Süddeutsche Zeitung

Prozess in München:Geschäfte mit Kalaschnikows in der Bar

Ein Maschinenbauer bietet einem Unbekannten Sturmgewehre zum Kauf an. Was er nicht weiß: Bei dem Interessenten handelt es sich um einen Spitzel der Polizei.

Von Andreas Salch

In einer Bar auf der Schwanthalerhöhe wurde Krista M. an einem Nachmittag im Sommer 2021 mit einem ihm bis dahin unbekannten Mann handelseinig. Dieser zeigte großes Interesse an der Ware, die M. ihm bei einem Gespräch angeboten hatte: eine AK 47, ein voll funktionsfähiges Sturmgewehr samt Munition. In Deutschland fällt die AK 47 unter das Kriegswaffengesetz und ist deshalb verboten. Das Sturmgewehr wird weltweit häufig von Attentätern bei Terroranschlägen benutzt.

Krista M. schlug dem Unbekannten vor, zunächst zwei AK 47 zum Preis von je 2000 bis 3000 Euro zu liefern. Sollte das Geschäft reibungslos verlaufen, könne er "in Zukunft auch Waffen in größeren Stückzahlen" besorgen, versprach Krista M. dem Unbekannten, wie es in der Anklage der Staatsanwaltschaft am Landgericht München I heißt. Was der 62-jährige Maschinenbauer aus Kroatien aber nicht wusste: Bei dem Unbekannten, den er in der Bar auf der Schwanthalerhöhe kennengelernt hatte, handelte es sich um eine sogenannte "Vertrauensperson" der Polizei - einen Spitzel.

Als Krista M. am 26. Oktober 2021 aus Kroatien zurück nach München kam, wurde er von der Polizei am Busbahnhof in der Arnulfstraße festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen ihn, unter anderem wegen vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Kriegswaffen, wurde bereits zweimal vor der 8. Strafkammer am Landgericht München I aufgerufen. Der erste Prozess wurde ausgesetzt, weil M. erst psychiatrisch begutachtet werden sollte.

Der zweite Anlauf im Dezember 2022 scheiterte, weil der Wahlverteidiger des 62-Jährigen erkrankt war. Dessen Stellvertreter hatte M. nicht akzeptiert. Mittlerweile ist der Anwalt genesen. An diesem Donnerstag gab Rechtsanwalt Kai Wagler für seinen Mandanten eine kurze Erklärung ab, in der die Vorwürfe aus der Anklage der Staatsanwaltschaft eingeräumt wurden.

Nachdem er sich mit dem Unbekannten aus der Bar geeinigt hatte, brachte Krista M. zwei statt drei Sturmgewehre vermutlich von Serbien oder Kroatien aus nach München. Bei einem Treffen am Harras zeigte er dem Spitzel die Waffen. Sie befanden sich in einer Sporttasche. Es wurde ein Preis in Höhe von 9000 Euro vereinbart und dass man sich möglichst bald wieder treffen wolle, um das Geschäft perfekt zu machen.

Den Transfer der brisanten Fracht übernahmen zwei Bekannte

Der Spitzel erhielt dann von der Polizei die geforderten 9000 Euro. Kurz vor der Übergabe der Waffen habe die "Vertrauensperson" jedoch eine Prostituierte besucht, berichtete ein Polizeibeamter in der Verhandlung am Donnerstag. Sie habe das gesamte Geld gestohlen. Am 13. September 2021 vereinbarte die "Vertrauensperson", ausgestattet mit weiteren 9000 Euro, erneut ein Treffen mit Krista M. In einem Wohngebiet in Mittersendling wurde das Geschäft abgewickelt. Laut Anklage stellte M. dabei in Aussicht, künftig "auch zehn bis zwanzig Sturmgewehre liefern zu können".

Als der 62-Jährige sich daraufhin wenige Tage nach dem 13. September erneut bei seinem Abnehmer meldete, gab er an, dass er "unbedingt noch ein weiteres Geschäft machen möchte". Diesmal versprach Krista M. eine AK 47, eine Maschinenpistole sowie zwei großkalibrige Pistolen. Der "Vertrauensmann" der Polizei und ein verdeckt ermittelnder Polizeibeamter, der auch schon an dem ersten Geschäft beteiligt war, gingen auf das Angebot ein. Den Transfer der brisanten Fracht übernahmen zwei Bekannte von Krista M. Ihnen hatte der 62-Jährige lediglich gesagt, sie sollten seinen Mercedes Transporter auf einen Anhänger verladen und zur Reparatur nach München fahren.

In M.s Wagen befand sich, versteckt unter Obst und Gemüse, eine Tasche mit den Waffen samt Munition. Als die beiden Bekannten des Angeklagten Ende Oktober 2021 nachts bei Freilassing die Grenze passieren wollten, endete ihre Fahrt. Und zwar nicht, weil die Beamten von den Waffen in M.s Mercedes etwas wussten. Die Bekannten des Maschinenbauers wurden wegen eines damals geltenden Sonntagsfahrverbots angehalten. Erst als die Beamten das Fahrzeug auf dem Anhänger durchsuchten, entdeckten sie die Tasche mit den Waffen. Ein Urteil in dem Prozess wird in der kommenden Woche erwartet.

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