Süddeutsche Zeitung

Hilfe zur Selbsthilfe:Unsere kleine Farm

Barbara Böhm, 23, hat ein Hilfsprojekt in Ghana aufgebaut, mit dem sie das Leben der Menschen vor Ort verbessern möchte. Sie fand dadurch auch zu sich selbst - und zu ihrer Mutter.

Von Laurens Greschat, München

Als Barbara Böhm, 23, das erste Mal aus dem Flugzeug stieg und den Boden Ghanas betrat, ging für sie eine Suche zu Ende. Eine Suche nach ihrer eigenen Identität. Eine Suche nach ihren Vorbildern. Nach ihren Wurzeln. Eigentlich war Barbara, die auch die ghanaische Staatsbürgerschaft besitzt, in das afrikanische Land gereist, um gemeinsam mit ihrer ghanaischen Mutter eine Farm zu gründen, die das Leben der Menschen vor Ort ein wenig verbessern sollte. Letztlich fand sie auch ein Stück zu sich selbst und zu ihrer Mutter. Heute ist Barbara sich deshalb sicher: "Als ich das erste Mal nach Ghana geflogen bin, konnte ich meine Mutter erst richtig kennenlernen".

Dass Ghana inzwischen einen bedeutenden Platz in ihrem Herzen einnimmt, merkt man Barbara sofort an. "Mir ist Ghana super wichtig", sagt sie gleich mehrmals im Verlauf des Gesprächs. Auch ihre Einrichtung spiegelt das wider. Ihre Wohnung in der Maxvorstadt ist mit verschiedenen Gegenständen geschmückt, die sie an das afrikanische Land erinnern sollen: ein Stuhl, geschnitzt aus einem einzigen Stück Holz, traditionelle Trommeln, Bilder.

Dabei hätte es auch ganz anders kommen können. Vor knapp vier Jahren zog Barbaras Mutter zurück in ihre Heimat Ghana. Barbara blieb bei ihrem Vater in München. Sehen konnten sich Mutter und Tochter nur in den Semesterferien und wenn Barbaras Mutter sie in München besuchen kam. Den Rest des Jahres konnten sie sich nur über das Telefon hören. Das blieb nicht ohne Auswirkungen. "Man verliert sich ein bisschen aus den Augen", sagt Barbara. Aber statt eine Abneigung gegen das Land zu entwickeln, in das ihre Mutter zog, lernte Barbara es während ihrer Besuche zu lieben. Trotzdem wollte sie etwas verändern. Besonders die Armut beschäftige sie. Denn Barbara ist sich sicher: "Afrika müsste kein armer Kontinent und Ghana müsste kein armes Land sein."

In einer Diskussion mit ihrer Familie kam ihr schließlich eine Idee: Barbara möchte eine Farm aufbauen, um langfristig Arbeitsplätze zu schaffen und Ghana ein kleines Stück unabhängiger von Lebensmittelimporten aus dem Ausland zu machen. "Ich habe mir gedacht: Ich bin Ghanaerin, dann versuche ich doch einfach, ein Projekt zu starten, von dem auch meine Landsleute profitieren", sagt sie.

Heute ist die junge Münchnerin die Besitzerin eines Grundstücks in der Nähe von Cape Coast in Ghana, das etwa so groß ist wie der Vatikanstaat, und einer zugehörigen Farm. Hier baut sie mithilfe von fast 20 lokalen Arbeitskräften Lebensmittel an: Okra, Wassermelone und Mais. Die Ernte verkaufen sie an regionale Märkte, damit sich die Farm in Zukunft selbst finanzieren kann.

Auch mit der Universität in Cape Coast arbeitet Barbara inzwischen zusammen. Gemeinsam mit den Studierenden will sie einen biologischen Dünger entwickeln, der auf ihrer Farm eingesetzt werden soll. Das kostet Geld. "Mir ist schnell klar geworden, dass ich das nicht alles zahlen kann", sagt Barbara. Deshalb hat sie eine Gofundme-Kampagne unter dem Namen Mixed Farming Ghana eingerichtet, über die man sie und ihr Projekt finanziell unterstützen kann. Mehr als 1400 Euro sind so schon für ihre Farm zusammengekommen.

