SZ-Serie "Erfolgshungrig":Experimentieren, bis die Likörmischung stimmt

Food Start Up, 2021

Zeno Kratzer hat seinen Likör "Hi Tildi" nach seiner Nichte benannt.

(Foto: Robert Haas)

Aus einer Eigenkreation in der heimischen Küche und vielen Geschmackstests in der Familie hat der gelernte Lehrer Zeno Kratzer die Marke "Hiaperitifs" erschaffen.

Von Katrin Kurz

An einem sonnigen Dienstag im September ist Zeno Kratzer auf dem Weg nach Traunstein, im Gepäck hat er rund 1000 leere Glasflaschen, schlicht bedruckt mit der Aufschrift "Hi Tildi". Ziel ist die Destillerie Schnitzer, denn dort sollen die Behältnisse mit dem selbst kreierten Likör-Getränk des 29-Jährigen befüllt werden.

Wie es dazu kam? "Wir hatten im vergangenen Winter noch ein paar Quitten aus dem Garten übrig", blickt Kratzer zurück. An einem stillen Lockdown-Abend habe er im kleinen Familienkreis begonnen, Früchte, Gewürze und alles, was das Küchenregal seiner Mutter hergab, mit Alkohol zu versetzen. Pfeffer, Fichtennadeln, Kirsche oder Zwetschge - aus dem Zusammenspiel von Neugier, Experimentierfreude und Promille entstanden zahlreiche Geschmacksproben.

Die Leidenschaft für Getränkemixturen hat dabei durchaus Familientradition. Schon Kratzers Urgroßvater gründete zwischen den beiden Weltkriegen einen eigenen Getränkehandel - und hat diese Passion wohl dem Junior weitervererbt. Dessen Begeisterung für den kreativen Umgang mit Lebensmitteln ist inzwischen deutlich größer als für sein abgeschlossenes Lehramtsstudium.

In der Münchner Wohnung in der Maxvorstadt begann Zeno Kratzer gemeinsam mit seinem Bruder die gewonnenen Mazerate, also die Auszüge der in Alkohol eingelegten Ingredienzen unterschiedlich zu kombinieren und mit Hilfe einer Excel-Liste genau zu dokumentieren. "Wie bei einem neuen Kochrezept haben wir herumexperimentiert", sagt er. Getestet und verfeinert wurden die Getränke bei diversen innerfamiliären Verkostungen, mit dem Ziel, die gewählten Zutaten ausgewogen abzubilden.

Herausgekommen ist eine Basis aus Quitte, dazu Lavendel, Zitronenzeste, Hagebutte und der natürliche Bitterstoff Chinin aus der Chinarinde - sowie ein Alkoholgehalt von 19 Volumenprozent.

In der heimischen Versuchsküche arbeiteten die beiden noch mit Pipette und in homöopathischen Dosen. Um nun größere Mengen zu produzieren, suchten sie sich professionelle Unterstützung. Durch Zufall entstand der Kontakt zu Kajetan Schnitzer und dessen besagter Destillerie in Traunstein. Vom Großvater früh an das Handwerk herangeführt, ist er heute mit seinen 26 Jahren Edelbrandsommelier und Junior-Chef im Betrieb.

In Sachen Experimentierfreude und Qualitätsanspruch waren die beiden Jungunternehmer schnell auf dem gleichen Nenner, inzwischen optimieren sie auf nahezu freundschaftlicher Ebene die Rezeptur. "Die Erfahrung von Kajetan ist viel wert", sagt Zeno Kratzer. Der schmecke auch bei einer Probe aus dem 230 Liter Fass, dass noch exakt 150 Gramm Lavendel-Extrakt fehlen, um an das Referenzaroma heranzukommen.

Laut Lebensmitteldeklaration fällt das Produkt zwar in die Rubrik "Likör", viel lieber bezeichnet Kratzer seine Kreation allerdings als "Aperitif". Das Lateinische "aperire" bedeutet Öffnen, in Verbindung mit dem Begrüßungswort "Hi" entstand die Marke "Hiaperitifs".

Hiaperitifs, 
Quittenlikör "Hi Tildi", von Zeno Kratzer,
Serie Food-Start-Ups

Quitte, Zitronenzeste, Lavendel, Hagebutte, der Bitterstoff Chinin - und die nötige Portion Leidenschaft.

(Foto: privat)

"Wir sind sehr unvoreingenommen und eher spielerisch an die Sache herangegangen", sagt er mit einem entspannten Lachen. Eigenschaften, die auch auf seine zweijährige Nichte Tilda zutreffen. So bekam die Quittenmixtur kurzerhand den Namen "Hi Tildi".

Die ersten 700 Flaschen hat Kratzer alle per Hand selbst abgefüllt und bereits an einige Münchner Bars und Restaurants ausgeliefert. Dort wird der Likör vorrangig zum Mischen verwendet, für eine Variation des beliebten Spritz-Getränks eignet er sich wohl besonders gut.

An diesem sonnigen Dienstag füllt Zeno Kratzer nun weitere 300 Flaschen "Hi Tildi" ab. Außerdem sind schon weitere Rezeptideen für neue Getränke in Planung. Schließlich hat er noch eine zweite Nichte, mit dem Namen Carlotta.

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