Baustelle in der Innenstadt:Auf der Suche nach Sigi Sommer

Baustelle in der Innenstadt: Die Statue in der Rosenstraße ist weg, nur eine weiße Fläche am Boden ist zu sehen.

Die Statue in der Rosenstraße ist weg, nur eine weiße Fläche am Boden ist zu sehen.

(Foto: Catherina Hess)

Die Bronzestatue des Münchner Schriftstellers ist plötzlich von ihrem Platz in der Fußgängerzone verschwunden. Bemerkt hat niemand etwas vom Abtransport - doch das Baureferat kann den Fall lösen.

Von Thomas Becker

"Sigi wer?", fragt der Vollbärtige mit der Baseball-Kappe. "Sommer? Kenn i ned." Gut, der Mann ist offenbar nicht von hier, Altötting steht auf dem Lieferwagen seiner Schreinerei, der vor dem ehemaligen Kaut-Bullinger-Gebäude mit den leeren Schaufenstern und den Alles-muss-raus-Plakaten steht, Rosenstraße 8. Gerade ist der Mann mit seinem Wagen über ein Stück Boden gefahren, an dem für gewöhnlich einer der beliebtesten Münchner seinen Platz hat: Sigi Sommer.

Im Juli wären es 25 Jahre gewesen, dass die von der Verlegerfamilie R. S. Schulz gestiftete lebensgroße Bronzestatue in der Fußgängerzone steht: der 1996 verstorbene Blasius als Spaziergänger mit einer Zeitung unter dem rechten Arm, die Linke lässig in der Hosentasche. Aber jetzt ist er weg, der Sigi Sommer. Wie vom Erdboden verschluckt, samt Bodenplatte. Nur schnöder, grauer Beton ist übriggeblieben. Und Menschen, die den Schriftsteller, Journalisten und Mitgründer des Cowboy Clubs München gar nicht kennen. Traurige Sache.

Baustelle in der Innenstadt: Fast 25 Jahre lang hat das Denkmal für Sigi Sommer schon seinen Platz in der Fußgängerzone.

Fast 25 Jahre lang hat das Denkmal für Sigi Sommer schon seinen Platz in der Fußgängerzone.

(Foto: Stephan Rumpf)

Aber wie kann dieser durchaus stattliche Herr einfach so verschwinden? Zum Unter-den-Arm-klemmen dürfte er schon ein wenig zu schwer sein. "Wir waren's nicht! Wir sind gerade erst gekommen", beteuert der bärtige Altöttinger. Bleibt die Frage: Whodunit? Was wissen die Nachbarn? Bei den Semmel-auf-die-Hand-Verkäuferinnen der Metzgerei Vinzenzmurr haben sie den Verlust des Bronzenen zwar schon bemerkt ("Hab' mich auch schon gewundert, dass er weg ist"), aber auch keine schlüssige Erklärung dafür.

Gegenüber in der Rosen-Apotheke hat man zwar einen unverstellten Blick auf den Tatort, von einem Abtransport haben die Damen und Herren in ihren weißen Kitteln jedoch nichts mitbekommen. Vermutet wird, dass das Verschwinden Sommers womöglich mit der Baustelle in Hausnummer 8 zusammenhängen könnte. "Das wird doch abgerissen", sagt eine Apothekerin, und ihr Kollege macht sich nach Sport Schuster und Ruffinihaus schon auf die nächste Groß-Baustelle vor seiner Tür gefasst: "Da soll ja noch ein Stockwerk obendrauf kommen." Ob Abriss oder Ausbau: Anscheinend war der Sommer Sigi einfach im Weg. Eher unbequem - und das mit Fleiß - war er ja schon zu Lebzeiten.

Das Baureferat bestätigt dann die Baustellen-These: Die Statue wurde abgebaut und ist nun eingelagert, auf Kosten des Baustellenbetreibers in Nummer 8, heißt es. Aktenzeichen Sigi Sommer ... gelöst. 2012 war er übrigens schon einmal verschwunden, ebenfalls wegen Bauarbeiten. Wann er wieder an seinen angestammten Platz zurückkehren und weiter spazieren kann, ist offen. Bleibt nur zu hoffen, dass seine Nachbarin, eine ebenfalls sehr stattliche Platane, nicht auch noch dem Investorentum weichen muss.

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