Alkohol in der Fastenzeit:So kräftig sind Münchens Starkbiere – und so skurril ihre Namen

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In der Fastenzeit locken die Münchner Brauereien mit ihren Starkbieren. In diesem Jahr lädt erstmals auch die Giesinger Brauerei zum Starkbierfest. (Foto: Johannes Simon)

Maximator, Aviator, Innovator: In der Fastenzeit locken die Brauereien mit Starkbieren, die nur so von Alkohol und Kalorien strotzen. Was zeichnet sie aus? Ein Überblick über zwölf Sorten.

Von Thomas Becker

Johann Georg Theodor Grässe ist heutzutage und gerade in Bayern wohl nur wenigen bekannt. Könnte daran liegen, dass der Mann aus Sachsen stammte und eine seiner Hauptschriften sich mit Zauber-, Wunder- und Aberglauben unter Berücksichtigung von Hexen- und Teufelsliteratur befasst. Es muss ihn aber auch mal an die Isar verschlagen haben, wie sonst hätte er der Welt 1872 unter dem Titel „Bierstudien“ eine Kulturgeschichte dieses wunderbaren Getränkes schenken können?

Darin geht es auch um Starkbier, muss ja. Ein Auszug: „Das erste Glas Salvatorbier, welches überhaupt ausgeschenkt wird, trinkt der Bürgermeister von München, der nach alter Sitte zu Pferde sein muß. Bekanntlich wird zu einer gewissen Stunde mit dem Ausschenken aufgehört und Niemand bekömmt dann einen Tropfen. Allein die guten Münchner wissen sich zu helfen. Sie holen sich, ehe die Stunde schlägt, jeder mehrere Gläser in Vorrat und haben dann auch nach der festgesetzten Schlußstunde noch zu trinken.“

Wie sich die Zeiten doch ändern! Dieter Reiter mit einer Mass Starkbier auf einem Pferd: Dieses Bild haben wir leider nie gesehen. Und dass man das Hochprozentige bunkern muss, um später auch ja mit einem Fetzn-Rausch heim wanken zu können: Die Zeiten sind auch vorbei. Ungebrochen dagegen die Vorfreude vieler Münchner auf die Starkbierzeit, die gern auch als fünfte Jahreszeit bezeichnet wird.

Wie ein fastender Mönch im Mittelalter auch ohne feste Nahrung auf seine Kalorien zu kommen: Das scheint auf manche eine große Anziehungskraft auszuüben, wie an den stark gebuchten Festabenden zu erkennen ist. Undenkbar, dass man heutzutage einfach mal abends zum Nockherberg schaut und sich Platz für eine ganze Handballmannschaft sucht, so wie das der Autor vor 30 Jahren noch erlebt hat. Ebenfalls unvergessen: Mit welcher Selbstverständlichkeit alle Mann vorab zum Stand mit den Fischsemmeln marschierten – als Grundlage für Bevorstehendes.

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Mehr als 150 Jahre nach Grässes „Bierstudien“ sind beim Münchner Patentamt fast 110 auf „-ator“ endende Bier-Namen eingetragen, wobei nur ein Teil dieser Biere auch wirklich gebraut wurde. Ein Gebräu, das den Namen Starkbier verdient, muss jedenfalls mindestens 18 Prozent Stammwürze haben. Was die Namen angeht, da sind die Brauer oder deren Marketing-Abteilungen fast so wortspielerisch kreativ wie die gefürchtete Friseur-Innung.

Die Rößlebrauerei Alois Hempfer KG aus Laupheim hat einen Equator im Angebot, die Müllerbräu GmbH & Co. KG aus Pfaffenhofen schenkt Bavariator aus, die Edelweißbrauerei Odelzhausen den Multiplikator, der Bürgerbräu Röhm & Söhne aus Bad Reichenhall den Suffikator, und in den 1930er-Jahren vertrieb die Thüringer Export-Bierbrauerei in Neustadt ein Nährbier namens Vitaminator. Doch wie sieht es mit den Münchner Starkbieren aus? Ein Blick auf das Angebot in Stadt und Umland.

