Stustaculum:Auferstehung in der Studentenstadt

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Es darf wieder geklatscht werden - und das sogar gemeinsam: Die Band Rooftop Sailors spielt beim Stustaculum Festival 2022. (Foto: Robert Haas)

Das Stustaculum ist wieder da, nach zwei Jahren ohne - wegen Corona: Die Mass kostet fünf Euro, Dutzende Musik-Acts spielen und Tausende Studierende kommen zu dem Festival. Alles ist wie früher. Fast alles.

Von Bernd Kastner

Es ist der Wind, der zu Beginn ein Kunstwerk zaubert. Es leuchtet blau, dutzendfach, die Sonne spiegelt sich darin und malt weiße Flecken auf den Kunststoff. Müllsäcke sind an die Enden der Bierbänke geklebt, jetzt sind sie noch leer, und so spielt der Wind sein Spiel. Er hat die Beutel aufgepustet und lässt sie tanzen, auf dass alle merken: Seht her, es geht wieder los, das Leben. Es ist wieder Stustaculum!

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Seit Mittwoch findet in der Studentenstadt in Freimann das Festival statt, nach zwei Jahren ohne - wegen Corona. Es ist, so werben die Organisatoren, das größte von Studierenden organisierte Festival Deutschlands, mit viel Musik, viel Trinken und viel Wiedersehen. Um die 100 junge Frauen und Männer haben es ehrenamtlich organisiert, non-profit. "Ja, so etwas gibt es auch in München!" steht am Eingang. "Wir wollen gemeinsam feiern und Euch nicht das Geld aus der Tasche ziehen."

Sonja Dittrich und Patrick Bettermann nehmen ihre Ohrhörer raus und melden sich in der Orga-Zentrale ab. Ständig tragen sie in den vier Festivaltagen ein Funkgerät bei sich, um immer erreichbar zu sein, sie sind als Vorstände des "Vereins Kulturleben in der Studentenstadt" zwei der Hauptorganisatoren. Jetzt aber wollen sie kurz ungestört sein.

Wiesn ist noch nicht, da muss man sich die Mass eben beim Studentenfestival holen. Dort kostet sie auch nur unschlagbare fünf Euro. (Foto: Robert Haas)

Es fühle sich gerade an wie der Beginn der neuen, alten Normalität, sagen sie. Was waren es für blöde Corona-Monate, gerade für Leute, die neu eingezogen sind in die "Stusta", die Studentenstadt, und keinen festen Freundeskreis hatten. "Schlimm", sagt Sonja Dittrich. Im ersten Lockdown saßen alle nur allein in ihren Zimmern, erinnert sich Patrick Bettermann. Die besseren Zeiten hätten sich im Januar angekündigt, als der Stusta-Brotladen wieder öffnete, und ein paar Wochen später sei klar gewesen, dass das Stustaculum stattfinden darf. Ohne Beschränkung, wie früher. Bloß, dass jetzt die Bewohnerinnen und Bewohner von vier großen Häusern fehlen, um die 1500 Apartments stehen leer. Ein Haus wird saniert, drei andere warten darauf. Der Brand in Haus 13 vergangenes Jahr hat die Misere des Sanierungsstaus offensichtlich gemacht, danach wurden weitere Gemeinschaftsräume geschlossen, Brandschutz.

Jetzt aber ist Festival. Drei Bühnen sind aufgebaut, eine große zwischen den Hochhäusern, eine noch größere im Bierzelt, und eine kleinere für die Kleinkunst. Es treten viele Bands und Künstler auf, es gibt Indie Rock und Electro Pop, Smart-'n'-Sexy-Pop und Melancholic Love Shit, Jazz und Funk und Folk. Es werden wohl viele Tausend Besucher kommen, und natürlich dürfen auch Nicht- und Ex-Studierende rein, 15 000 Einlass-Bändchen warten auf 15 000 Handgelenke.

Auch die Band Ravenfield ist dabei. (Foto: Robert Haas)

"Ohne Band kein Bier", steht auf vielen Plakaten. Auf anderen steht, was das Bier kostet. "5,00 €." Die Mass. Fünf Euro. Kein Witz. Sie haben bewusst die Getränkepreise nicht angehoben, aller Teuerung zum Trotz, erzählt Marie Riester, die Pressebeauftragte. Sie ist vor zweieinhalb Jahren in die Stusta gezogen und erlebt jetzt ihr erstes Stustaculum. Den Eintrittspreis haben sie erhöht, auf zwölf Euro für alle vier Tage. Das Geld brauchen sie, um etwa Technik zu finanzieren oder die Security.

In all dem Rummel gibt es eine Auferstehung zu feiern. Das Potschamperl lebt wieder. Was wie Nachttopf auf Bairisch klingt, ist eine legendäre Bar. Seit den 70er-Jahren war sie im Keller des nun geschlossenen Orangen Hauses der Treffpunkt für Generationen von Studierenden. Wegen Corona wurde sie stillgelegt, und als es im vergangenen Jahr im Nachbarhaus gebrannt hatte, wurde sie aus Sicherheitsgründen ganz geschlossen.

Tobias Lausser und Rainer Kloos waren unten im Keller bis zum Ende aktiv, beim Stustaculum zapfen sie in einem kleinen Zelt Bier. Nach dem Anfangs-Aufbaustress seilen sie sich kurz ab und erzählen von Freude und Trauer. Freude, weil sie noch einmal viele alte Stammgäste treffen. Aber es ist halt auch ein Abschied, für immer. Früher, im Keller, habe jeden Tag jemand anderes aus dem Team ein Tagesgericht gekocht, das Potschamperl sei so was wie eine Suppenküche gewesen, sagt Tobias Lausser, "auf sehr hohem Niveau". Es sei ihnen um die Lebensqualität in der Stusta gegangen, und um den "Pot-Spirit". Er trägt ein orangefarbenes T-Shirt, eine Art Pot-Uniform. Hinten drauf der Trinkspruch: "Pot oder stirb." Aus den Gesichtern der beiden Pot-Macher ist zu lesen, dass da eigentlich ein Und stehen müsste: Pot und aus. So schade, gerne hätten sie an einem anderen Ort in der Stusta weitergemacht. Vorne auf ihren T-Shirts ist das Stustaculum-Plakat gedruckt. Ein Raumfahrer mit Gitarre, um ihn herum Sonne, Mond und Sterne. Sie gehen zurück ins Zapfzelt, vier letzte Tage.

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