Stadtgestaltung:Was passiert mit dem Strafjustizzentrum?

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Das Konzept „Revitalisierung der Urbanen Oasen“ will den derzeit abgeschotteten Innenhof des Strafjustizzentrums für alle zugänglich machen. (Foto: Kłósek-Gniewkowska )

Noch wird an der Nymphenburger Straße Recht gesprochen. Aber sobald der Neubau am Leonrodplatz fertig ist, ziehen die Juristen dorthin um. Und was passiert dann mit dem alten Betonbau? Für den gibt es schon Ideen.

Von Ellen Draxel

Noch wird im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße Recht gesprochen. Und bis 2026 soll das auch so bleiben: Denn die Fertigstellung des Neubaus für Münchens Strafgerichte und Staatsanwaltschaften am Leonrodplatz ist zuletzt erneut verschoben worden. Was aber passiert mit dem Sichtbetonbau aus den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts nach dem Umzug? Wird er abgerissen und macht Platz für Neues? Oder kann er saniert und umgenutzt werden?

Seit etwa einem Jahr prüfen die staatlichen Wohnungsbaugesellschaften Bayernheim und Stadibau laut einem Sprecher des Bauministeriums „Möglichkeiten zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums auf der Liegenschaft“. Ergebnisoffen, wie es heißt. Untersucht werden sowohl eine alternative Verwendung des Bestandsgebäudes als auch eine Neubebauung. „Wir rechnen mit ersten Ergebnissen im Laufe des Jahres.“

Sowohl bei der Stadt als auch im Viertel erwartet man die Entscheidung mit Spannung. Denn mit dem Umzug der Justiz an das südliche Oberwiesenfeld werden in der Maxvorstadt enorme Flächen frei: 50 000 Quadratmeter Geschossfläche auf einem 17 500 Quadratmeter großen Grundstück. „Aus Sicht der Stadtplanung wäre ein erheblicher Anteil Wohnen auf dem Areal möglich und erwünscht“, heißt es auf Nachfrage beim Planungsreferat.

Was alles denkbar sein könnte, hat jetzt die Initiative „Justizzentrum erhalten“ publik gemacht. Das Team aus jungen Architekten und Architektinnen wirbt unter dem Motto „Abbrechen abbrechen“ schon länger für ein Umdenken bei der Bau- und Abrisspraxis und hat deshalb im Frühjahr einen Wettbewerb zur Umnutzung des alten Strafjustizzentrums ausgelobt. Die Aufgabe: „neuartige, unkonventionelle, mutige und experimentelle Ideen und Visionen für die Zukunft des Bestandsgebäudes“ zu finden. Eingegangen sind 120 Entwürfe, 13 wurden prämiert.

Ein Biotop für Pflanzen und Lebewesen könnte beim "Zentrum für Wasserwesen" in den oberen Stockwerken entstehen. (Foto: BecherBiensteinEssigkrugRimkeit)

Zum Beispiel der Vorschlag, das Gebäude in ein „Zentrum für Wasserwesen“ umzugestalten. Beim Konzept von Franka Bienstein, Lotte Becher, Hannah Essigkrug und Clara Riemkeit würden die oberen sechs Geschosse in Form von Gärten und Grünzonen in ein Biotop als Lebensraum für Tiere und Pflanzen verwandelt – dank riesiger Wasserfangnetzen auf den Dachflächen, die Regenwasser sammeln. Ganz oben befänden sich kalte, natürliche Pools, gereinigt durch Wasserpflanzen, und im Erdgeschossbereich Duschen und Badebecken. Auch den Vorplatz will das Kollektiv mit einer Wasserwelt bespielen. Was spaßig klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Die Vision soll zu einem sensibleren Umgang mit der kostbaren Ressource Wasser anregen.

Oder die Idee des Architektur- und Ingenieurbüros ATP. Dieses Team könnte sich den Komplex als „Haus der Gerichte“ vorstellen – mit einem Forschungslabor zum regionalen Anbau von Nahrungsmitteln für die Stadtbevölkerung, einer Schule des Kochens, mit Markthalle, Kantine, Forum und „Kino des guten Geschmacks“.

Als "Bürgerinnenrathaus" könnte das Gebäude zu einem Ort der direkten demokratischen Teilhabe werden. (Foto: CollColl)

Eine weitere Gruppe reichte den Vorschlag ein, das staatlich genutzte Gebäude künftig zu einem Ort der direkten demokratischen Teilhabe zu machen. Mit Bürgerrat im einstigen Gerichtssaal, Räumen für Initiativen und Vereine und einem experimentellen, transformierbaren Wohnlabor in den oberen Stockwerken.

Andere plädieren für eine Öffnung des Baus in die Nachbarschaft, mit sozialen Angeboten, Bibliothek, Werkstätten, Musikräumen, einem Kino. Mal mit, mal ohne Wohnraum. Mingyan Wang und Weronika Kłósek-Gniewkowska etwa wollen mit ihrer „Revitalisierung der Urbanen Oasen“ speziell den derzeit abgeschotteten Innenhof für alle zugänglich machen. Die Fläche soll mit beweglichen Möbeln ausgestattet werden, um eine Vielzahl von Nutzungen zu ermöglichen, von Erholung und Essen über Sport bis hin zu Veranstaltungen und Partys.

Offiziell will man sich beim Planungsreferat zu diesen Vorschlägen „vorerst nicht äußern“, wie Sprecher Thorsten Vogel betont. Nikola Schiemann und Maria Schlüter von „Abbrechen abbrechen“ haben aber nach eigenen Angaben erfahren, dass Stadtbaurätin Elisabeth Merk bereits „Interesse bekundet“ habe. „Wir werden, um den Diskurs am Leben zu halten, die Wettbewerbsergebnisse auf jeden Fall auf unserer grünen Ausstellungsfläche Verhandelbar an der Ecke Dachauer /Sandstraße zeigen“, sagt Schiemann. „Und auf unserer Webseite.“

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