Die Wiener haben sich schon entschieden: Bogdan Roščić, 52, ehemaliger Popkritiker, Radio-Programmchef und Musikmanager bei Sony, soll dort 2020 neuer Staatsopernchef werden. Eine ungewöhnliche Lösung, die an der Bayerischen Staatsoper kaum denkbar wäre. Doch da die Hochkulturszene immer dann ein wenig zur Teenager-Disco wird, wenn in der Chefetage eines Theaters oder eines Opernhauses ein Wechsel bevorsteht, hat die Wiener Personalie die Münchner Gerüchteküche zumindest ein wenig angeheizt.
Denn auch hier wird 2020 ein schicksalhaftes Jahr sein. Generalmusikdirektor Kirill Petrenko, bereits ab 2019 neuer Chef der Berliner Philharmoniker, wird dann sein letztes Jahr Festengagement haben, Staatsintendant Nikolaus Bachler bleibt nur ein Jahr länger.
Das ist alles noch lange hin, weshalb Toni Schmid auch gerne betont, dass man in München ja gar keine Eile habe. Wenn aber ausgerechnet der Ministerialdirigent im Kultusministerium das sagt, heißt es, dass eine Entscheidung auch schon morgen fallen könnte. Der mächtige Schmid ist seit Jahren der Intendantenmacher schlechthin im Freistaat und zudem ein besonders verschwiegener Verhandler, der dafür am liebsten seine mediale Ruhe haben möchte.
Reden wir über Geld: Oksana Lyniv:Dirigieren? Keine Arbeit für eine Frau
Schwungvoll, burschikos, sehr ehrgeizig: Oksana Lyniv ist Dirigentin und Assistentin von Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper. Der Weg dorthin war steinig.
Natürlich sondiert er seit Monaten die weltweite Klassikszene nach Bachler- und Petrenko-Nachfolgern. Aber über seine Gedankenspiele dazu verrät er nur so viel: Man wolle eine ideale Doppellösung, einen Intendanten und einen Generalmusikdirektor, die ähnlich perfekt zusammenpassten wie die beiden derzeit. Machtspielchen und Kränkungen wie das vor Bachler und Petrenko etwa mit Bachler und Kent Nagano der Fall war, will man damit wohl verhindern. Damit ist Schmids Entscheidungsmatrix klar: Der Dirigent muss zum Orchester, der Intendant zum Haus passen, beide aber auch zueinander. Doch wer kommt für eine solche Doppelspitze in Frage?
Musikalisch bietet sich als Petrenkos Nachfolgerin Oksana Lyniv an. Die Ukrainerin kam 2013 mit Petrenko nach München und ist seitdem seine erste musikalische Assistentin. Seit sie von 2014 an immer häufiger selbst hinter dem Pult stand, wurde die musikdramatische Fähigkeit der 38-Jährigen offenbar. Sie musiziert herausragend feinsinnig an den Geschichten entlang und gibt den Sängern einen emotionalen Boden für ihre Partien. Gleichzeitig dirigiert Lyniv mit bestechender Klarheit und sorgt für Halt im emotionalen Opernüberschwang.
Das Duo muss zum Haus passen - und zueinander
Eine andere junge, weibliche Lösung wäre Mirga Gražinytė-Tyla. Die Musikdirektorin des Salzburger Landestheaters übernahm gerade die Leitung des einst von Simon Rattle an die Spitze der Musikwelt katapultierten Orchesters in Birmingham und ist eine fantastische Dirigentin, die alle, die mit ihr arbeiten, zu Freunden und Verschwörern in gemeinsamer Sache macht. Ihre Wahl wäre ein Zeichen für eine mögliche, lang anhaltende Zukunft, erforderte aber den Mut, jenseits berühmter Namen zu entscheiden.
Im Prinzip kann man bei der Wahl eines neuen Führungsduos folgendermaßen vorgehen: Man schaut sich an, welche Opernhäuser gerade besonders gut funktionieren, und transferiert deren Leitung nach München. Im Moment wären das die Oper Zürich, das Staatstheater Stuttgart und die Komische Oper Berlin. Das kleine Problem bei dieser Auswahl: Barrie Kosky, Chef der Komischen Oper, macht in Berlin lebendigstes Theater im Geist der Roaring Twenties - für München eine Herausforderung. Jossi Wieler, der Stuttgarter Intendant, will von 2018 an wieder rein als Regisseur arbeiten und nicht mehr ein Haus leiten.
Schmid kündigt eine Entscheidung für 2017 an
Bliebe Zürich. Dessen Intendant Andreas Homoki wird seit geraumer Zeit immer wieder von verschiedenen Seiten ins Spiel gebracht, wenn die Rede auf die Bachler-Nachfolge kommt. Homoki hat auch bereits, nicht überbordend glückhaft, an der Bayerischen Staatsoper inszeniert. Sein dirigierender Kompagnon ist in Zürich Fabio Luisi, auch er in München kein Unbekannter; ein Freund der Sänger, ein solider Arbeiter, aber nicht unbedingt gestreift von einer Genialität im Sinne Petrenkos.
Letztlich wird man sich überraschen lassen müssen, wer am Ende am besten in Schmids Matrix passt. Der kündigt dann doch eine Entscheidung für das Jahr 2017 an - und das läuft ja bereits.