Klimawende:München steigt weitgehend aus Ölgeschäft aus

Klimawende: Die Firma Spirit Energy, an der die Stadt München beteiligt ist, fördert Öl und Gas in der Nordsee. Nun hat sie das Ölgeschäft abgestoßen.

Die Firma Spirit Energy, an der die Stadt München beteiligt ist, fördert Öl und Gas in der Nordsee. Nun hat sie das Ölgeschäft abgestoßen.

(Foto: Spirit Energy Limited)

Gemeinsam mit ihrem britischen Partner Centrica verkaufen die Stadtwerke ihre großen Bohrstätten und Felder auf norwegischem Gebiet. Die Stadt soll dadurch um die 300 Millionen Euro einnehmen.

Von Heiner Effern

Die Quellen sprudeln, die Einnahmen gerade auch, doch die Stadtwerke München (SWM) machen weitgehend Schluss mit der Förderung von Erdöl. Gemeinsam mit ihrem britischen Partner Centrica haben sie ihre großen Bohrstätten und Felder im norwegischen Teil der Nordsee verkauft. Eine entsprechende Mitteilung veröffentlichten die SWM und Centrica am Mittwoch. "Der Verkauf der norwegischen Felder erfolgt zu einem günstigen Zeitpunkt und reduziert unser Engagement im Bereich der Gas- und Ölförderung spürbar", sagte SWM-Geschäftsführer Florian Bieberbach.

Die Käufer kommen aus Norwegen und sollen insgesamt etwa eine Milliarde Euro bezahlen. Der Erlösanteil der Stadtwerke beträgt um die 300 Millionen Euro. "Eine Riesen-Transaktion" sei das gewesen, sagte Bieberbach. Die Verhandlungen seien wegen der komplexen Verträge mit zwei Käufern noch die ganze Nacht durchgelaufen, erklärte der zuständige SWM-Manager Thomas Meerpohl. Die Einnahme der Stadtwerke könnte sich durch eine Vertragsklausel sogar noch erhöhen: Sollten die neuen Eigentümer mit den Gasquellen bis Ende 2022 gut verdienen, werden Centrica und die SWM daran noch beteiligt.

Der Verkauf soll Teil der Klimawende der Stadt sein

Mit diesem Schritt kommen die Stadtwerke einer Forderung der Stadtpolitik nach. Der Verkauf des Ölgeschäfts soll Teil der Klimawende der Stadt sein. Die Förderung der fossilen Brennstoffe in der Nordsee stand schon länger in der Kritik, insbesondere von Umweltorganisationen. Auch die bei Spirit Energy noch verbliebenen Lizenzen in der ökologisch sensiblen Barentssee gehören zum Verkaufspaket. Centrica und die Stadtwerke einigten sich zudem darauf, keine neuen Gas-Felder aus ihrem Portfolio im britischen und niederländischen Teil der Nordsee mehr zu erschließen. Die bestehenden Lizenzen sollen in den kommenden Jahren auslaufen, doch das muss nicht das Ende der Spirit Energy bedeuten: Die beiden Partner prüfen Ideen, ins Geschäft mit Wasserstoff und der CO2-Einlagerung einzusteigen. Die Standorte seien vielversprechend, heißt es bei den Stadtwerken.

Florian Bieberbach in München, 2019

Florian Bieberbach, Chef der Stadtwerke München, spricht von einer "Riesen-Transaktion".

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die SWM hatten im Jahr 2017 mit dem britischen Konzern Centrica die gemeinsame Firma Spirit Energy gegründet, in die sie ihr Erdöl- und Gasgeschäft eingebracht hatten. Die SWM halten 31 Prozent an dem Unternehmen. Ursprünglich wollte Centrica ihre Anteile komplett verkaufen, doch wegen der Corona-Krise und der niedrigen Gas- und Ölpreise scheiterten diese Pläne. Da sich nun der Markt für fossile Brennstoffe deutlich verbessert hat, fanden sich auch Interessenten. Nach einem Bieterverfahren erhielten die Firmen Sval Energi und Equinor den Zuschlag. "Uns war wichtig, dass das solide Käufer sind", sagte SWM-Chef Bieberbach. An Equinor hält der norwegische Staat mehr als zwei Drittel der Aktien.

