboards herstellen macht mehr Spaß", sagt Alexander Schwainberger.

Doch es geht nicht nur um Spaß. "Wau" steht für "World Around Us". Alexander und Sebastian Schwainberger haben einen Anspruch, der weit über den bloßen Hedonismus einer Fun-Sportart hinaus reicht. Konventionelle Industrie-Surfbretter sind so umweltschädlich wie viele Produkte der globalisierten Konsumgesellschaft; sowohl was die Herstellung und Entsorgung der Werkstoffe als auch die Fertigungskette betrifft. "Die meisten Bretter werden in Thailand oder China gefertigt", erklärt Alexander Schwainberger, "ohne Atemschutzmasken."

Mit ihrer kleinen Werkstatt aber erfüllen die beiden Brüder die Kriterien, die derzeit immer wieder genannt werden, wenn es darum geht, wie Konsum ökologisch verträglicher gestaltet werden kann: regional und nachhaltig. Man sieht das den Brettern an. Anstatt aller denkbaren Neon-Farben und auffälligen Designs sehen alle Wau-Boards ähnlich aus. Die Oberfläche ist aus braunem Bambus, und statt strahlend weißer Glasfaser nutzen sie nachhaltige dunkelbraune Flachsfaser als Zusammenhalt. Das ergibt Surfbretter in Vollkornästhetik.

Die Idee ist aus der Not geboren

Nachhaltigkeit wird auch für Marken ein immer wichtigeres Verkaufsargument; gerade im Surfsport, der in Einklang mit der Natur ausgeübt wird. Alexander und Sebastian Schwainberger sind mit ihren Boards Vorreiter - zumindest in München sind sie die einzigen, die solche Boards herstellen. Dafür wurden sie von der im US-Bundesstaat Kalifornien beheimateten Organisation "Sustainable Surf" ausgezeichnet, die sich für nachhaltiges Surfen und Müllvermeidung einsetzt. Seitdem werden die Wau-Surfbretter dort offiziell als Eco-Boards gelistet.

Als Marktidee ist es trotzdem ein wenig waghalsig, ausgerechnet in München so hochwertige Surfbretter herzustellen. Der Preis für eines liegt je nach Ausführung zwischen 500 und 700 Euro. Und natürlich: Es gibt hier durch die in jedem Reiseführer erwähnte Eisbachwelle eine veritable Surferszene. Doch das Angebot in München (neben den beiden Spots am Eisbach kann man noch in Thalkirchen und auf einer künstlichen Welle in Taufkirchen surfen) ist bescheiden im Vergleich mit Orten an der französischen Atlantikküste oder in Portugal. Dort, wo im Meer auf Tausenden Wellen gesurft wird. Dort, wo es etwas wie Surf-Tourismus gibt.

Sebastian und Alexander Schwainberger (von links) fertigen in einem Gartenschuppen in Milbertshofen Surfbretter an. Für ihre Eco-Boards bekamen sie eine Auszeichnung. (Foto: Studio Pi Chi)

"Wir wollen mit den Surfboards keine Millionäre werden", sagt Sebastian Schwainberger, "wie auch in München", sagt er, lacht und tippt sich an die Stirn. Andererseits wächst ihr kleines Unternehmen. An die 100 bis 150 Boards haben sie in zwei Jahren hergestellt, alle auf Anfrage. Hinzu kommen Reparaturarbeiten, die sie für Boards anbieten. "Gerade in diesem Sommer hat es einen Sprung gegeben", sagt Alexander Schwainberger. Ihm sei aber auch klar, dass darauf im Winter bestimmt eine Flaute folgt. "Da kommt dann die Zeit zum Experimentieren."

Das Ausprobieren ist auch notwendig. Auf diese Weise entwickeln sie die Surfbretter. Mit dem Fachwissen über Materialien und Werkstoffe von Alexander Schwainberger und dem Architekturverständnis seines Bruders. Flachfaser statt Glasfaser und die Bambusverstärkung haben sie sich ebenso selbst ausgedacht wie eine zusätzliche Verstärkung mit Basaltfaser. "Das ist gleichwertig zur Carbonfaser, aber ein natürlicher und nachwachsender Rohstoff", erklärt Alexander Schwainberger. Für Flussbretter, also solche, die auch die Münchner Eisbachsurfer fahren, brauchen die Boards wegen der Steine eine zusätzliche Verstärkung. Ebenso wie das Wachs, mit dem die Surfer das fertige Brett einreiben, damit sie im Wasser nicht abrutschen: Statt künstlichem Wachs bieten sie eines auf Bienenwachs-Basis von Münchner Imkern an. "Das könntest du essen, wenn du möchtest", sagt Sebastian Schwainberger. Dementsprechend unschädlich sei es, wenn es sich im Meer löst.

Und darum geht es ja beim Surfen auch immer ein bisschen: Die Surfer üben ihren Sport im Idealfall im Einklang mit der Natur aus. Mit dem Meer. Mit den Fischen. Da wirkt es absurd, Schadstoffe vom Brett ins Wasser zu befördern. Zudem haben Münchens Surfer ein weiteres Öko-Problem. Sie müssen fliegen, um Surf-Spots zu erreichen. Oder ganz schön weit fahren. Die Geschwister haben sich dafür einen Bus umgebaut und wollen nur noch nach Frankreich und Portugal und im Winter nach Italien zum Surfen.

Viel Zeit für ihren Sport haben sie aber nicht: "Wir bauen mehr Bretter, als dass wir tatsächlich zum Surfen kommen", sagt Sebastian Schwainberger. Ihr Idealismus stand zu Beginn gar nicht an erster Stelle. Mehr der Geldmangel zu Studienzeiten. Statt teure Bretter zu kaufen, begannen sie, sich selbst welche zu bauen. Dafür ist die Nachhaltigkeit beim Bretterbau gegenwärtig umso stärker. Bei jedem Fertigungsschritt erklären sie, woher das Material kommt, wie umweltverträglich es ist und wie es wieder entsorgt oder weiterverwertet werden kann. Aus Fleecestoff-Bahnen, die überschüssiges Kunstharz aufsaugen, fertigen sie etwa robuste Taschen. Und die nicht verwerteten Reste der "Blanks" geben sie an die Architektur-Fakultät der TU München zum Modellbau weiter.

© SZ vom 13.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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