Süddeutsche Zeitung

Tarifkonflikt bei der Bahn:Wieder stehen in München viele Züge still

Die Eisenbahngewerkschaft GDL ruft erneut zum Streik auf, von Donnerstag an fährt unter anderem die S-Bahn nur nach einem Notfahrplan. Ein Münchner Lokführer erklärt, warum er das für notwendig hält.

Von Andreas Schubert

Die Eisenbahngewerkschaft GDL lässt nicht locker. Von diesem Mittwoch an wird erneut der Güterverkehr bestreikt, von Donnerstag, 2., bis Dienstag, 7. September ist dann auch der Personenverkehr betroffen. Auch wenn zum Beispiel der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert, dass der Tarifkonflikt auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen wird und Gewerkschaft und Deutsche Bahn (DB) auffordert, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, sieht es nicht so aus, als ob sich der Ausstand in letzter Minute noch abwenden ließe.

In München wird auch wieder der S-Bahn-Verkehr betroffen sein. Einer der mit streikt, ist Matthias Hubert, 39, der seit 15 Jahren bei der S-Bahn München als Lokomotivführer arbeitet und seit zehn Jahren den Nachwuchs im Führerstand ausbildet. Hubert ist, wie er sagt, durch und durch GDLer und bezeichnet die Forderungen seiner Gewerkschaft als fair, nicht zuletzt, weil sie sich unter anderem am Öffentlichen Dienst anlehnen und eine Gehaltserhöhung von 3,2 Prozent bei einer Laufzeit von 28 Monaten vorsehen sowie einen Corona-Bonus von 600 Euro.

Er finde es schade, sagt er, dass die Bahn hier nicht einlenke, vor allem, weil die GDL ihre Forderungen ohnehin schon zurückgeschraubt habe. Gerade im teuren München bräuchten die Kollegen das Geld, es werde immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Als Folge dieser Situation wohnten viele im Umland Münchens. "Teilweise sogar außerhalb des S-Bahn-Bereichs", berichtet Hubert. Die Kollegen hätten dann sehr weite Wege zurückzulegen mit entsprechend langen Anfahrtszeiten. Es gebe deshalb immer wieder Lokführer, die sich entweder innerhalb der DB wegbewerben oder zu einem privaten Eisenbahnunternehmen wechseln, wo sie nicht mehr täglich nach München pendeln müssten. Die Bezahlung bei den Privaten ist zwar geringer, aber die Lebenshaltungskosten auf dem Land sind eben auch günstiger.

Hubert selbst arbeitet dem eigenen Bekunden nach in seinem Traumberuf. "Ich wollte immer Lokführer werden", sagt er. Kein Wunder, stammt er doch aus einer Eisenbahnerfamilie. Und er wolle den Beruf auch weiterhin gerne ausüben.

Am vergangenen Dienstag haben etwa 170 Eisenbahner der GDL vor der Münchner DB-Zentrale lautstark ihre Forderungen vorgetragen. Auch Hubert war als Vorsitzender der GDL-Ortsgruppe Steinhausen dabei. Ebenso wie Uwe Böhm, der als Bezirksvorsitzender der GDL Bayern auch als Redner auftrat. Böhm kritisiert die Arbeitsbedingungen, die mancherorts herrschten. So habe die Stellwerkstechnik vielerorts einen musealen Charakter und falle oft aus. Fahrdienstleiter absolvierten Zwölf-Stunden-Schichten und hätten kaum Zeit, auf die Toilette zu gehen. Auch seien zu viele Züge störanfällig, das gelte sowohl für den Fern- als auch den Regional- und S-Bahnverkehr. Auf die Arbeitszeiten wirkten sich die Fahrzeugstörungen insofern aus, weil sich zum Teil Schichten verlängerten. "Wir kommen später nach Hause", sagt Böhm. Zudem müssten die Lokführer immer mehr organisatorische Aufgaben übernehmen. Gerade beim Güterverkehr sei der Aufwand enorm.

Die Deutsche Bahn bezeichnet den aus insgesamt 47 Punkten bestehenden Forderungskatalog der GDL als überzogen. Er gehe weit über den Abschluss im Öffentlichen Dienst hinaus und wäre für die DB dreimal teurer als ein Abschluss auf Höhe des Öffentlichen Dienstes. Während des Streiks legt die Deutsche Bahn wieder einen Notfahrplan auf und strebt im Regional- und S-Bahnverkehr eine Kapazität von 40 Prozent an. Welche Züge fahren, ist in der Navigator-App oder auf bahn.de zu finden. Bei den vorhergehenden Streiks konnten die S-Bahnen mindestens jede Stunde fahren, einige Linien sogar alle 20 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 01.09.2021
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