Man dürfe "auch mal Glück haben"

Das kann in Zukunft wichtig werden, denn mit den Feldern werden nicht nur die Bohrlizenzen übertragen, sondern auch die sehr teuren Verpflichtungen, die Anlagen am Ende wieder zurückzubauen. Dafür könnte nochmals eine Milliarde Euro fällig werden, die nun die Käufer aufbringen müssen. Mit dem Deal haben Stadtwerke und Centrica 92 Prozent ihrer Ölproduktion und 38 Prozent ihrer Gasreserven veräußert. Mit der "sehr vernünftigen Bewertung" ihrer Felder konnten die Stadtwerke noch im vergangenen Jahr nicht rechnen, als die Centrica auf Biegen und Brechen verkaufen wollte. Der Preis von Gas habe sich im Großhandel seit dieser Zeit verdreißigfacht, sagte Stadtwerke-Manager Meerpohl. Man dürfe in so einem volatilen Metier "auch mal Glück haben", fügte sein Chef Bieberbach hinzu.

Das war in den vergangenen zwei Jahrzehnten, in denen sich die Stadtwerke mit dem Öl- und Gasgeschäft mehr herumgeschlagen als dass sie viel verdient haben, nicht immer so. "Als Fazit in diesem Zeitraum muss man sagen, das war ein Fehlgeschäft", räumte Bieberbach ein. Er wolle daraus aber keinen Vorwurf am früheren Management ableiten, aus damaliger Sicht war das Engagement in der Gas- und Ölförderung ein sinnvoller Schritt. Die Entwicklungen und vor allem die Liberalisierung am Markt habe diese Pläne aber überrollt. Seit 2006 haben die Stadtwerke mit ihren Töchtern mehr als zwei Milliarden Euro in der Nordsee investiert, zwischenzeitlich hatte es so ausgesehen, als ob diese dort auch weitgehend versenkt würden.

Der Druck, aus dem Geschäft auszusteigen, wurde immer größer

Viele großen Konzerne hatten ähnliche Probleme und stiegen mit Schmerzen und sehr hohen Verlusten aus dem Fördergeschäft aus. Die SWM entschieden sich dafür, sich einen Partner zu suchen und möglichst viel Geld, das letztlich dem Münchner Steuerzahler gehört, zu retten. Anfangs lief das neue Unternehmen Spirit Energy glänzend, dann zogen die fallenden Öl- und Gasgeschäfte die Zahlen nach unten. In München wurde zudem insbesondere durch den Regierungswechsel hin zu Grün-Rot, aber auch auf Initiative von ÖDP, Freien Wählern, FDP und der Linken der Druck immer größer, aus dem Geschäft mit fossilen Brennstoffen auszusteigen.

Zu diesen ökologischen Zielen der Koalition bekannten sich die Stadtwerke in ihrer Mitteilung ausdrücklich. "Dieser weitere Schritt auf dem Weg der SWM-Dekarbonisierungsstrategie steht im Einklang mit den kürzlich angekündigten Bestrebungen der Stadt München, den Einsatz von Heizöl und Erdgas im Wärmemarkt stark zu reduzieren", sagte Geschäftsführer Bieberbach. Aus rein ökonomischer Sicht ist er über den Verkaufszeitpunkt aber auch ein bisschen zwiegespalten. Die explodierenden Preise erhöhten zwar den Verkaufspreis, aber mit der Förderung wäre in nächster Zeit auch sehr viel Geld zu verdienen gewesen.

Der Stadtrat muss dem Verkauf noch offiziell zustimmen, dies soll vermutlich im Februar 2022 geschehen. Dafür wird eine breite Mehrheit erwartet, Grüne und SPD reagierten am Mittwoch erfreut auf die Nachricht. "Einen Meilenstein" auf dem Weg zur Klimawende nannte Grünen-Fraktionsvize Dominik Krause den Deal. "Wir machen ernst beim Klimaschutz", sagte SPD-Stadträtin Simon Burger. "Wichtig ist uns, dass gleichzeitig das noch bestehende Geschäft auf eine klimaverträglichere Strategie neu ausgerichtet wird."

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