Salvator von Paulaner: Der Vorname Salvator stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Retter oder Heiler und steht für Salvator mundi, den Ehrentitel Jesu Christi. Mit diesem untergärigen Doppelbock fing alles an, vor fast 400 Jahren, dank der Paulaner Mönche, die ihr Gebräu angeblich „Sankt-Vater-Bier“ nannten. Erstmals öffentlich ausgeschenkt wurde es 1806 vom Brauer Franz Xaver Zacherl. Die Daten: 7,9 Prozent Alkohol, 18,3 Prozent Stammwürze, 620 Kalorien hat die Mass. Die Marketing-Prosa: „Karamellfarben die Schaumkrone, kastanienbraun das Bier, kombiniert mit einem verführerischen Duft von Schokolade.“

Mit dem Salvator, der auf dem Nockherberg ausgeschenkt wird, fing vor 400 Jahren die Geschichte der Starkbiere an. (Foto: Florian Peljak)

Maximator von Augustiner: In diesem Fall diente das Bier als Namensgeber eines völlig fachfremden Konstrukts, denn Maximator ist der interne Name eines 1976 gegründeten Verbundes zwischen den Geheimdiensten von Dänemark, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Schweden. Die Daten: 7,5 Prozent Alkohol, 18,3 Prozent Stammwürze, 630 Kalorien. Die Marketing-Prosa: „Im Antrunk ausgeprägt malzig bei zurückhaltender Süße mit röstigen Aromen von Brotkruste kombiniert mit zurückhaltender fruchtiger Banane, würzigen Noten vom Hopfen und einer Spur von wärmendem Alkohol.“

Triumphator von Löwenbräu: Im alten Rom war ein Triumphator ein siegreicher Feldherr, und ein ebensolcher ist auch auf dem Etikett der Starkbierflasche zu sehen. Die Daten: 7,6 Prozent Alkohol, 18,2 Prozent Stammwürze. Marketing-Poesie? Fehlanzeige. Von der Löwenbräu-Website wird der Suchende zum besitzenden Getränke-Riesen Anheuser-Busch InBev weitergeleitet, wo zum Triumphator leider nichts zu finden ist. Daher hier die aktuellste Rezension der Website www.bier-index.de: „Dunkel mit üppiger Schaumkrone und mit malzigem Geruch fließt das Doppelbock ins Glas. Der Antrunk ist mälzig mit Röstaromen und Caramel und der Abgang ist etwas bitter mit Hopfenextrakt.“

Optimator von Spaten: Gehört wie der Triumphator zu Anheuser-Busch, die so viele Biere ihr Eigen nennen, dass sie sich nicht die Mühe machen, zu jedem Tropfen noch einen Sommelier-Text zu basteln. Immerhin, die Daten: 7,65 Prozent Alkohol, 18,2 Prozent Stammwürze, 700 Kalorien pro Mass. Die Tester von beerandbrewing.com finden: „Röstige, malzige Süße in der Nase. Wenig bis kein Hopfenaroma. Etwas mineralischer oder schwefeliger Charakter. Melanoidine, Schokolade und gebackene Kekse. Aroma scheint etwas gedämpft.“

Animator von Hacker-Pschorr: Mit dem Beruf des Trickfilmzeichners hat der Animator nur den Namen gemein. Gemeint ist natürlich, dass das Getränk anregen, ermuntern oder anstiften soll – zu was auch immer. Die Daten: 8,1 Prozent Alkohol, 19,3 Prozent Stammwürze, 670 Kalorien pro Mass. Die Marketing-Prosa: „Mahagonifarben mit einer opalisierenden Trübung, süße Fruchtnoten mit Schokoladen- und Röstaromen, eine herbsüße Versuchung.“

