Tarifstreit im Öffentlichen Dienst:Warnstreik-Welle legt München lahm

Tarifstreit im Öffentlichen Dienst: Krankenhaus-Mitarbeiterinnen beim Warnstreik vor der Schwabinger Klinik.

Krankenhaus-Mitarbeiterinnen beim Warnstreik vor der Schwabinger Klinik.

(Foto: Robert Haas)

Leere U-Bahnhöfe, volle Mülltonnen und abgesagte Operationen: Am Donnerstag und Freitag will die Gewerkschaft den Nahverkehr und den Abfallwirtschaftsbetrieb bestreiken. Azubis in den Kitas und Mitarbeiter der Kliniken legten schon am Mittwoch die Arbeit nieder.

Von Nicole Graner und Andreas Schubert

Wer an diesem Donnerstag und Freitag nicht von zu Hause aus arbeiten kann, sollte sich möglichst früh auf den Weg machen. Denn die Gewerkschaft Verdi hat für beide Tage zu Warnstreiks im Nahverkehr aufgerufen. Die U-Bahnen stehen nach Auskunft der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) aus Sicherheitsgründen komplett still, um Gedränge an den Bahnsteigen zu vermeiden.

Ob die MVG den Betrieb zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen kann, hängt von der Anzahl des verfügbaren Personals in der Leitstelle und im Fahrdienst ab und kann erst kurzfristig entschieden werden. Sollte die U-Bahn im Laufe des Tages wieder fahren, liege die Priorität zuerst bei den Linien U6 und U3, für die ein Zehn-Minuten-Takt angestrebt werde, so die MVG.

Auch das Angebot bei der Tram hängt von der tatsächlichen Personalverfügbarkeit ab. Zunächst fahren die am stärksten nachgefragten Linien 20 und die Linie 25 von Ostfriedhof bis Grünwald, in welchem Takt, ist noch nicht absehbar. Beim Bus könnte laut MVG etwa jedes zweite Fahrzeug zum Einsatz kommen, Ziel ist ein 20-Minuten-Takt auf allen Linien. Nur der City-Ring 58/68 und der Expressbus X30 entfallen. Nachts fahren die Linien N40, N72 und N80/81. Wenn möglich verkehren auch einzelne Fahrzeuge auf anderen Linien. Gestreikt wird jeweils von Betriebsbeginn bis -ende. Ein geregelter Betrieb wird demnach erst wieder am Samstag, 4. März, möglich sein. Die S-Bahn, die von der Deutschen Bahn betrieben wird, wird nicht bestreikt.

Die MVG informiert während des Streiks laufend auf ihrer Homepage mvg.de und auf Facebook über die aktuelle Betriebslage. Auch in der App "MVG Fahrinfo München" und auf Twitter finden die Fahrgäste aktuelle Informationen.

Doch nicht nur der Nahverkehr soll am Donnerstag weitgehend lahmgelegt werden, auch die Mitarbeiter des Münchner Abfallwirtschaftsbetriebs sind zum Warnstreik aufgerufen. Voraussichtlich würden die Restmülltonnen, Papier- und Biotonnen nicht geleert werden, heißt es von der Gewerkschaft Verdi. Auf den Wertstoffhöfen könne Sperr- und Sondermüll nicht abgegeben werden. Möglicherweise wird die Aktion auf den Wertstoffhöfen auch am Samstag fortgesetzt.

Tarifstreit im Öffentlichen Dienst: Auch die Mitarbeiter der Müllabfuhr streiken in den nächsten Tagen.

Auch die Mitarbeiter der Müllabfuhr streiken in den nächsten Tagen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Mit den Aktionen setzt die Gewerkschaft ihre Warnstreikwelle fort, die auch an diesem Mittwoch Beeinträchtigungen versursacht hat. Verdi hatte Auszubildende, Praktikanten und Studierende zu ganztägigen Arbeitsniederlegungen an den städtischen Kitas aufgerufen. Die Auswirkungen hielten sich laut Bildungsreferat aber in Grenzen. Von 450 städtischen Einrichtungen seien drei ganz, in einer weiteren Einrichtung einzelne Gruppen geschlossen.

Auch Beschäftigte aller Häuser der städtischen München Klinik haben am Mittwoch gestreikt. Ob Pflegefachkraft oder Physiotherapeut, ob aus der Küche oder aus dem Bereich der Logistik - 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legten in den frühen Morgenstunden ihre Arbeit nieder und bekräftigten bei einer Kundgebung vor dem Klinikum Schwabing ihre Forderungen: für die Angestellten von Bund und Kommunen insgesamt 10,5 Prozent mehr Gehalt, für die unteren Gehaltsgruppen monatlich mindestens 500 Euro mehr.

"Applaus war gestern", sagt Maryla Bouya. "Jetzt ist die Pandemie vorbei und wir sind wieder vergessen." Die 48-jährige Pflegefachkraft in der Neurologie der Klinik Harlaching möchte, dass die Politik endlich handelt. Mehr Lohn sei da ein erster Schritt und wichtig, damit man in einer Stadt wie München in Zeiten der Inflation überhaupt leben könne. Auch mehr Anerkennung wünschen sich fast alle Streikenden. Und: dass der Berufstand Pflege wieder attraktiv wird. Das gehe nur mit "mehr Personal", sagt Bouya.

Drei Stationen der Klinik Bogenhausen haben fast ihre komplette Mannschaft aus dem Dienst genommen, von zehn OP-Sälen sind nur drei in Betrieb, und in der Anästhesie, in der sonst 60 Patienten betreut werden, sind es nur an die zehn. Viele Patienten wurden informiert, dass ihre geplanten Operationen nicht stattfinden. "Wir haben in Bogenhausen auf Wochenendbetrieb umgestellt", sagt der kaufmännische Geschäftsführer der München Klinik, Tim Guderjahn, der selbst die Kundgebung besucht hat. Er könne die Forderungen der Krankenhaus-Mitarbeiter "absolut" verstehen. Aber sie müssten auch finanziell für die München Klinik möglich sein. Er setzt auf einen "engen Dialog" mit dem Betriebsrat und allen Mitarbeitern, damit keine Patienten "zu Schaden kommen". Denn Guderjahn rechnet mit weiteren Streiktagen.

Die Betriebsratsvorsitzende der München Klinik, Ingrid Greif, freut sich, dass so viele dem Streikaufruf gefolgt seien. Nach drei Jahren Arbeit an der Belastungsgrenze sei es für die meisten eben eine "Ohrfeige", dass die Politik nichts voranbringe. "Ich weiß, dass die Leidtragenden die Patienten sind, das ist auch nicht gut. Aber jetzt müssen wir Zeichen setzen."

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