Null Acht Neun:Leere Regale, volle Lager

Null Acht Neun: Kurzzeitig gingen der Stadt die Hilfsgüter aus, doch viele Münchner folgten dem Spendenaufruf und füllten das Lager in der Kleinen Olympiahalle.

Kurzzeitig gingen der Stadt die Hilfsgüter aus, doch viele Münchner folgten dem Spendenaufruf und füllten das Lager in der Kleinen Olympiahalle.

(Foto: Robert Haas)

Bei Feinkost Käfer gibt es keine Königskrabbenbeine mehr, beim Discounter Aldi kein Sonnenblumenöl. Erfreulich, dass es in der Stadt gerade an einer Sache nicht fehlt: an der Hilfsbereitschaft und am Mitgefühl der Münchner.

Glosse von Anna Hoben

Beim Feinkosthändler Käfer sind die Regale leer, wie in dieser Woche zu lesen war. Nur bestimmte Regale, versteht sich. Kein Wodka mehr, keine Königskrabbenbeine in Lake mehr, alles gemäß dem Motto: Russisch muss raus. Wer im Käfer-Online-Shop nach Königskrabbenbeinen sucht, dem wird vom Algorithmus stattdessen unauffällig ein "Nordseekrabben Canapé" vorgeschlagen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Lebensmitteldiscounter Aldi: leere Regale. Statt der Abteilung mit harten Alkoholika ist dort aber jene mit Sonnenblumen-, Raps- und anderem Pflanzenöl betroffen. Vielleicht hat Käfer noch Sonnenblumenöl? Fehlanzeige. Die Suche im Online-Shop führt lediglich zu "Gegrillte Artischocken, eingelegt in Sonnenblumenöl mit einem Spritzer Weinessig", 9,95 Euro. Dafür bekäme man an der Tankstelle schon vier Liter Diesel!

Geschichte wiederholt sich auch am Supermarktregal. Und manchmal stellt es sich erst nach Jahren heraus, wenn jemand das Richtige getan hat. So wie beim bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, der vor zwei Jahren 10 000 Matratzen einkaufte, um nicht zu sagen: hamsterte. Der Politiker handelte im Glauben, dass wegen des neuartigen Virus aus China bald Turnhallen zu Notfallkliniken umfunktioniert werden müssten. Jetzt profitiert die Stadt München von den Aiwangerschen Matratzen - mit einem Teil davon ist die Notunterkunft für Ukraine-Geflüchtete in der Messe in Riem ausgestattet worden.

Mittlerweile ist die Abgabe von Speiseöl in den Geschäften teilweise rationiert. Moment mal, täuscht man sich, oder ist einem einige Tage vor dem Öl-Engpass im Supermarkt ein Mann aufgefallen, der seine 200 Flaschen Öl unbedingt bar bezahlen wollte und ein leises "Donke" murmelte, bevor er Richtung Kofferraum entschwand? Verwunderlich wäre es jedenfalls nicht, wenn in, sagen wir, zwei Jahren irgendwo im bayerischen Wirtschaftsministerium ein Sonnenblumenöl-Lager auftauchte. Wer weiß, wofür das dann gut sein wird.

Die Stadt wiederum hat in dieser Woche die Erfahrung gemacht, dass sie ihre Notunterkünfte nicht mehr mit dem Notwendigsten beliefern konnte. Es habe Engpässe gegeben, "die Lager sind leer", hieß es in einem Spendenaufruf an die Münchnerinnen und Münchner. Und die lieferten, Kissen, Windeln, Shampoo, alles in die Kleine Olympiahalle, von wo aus die Güter verteilt wurden.

Erfreulich ist indes der Füllstand der Münchner Lager, in denen Mitmenschlichkeit, Hilfsbereitschaft, Empathie aufbewahrt sind. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sortieren Spenden, bieten ein Zimmer an, sie dolmetschen und schenken den Kindern in Notunterkünften ein bisschen Abwechslung und Unbeschwertheit. Diese Lager, das haben die vergangenen Tage und Wochen gezeigt, sind voll.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: