Süddeutsche Zeitung

Städtische Gesellschaften:Das große Stühlerücken

Münchner Wohnen, Münchenstift, München Klinik, Stadtwerke: Viele Spitzenjobs, die Auswirkungen auf das Leben in der Stadt haben, werden gerade neu vergeben.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Wie viel Spaß macht es, in den Münchner Bädern schwimmen zu gehen? Bleibt die Miete bezahlbar, wenn man das Glück hat, eine städtische Wohnung zu ergattern? Und wie ist man versorgt, wenn man irgendwann auf einen Platz im Pflegeheim angewiesen ist? Von der Kindheit bis ins hohe Alter: Um die banalen, aber auch die existenziellen Fragen des Alltags kümmert sich oft die Stadt. Die besteht schließlich nicht nur aus dem Stadtrat und vielen Behörden, sondern hat auch eine Reihe von Tochtergesellschaften, mit einem Milliardenumsatz und einem Milliardenwert.

Geleitet werden sie von Managerinnen und Managern, von denen einige deutlich mehr verdienen als Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mit seinen gut 180 000 Euro Jahresgehalt. Sie prägen das Leben der Stadt, ausgesucht werden sie letztlich vom Stadtrat. Das geschieht mal still, mal unter Hauen und Stechen. Gerade werden so viele Spitzenjobs neu vergeben wie selten. Ein Überblick:

Wohnen

Aus zwei mach eins: Noch knapp ein Jahr, dann sollen die beiden Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag fusionieren. Von 2024 an soll es nur noch ein Unternehmen geben, mit dem Namen "Münchner Wohnen". Mit insgesamt knapp 70 000 Wohnungen wird die kommunale Firma zur viertgrößten städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Deutschland aufrücken. Die Geschäftsführung soll aus drei Personen bestehen.

Interesse angemeldet hat bereits Klaus-Michael Dengler, der jetzige Sprecher der Gewofag-Geschäftsführung. Einen weiteren Posten, die Leitung der Wohnungsbewirtschaftung und sozialen Dienstleistungen, will die SPD mit ihrem Fraktionschef Christian Müller besetzen. Er ist gelernter Sozialarbeiter und arbeitet derzeit als Fachbereichsleiter für Kitas bei der Münchner Caritas.

Aus der Opposition kommt Kritik an der geplanten Personalie: "Eine politische Besetzung des Geschäftsführungsposten durch eine - mit Verlaub - absolut fachfremde Person" würde das Fusionsvorhaben gefährden, es brauche "eine geeignetere Person", hieß es von der Fraktion ÖDP/München-Liste. Die Dritte im Bunde der Geschäftsführung der neuen "Münchner Wohnen" könnte Doris Zoller sein, promovierte Architektin und aktuell Geschäftsführerin der Gewofag.

Altenpflege

Neun Alten- und Pflegeheime, vier Seniorenwohnheime, dazu die häusliche Pflege: Die Beschäftigten der Münchenstift kümmern sich um Tausende Seniorinnen und Senioren in der Stadt. Im Sommer geht der bisherige Geschäftsführer Siegfried Benker in den Ruhestand. Mehr als zehn Jahre wird er das städtische Unternehmen dann geleitet haben. Nach vielen Jahren in der Rathauspolitik und als Grünen-Fraktionsvorsitzender, und der großen Verantwortung, die er als Geschäftsführer der Münchenstift trage, gehe es ihm "gut damit, Verantwortung abzugeben an andere", sagt Benker.

Das Vorschlagsrecht für die Nachfolge haben die Grünen. Als eine mögliche Favoritin zeichnet sich Renate Binder ab. Die 57-Jährige leitet die Abteilung "Kommunale Gesundheitsplanung und Koordinierung" im Gesundheitsreferat und sitzt für die Grünen im Bezirksausschuss Sendling-Westpark. Sie ist gelernte Pflegefachkraft und hat Gesundheits- und Sozialmanagement studiert. Die Leitung der Münchenstift bezeichnet sie als "Traumjob" und bestätigt, dass sie sich beworben habe.

Öko- und Wärmewende

Der mächtigste und größte Konzern in kommunaler Hand sind die Stadtwerke. Wer hier die Richtung vorgibt, regiert die Stadt mit. Die Chefs bestimmen, was Heizung und Strom kosten, wie oft und zuverlässig U-Bahnen und Trambahnen fahren, was mit den Bädern passiert. Darum wird natürlich um die Besetzung der Chefposten politisch hart gerungen, derzeit werden zwei Stellen neu vergeben.

Grüne und SPD haben im Aufsichtsrat durchgesetzt, dass die oberste Etage um einen Geschäftsführer für regionale erneuerbare Energien erweitert wird. Der Posten soll über eine Ausschreibung vergeben werden. Das Recht auf die Auswahl liegt bei den Grünen. Diese beteuern, dass es keine Vorabsprachen gibt. Der Auftrag ist klar: Wärmewende beschleunigen, Geothermie forcieren!

Die Grünen gewinnen damit mehr Einfluss auf die Spitze der Stadtwerke, die bisher als SPD-Domäne gelten. Der oberste Boss Florian Bieberbach ist Sozialdemokrat, in den Strukturen findet sich eine große Nähe zur SPD. Der ehemalige Stadtrat Christian Amlong ist zum Beispiel nach einem etwas unglücklichen Ausflug als Geschäftsführer zur GWG in einer mittleren Führungsebene des Unternehmens untergekommen.

Kurz vor Weihnachten gab der Aufsichtsrat zudem bekannt, dass der Vertrag des Topmanagers für das Personal, Immobilien und die Bäder, Werner Albrecht, nicht verlängert wird. Dieser läuft am 31. Oktober dieses Jahres aus. Personalvertreter, Grüne und SPD sollen bei beiden Personalfragen einvernehmlich abgestimmt haben, alleine hätte weder die Koalition noch die Arbeitnehmervertretung eine Mehrheit gehabt. Für die Opposition riecht das schwer nach einem Deal: Grün-Rot bekommt einen Geschäftsführer für die Ökowende und die Mitarbeiter erhalten einen neuen genehmen Personalchef.

Gesundheit

Die München Klinik mit ihren 7000 Beschäftigten in Schwabing, Neuperlach, Bogenhausen, Harlaching und an der Thalkirchner Straße bilden das städtische Rückgrat der medizinischen Versorgung in München. An der Konzernspitze kommt es gerade zu einem radikalen Neuanfang. Alle drei Geschäftsführer sollen, beziehungsweise müssen ersetzt werden, obwohl die Gesellschaft für die fünf kommunalen Krankenhäuser gerade in einer schweren wirtschaftlichen Krise steckt.

Vom bisherigen Führungstrio um den Chef Axel Fischer bleibt wohl niemand im Amt. Fischer selbst verkündete kurz vor Weihnachten überraschend, dass er seinen Vertrag nicht verlängern und möglichst schon diesen Sommer ausscheiden will. Er wurde 2014 aus einer Beraterrolle heraus als Chef und Sanierer der städtischen Krankenhäuser verpflichtet. Seine Auswahl galt damals nicht als politisch motiviert.

Auch diesmal zeichnet sich bei der Suche nach der neuen Konzernspitze keine parteitaktische Besetzung ab. Der neue Geschäftsführer für den kaufmännischen Bereich wurde im Haus gefunden und ist bereits im Amt. Tim Guderjahn folgt auf Dietmar Pawlik, der aus Altersgründen Ende Oktober 2022 in den Ruhestand ging. Die Chefin für das Personal, Susanne Diefenthal, erhält wohl auch keinen neuen Vertrag mehr. Das gilt im Stadtrat und auch im Aufsichtsrat als ausgemacht, ist aber offiziell noch nicht verkündet.

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