Das Geld verwendet Barbara hauptsächlich für die Gehälter ihrer Angestellten. Das Grundstück sei da vergleichsweise günstig gewesen. "Land ist nicht so teuer, wenn du Ghanaerin bist", sagt Barbara. Viel teurer sei es, den Angestellten ein Einkommen zu zahlen. Das sei aber die beste Form der Hilfe. "Ich kann den Leuten 1000 Euro geben, aber nach zwei Monaten ist das auch weg. Die brauchen etwas, das fest ist. Dann nehme ich lieber die 1000 Euro und kreiere damit einen Arbeitsplatz", sagt sie.

Während die junge Studentin von Ghana und ihrer Farm erzählt, bewegt sie sich viel. Barbara gestikuliert, wackelt mit dem Kopf und wippt im Schneidersitz auf ihrem Bett hin und her. Auch privat kommt sie selten zur Ruhe. Neben ihrem Informatikstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität München arbeitet sie als Tennistrainerin, um ihr Hilfsprojekt zu finanzieren, und informiert sich im Selbststudium über Landwirtschaftstechniken. Zweimal pro Jahr für je sechs Wochen ist Barbara inzwischen auch selbst in Ghana. Den Rest des Jahres muss sie das Projekt von Deutschland aus im Auge behalten. Das kostet Zeit. "Die letzten zwei Monate waren echt stressig für mich, weil ich immer in der früh gelernt habe bis 16 Uhr, danach war ich dann auf der Arbeit und nebenher muss ich ja noch das Projekt leiten", sagt sie. Raum für Privates bleibt da kaum.

"Meine Mom ist eine sehr starke Frau und lässt sich nichts sagen."

Obwohl Barbara viel von zu Hause aus organisiert, braucht sie jemanden, der die täglich anfallenden Aufgaben auf der Farm erledigt und den Fortschritt überwacht. Unterstützt wird die junge Informatikstudentin daher von ihrer Mutter, die regelmäßig auf der Farm nach dem Rechten sieht und die Arbeiter anleitet. Wichtige Entscheidungen trifft sie aber nur gemeinsam mit Barbara. Dann diskutieren Mutter und Tochter über neue Obst- und Gemüsesorten oder planen, wie die Farm noch weiter ausgebaut werden kann. Diese gemeinsame Zeit hat die Beziehung zwischen den beiden tiefgreifend verändert. "Wir telefonieren inzwischen jeden Tag miteinander und reden einfach viel mehr", sagt Barbara.Ihre Mutter

Barbaras Mutter ist inzwischen auch ihr Vorbild. "Ich bewundere sie eigentlich nur und denke mir, so möchte ich auch einmal sein", sagt sie. Die Farm und das Land haben daran einen großen Anteil. In Ghana erlebt sie ihre Mutter anders als in Deutschland. "Wenn mein Dad und meine Mom in Deutschland zur Bank gehen, wird zuerst mein Vater angeredet", sagt Barbara. In Ghana erlebt sie es umgekehrt. Hier ist es ihre Mutter, die über Preise verhandelt, Streitereien schlichtet und mit den Angestellten redet. "Sie wird angeredet, sie klärt alles und sie hat das Sagen", erzählt Barbara. Dabei ist das afrikanische Land eigentlich eine von Männern dominierte Gesellschaft. Aber Barbaras Mutter weiß eben, wie sie sich durchsetzen kann. "Meine Mom ist eine sehr starke Frau und lässt sich nichts sagen", sagt Barbara.

Durch die Zeit in der Heimat ihrer Mutter fühlt sich Barbara so vertraut mit der ghanaischen Kultur wie noch nie. "Ich habe seitdem so viel mehr über das Land gelernt und von meiner Mutter über die Kultur und Traditionen mitbekommen", sagt sie. Barbara sieht sich als Teil der Gesellschaft in Ghana und nicht mehr nur als Touristin. "Durch meine Arbeit vor Ort fühle ich mich integriert und als Individuum akzeptiert. Das bedeutet mir sehr viel", sagt sie.

In der Zukunft will Barbara noch mehr Arbeitsplätze schaffen, Lebensmittel anbauen und Projekte umsetzten, die den Menschen in der Umgebung helfen. Und sie ist sich sicher, dass ihr Projekt das Leben in Ghana ein wenig verbessern könnte. "Ich sage gar nicht, dass ich die Person bin, die da alles verändert. Aber es ist ein kleiner Anfang", sagt sie. Ihr eigenes Leben hat das Projekt auf jeden Fall schon verändert.

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