In der Politik wird gerne in Superlativen gesprochen, und so wurde der Bau des neuen Strafjustizzentrums am Leonrodplatz immer mit „Bayerns größter Hochbaustelle“ beworben. Allerdings, was weniger schmeichelhaft ist, liegt die Betonung mittlerweile auf Baustelle. Ging man in den ersten Planungsphasen von einem Umzug der Justiz im Jahr 2020 aus, verschob sich der Termin immer weiter nach hinten. Aktuell ist die Rede davon, dass erst 2026 in dem Neubau Recht gesprochen werden kann.
Vom Glück ist der Bauherr in Bezug auf die kleine Justiz-Stadt nun wirklich nicht verfolgt. Erst fand man bei Aushubarbeiten kontaminiertes Erdreich sowie einen 80 auf 15 Meter großen Keller, randvoll mit Waffen und Bomben aus beiden Weltkriegen. Das Areal war früher militärisch genutzt worden. Dann gab es noch ein Vergabeverfahren, das von einer Baufirma angefochten wurde und sich durch zwei Instanzen zog. Schließlich versuchten mutmaßlich Linksautonome, Schäden zu verursachen und die Arbeiten zu behindern. Im März 2020 ließ die Corona-Pandemie alle Aktivitäten erstarren und Putins Angriffskrieg auf die Ukraine sorgte für Lieferkettenprobleme. Gerade Stahl, Aluminium und diverse Elektrozulieferteile wurden für die Baumaßnahme aus dem Osten bezogen.
Ende 2022 lachte dann auch noch der Schimmel von den Neubauwänden. „Die Schäden konnten mithilfe von darauf spezialisierten Firmen zwischenzeitlich vollständig behoben werden“, heißt es seitens des Bauministeriums. Man werde die Kosten ermitteln „und bei den Schadensverursachern geltend machen“, so ein Sprecher des Ministeriums. Markus Frick vom Architekturbüro „Frick Krüger Nusser Plan2“ sagte vor genau einem Jahr: „Mir tut es weh, dass es inzwischen so lange dauert“, mittlerweile äußert er sich nicht mehr zu Presseanfragen. Auch das Justizministerium verweist auf das Bauministerium.
Die Kosten für den Bau, in dem 54 Sitzungssäle und 1300 Beschäftigte untergebracht werden sollen, haben sich von 300 auf fast 400 Millionen Euro hochgeschraubt. Aktuell, so heißt es vom Ministerium, befinde sich der Neubau „in einem fortgeschrittenen Ausbauzustand“. Die nach außen hin sichtbaren Arbeiten seien bis auf einige Restarbeiten weitestgehend fertiggestellt. Allerdings seien „die Ausbauarbeiten mit modernster Technik“ aufgrund der Größe und der Komplexität des Gebäudes „sehr umfangreich“.
57 000 Quadratmeter Bodenbelag müssten verlegt und oberflächenbehandelt werden, 3400 Türen montiert, 16 000 Lampen installiert und 3600 Brandmelder eingebaut werden. In den oberen Etagen sei der Ausbau in großen Teilen fertiggestellt. Wenn Schreinerarbeiten, Bodenbelagsarbeiten und die Feininstallation abgeschlossen seien, erfolge die Feinreinigung. „Parallel dazu wird die übergeordnete technische Ausstattung fertiggestellt“, berichtet der Ministeriums-Sprecher.
Das marode Justizgebäude an der Nymphenburger Straße könnte abgerissen werden
In den letzten Phasen der Bauarbeiten soll zudem ein technischer Probelauf stattfinden. Denn wenn das Amtsgericht, die Landgerichte München I und II, das Oberlandesgericht sowie die Staatsanwaltschaften München I und II am Leonrodplatz einziehen, muss alles sitzen: In dem zweigliedrigen Karree sollen im hinteren Teil die Gefangenen angefahren werden, die dann als Angeklagte vor Gericht sitzen. Die Sicherheitstechnik sowie die IT müssen problemlos funktionieren, damit von Tag eins an Gerichtsprozesse reibungslos ablaufen können.
Ein Gewinn wird der Neubau, so er nach dem Spatenstich im Jahr 2015 mit insgesamt sechs Jahren Verzögerung doch noch bezugsfertig wird, auf alle Fälle sein: Der gläserne Bau mit Sitzungssälen, in freundlichem Interieur in Weiß und Eiche gehalten, löst das marode Gebäude an der Nymphenburger Straße ab. Dort bröckelt die Betonfassade, Wände, Stühle und Teppiche in abgewetztem Orange-Braun sorgen für Tristesse und von den Waschbecken in den 70er-Jahre-Toiletten lacht der Schimmel, von olfaktorischen Beeinträchtigungen ganz abgesehen.
Gemäß einem Ministerratsbeschluss von Februar 2023 werde derzeit geprüft, wie man auf dem alten Areal bezahlbaren Wohnraum schaffen könne, so das Bauministerium. Derzeit werde untersucht, ob man das Bestandsgebäude umnutzen oder abreißen solle. „Wir rechnen im Laufe des Jahres mit ersten Ergebnissen“, so ein Sprecher.