Aventinus von Schneider Weisse: Der Name geht zurück auf den bayerischen Hofhistoriker und Hoflehrer Johannes Aventinus (1477-1534), der als Vater der bayerischen Geschichtsschreibung gilt. Der seit 1907 ausgeschenkte Weizendoppelbock gilt als ältester seiner Art. Die Daten: 8,2 Prozent Alkohol, 18,5 Prozent Stammwürze. Die Marketing-Prosa: „Vollmundige, dunkelrubinfarbene Genussweisse, kräftiger Körper in Kombination mit einer malzaromatischen Süße, intensiv und voll Feuer, wärmend, ausgewogen und weich.“

Innovator von Giesinger Bräu: Neu erfunden haben die Giesinger die Starkbierbrauerei nicht, aber sich eine Geschichte dazu überlegt, und die geht so: „Gebraut haben wir den Innovator, um die beiden Kirchen, die in Giesing unsere Nachbarn sind, zu einen. Denn ob katholisch oder evangelisch – beim Bier kann man sich schon mal näher kommen. Vor allem, wenn es eine solch himmlische Versuchung ist.“ Die Daten: 7,3 Prozent Alkohol, 18,5 Prozent Stammwürze.

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Delicator von Hofbräu: Ein seltenes Gut, denn der seit 1910 gebraute „HB Doppelbock“, der seit den 50er-Jahren auch Delicator heißt, wird nur noch für den amerikanischen und italienischen Markt gebraut. In München ist er lediglich beim Starkbierfest im Hofbräukeller am kommenden Wochenende zu haben. Die Daten: 8,4 Prozent Alkohol. Die (diesmal englische) Marketing-Prosa: „The rich and spiced flavor with a taste of dark chocolate and dried berries is created by the perfect amount of roasted caramel malt and a well-hidden hop bitterness for a smooth finish.“

Jakobator von Hopfenhäcker: Die 2014 gegründete Brewing Company ist mittlerweile vom Haidhausener Hinterhof nach Perlach umgezogen, in die Forschungsbrauerei Jakob KG in der Unterhachinger Straße, womit sich der Name des Starkbieres erklärt. Auf Prosa verzichtet man und bescheidet sich mit der Angabe, dass es sich um einen hellen Doppelbock handele, feinmalzig mit 7,3 Prozent Alkohol. Und halt Bio.

Celebrator von Ayinger: Der untergärige, dunkle Doppelbock ist nicht nur im Bier-Dorf Aying vor den Toren der Stadt ein Grund zum Feiern. Die Daten: 6,7 Prozent Alkohol, 18,5 Prozent Stammwürze. Die Marketing-Prosa: „Das Dessertbier unter unseren Bierspezialitäten. Seine tiefe Mahagoni-Farbe tendiert ins Rubinrot, der sensationell feste Schaum ist umgeben von nussig-karamelligem Duft und einem Hauch von Zedernholz. Ein samtweicher, voller Körper wird begleitet von würzigen Geschmacksnoten im Abklang.“

Aviator vom Airbräu: Ein Name, bei dem viele sicher zunächst Leonardo DiCaprio vor Augen haben, in der Rolle als flugverrückter Multimillionär Howard Hughes. Dabei handelt es sich aber um das Starkbier der weltweit ersten Flughafen-Brauerei, dem Airbräu. Zwischen Terminal 1 und 2 fließt von Aschermittwoch bis Karfreitag der Aviator durch die Leitungen. Die Daten: 7,7 Prozent Alkohol, 18 Prozent Stammwürze. Die Marketing-Prosa: „Kräftig in Geschmack und Farbe ist er mit Bedacht zu genießen.“

Wasinator von der Bierschöpf-Brauerei in Markus Wasmeiers Freilichtmuseum: Drei Biere (Helles, Märzen und das Rotbier genannte Starkbier) werden in der Schlierseer Museumsbrauerei in traditioneller Methode von Hand gebraut. Die Daten: 7,4 Prozent Alkohol, 18 Prozent Stammwürze. Die Marketing-Prosa: „Dieser Bock überzeugt durch seine angenehme Süße, mit leichten Aromen von Schokolade und Karamell. Unser Brauer sagt, ab dem zweiten wird’s lustig!“

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