Stammstrecken-Debakel:Opposition wirft Söder Vertuschung vor

Stammstrecken-Debakel: Die Bauarbeiten für die zweite Stammstrecke werden viel länger dauern als geplant. Das war dem Freistaat offenbar schon vor zwei Jahren bekannt.

Die Bauarbeiten für die zweite Stammstrecke werden viel länger dauern als geplant. Das war dem Freistaat offenbar schon vor zwei Jahren bekannt.

(Foto: DB/panterra.tv)

Die Staatsregierung soll bereits 2020 gewusst haben, dass der Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München sich verzögern und die Kosten explodieren würden. Die Opposition fordert einen Untersuchungsausschuss.

Von Heiner Effern

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) soll bereits Ende 2020 von den massiven Kostensteigerungen und Bauverzögerungen bei der zweiten S-Bahn-Stammstrecke gewusst haben. Im Dezember dieses Jahres soll ein Brief aus dem Bauministerium in der Staatskanzlei eingegangen sein, in dem auf die massiven Probleme hingewiesen, unverzügliches Handeln empfohlen und vor der Gefahr durch das Zurückhalten von Informationen gewarnt wurde. Das berichtete die Augsburger Allgemeine.

Die Grünen und die SPD im Landtag werfen Söder und seiner CSU vor, dass sie auf den Brief nicht reagiert haben. "Die ungeheuerliche CSU-Manipulation bei der zweiten Stammstrecke drängt der Opposition geradezu die Überlegung eines weiteren Untersuchungsausschusses auf", erklärte der SPD-Abgeordnete Markus Rinderspacher. Sein Fraktionschef Florian von Brunn deutete mit einer Frage an, dass Söder die Nachrichten wegen seiner persönlichen Ambitionen vertuscht haben könnte. "Hatte das Stillschweigen etwas mit seiner Kanzlerkandidatur und der Konkurrenz mit Armin Laschet zu tun?"

Auch die Grünen werfen der Staatsregierung Versagen in ihrer Funktion als Bauherr vor. "Erst wird bewusst verschleppt, dann wird verschleiert", schrieb Fraktionschef Ludwig Hartmann auf Twitter. "Und wenn das nicht mehr klappt, wird anderen die Verantwortung in die Schuhe geschoben." Damit spielt Hartmann auf die Auseinandersetzung des Freistaats mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) über die Bezahlung der Mehrkosten an.

Am 30. Juni 2022 hatte der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) bekannt gegeben, dass der zweite Tunnel 7,2 statt wie bisher geplant 3,8 Milliarden Euro kosten soll. Die Fertigstellung soll sich um neun Jahre von 2028 auf 2037 verzögern. In der folgenden Sitzung des Verkehrsausschusses im Landtag verwies Bernreiter nur darauf, dass er selbst erst im Februar 2022 ins Amt gekommen sei. Vorwissen aus seinem Haus gab er nicht preis. Ein hoher Beamter bestätigte lediglich einen Verdacht, dass die Zahlen überholt sein könnten.

Der Brief aus dem Bauministerium von Dezember 2020, der der Augsburger Allgemeinen vorliegt, belegt nun, dass es sich um weit mehr gehandelt hat. Demzufolge hatte die Bahn als ausführendes Unternehmen dem Freistaat bereits im Herbst 2020 mitgeteilt, dass frühestens 2034 die ersten Züge fahren könnten. Die Kosten waren zu diesem Zeitpunkt bereits auf 5,2 Milliarden Euro gestiegen. CSU-Generalsekretär Martin Huber wies die Kritik zurück. "Der Versuch, einen Austausch auf Beamtenebene ohne valide Zahlen zu skandalisieren, ist schäbig", schrieb er auf Twitter.

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