Khori Browne ist auf den Grenadinen aufgewachsen, dieser kleinen Inselgruppe in der Karibik zwischen Saint Vincent und Grenade, die geografisch den „Inseln über dem Winde“ zugerechnet wird. An diesem sonnigen Nachmittag aber steht der 27-Jährige mit zwei Freuden im Erdgeschoss der Zentrale der Stadtwerke München (SWM) und gerät über seine neue Heimat ins Schwärmen. „Deutschland ist toll, aber München ist für mich ganz klar die Nummer eins“, sagt er. „Ich möchte etwas zurückgeben.“
Und die SWM könnten kurz davor sein, dieses Angebot anzunehmen. Browne hat Bauingenieurwesen studiert, in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston seinen Bachelor gemacht und an der Technischen Universität München seinen Master draufgesattelt. Und genau solche Menschen suchen die Stadtwerke, die ebenso unter dem Fachkräftemangel leiden wie Unternehmen in vielen anderen Branchen, die auf technisch versierte und gut ausgebildete Experten angewiesen sind.

Mit etwas mehr als 10 000 Beschäftigten gehören die SWM zu den großen Arbeitgebern in der Landeshauptstadt. Und das Spektrum an Arbeitsbereichen reicht von der Energieversorgung über den Netzbetrieb, die Wartung von Bussen, Tram- und U-Bahnen bis zu großen Bauprojekten wie neuen Kraftwerken und Jobs in der Digitalisierung. Seit 2022 werben die SWM mit den regelmäßigen Veranstaltungen „SWM vor Ort“, sogenannten Recruiting-Nachmittagen, insbesondere um Ingenieurinnen und Ingenieure sowie technische Fachkräfte. Denn es gehe um nicht weniger, als darum, die Stadt am Laufen zu halten, sagt Rebekka Pröll. Sie ist Mitglied des Recruiting-Teams und vor allem dafür verantwortlich, dass es in den U-Bahn-Betriebshöfen ausreichend Fachkräfte gibt, um die Züge wieder auf eine sichere Reise schicken zu können.
Gemeinsam mit ihrem Team wartet sie an diesem Nachmittag in der SWM-Zentrale auf den ersten Ansturm von Interessierten, die meist online auf die Veranstaltung aufmerksam geworden sind. Pünktlich um 16 Uhr öffnen sich die Türen und etwa zwei Dutzend Personen – nahezu alle in legerer Kleidung – strömen in den Raum. Die Begrüßung übernehmen die beiden Recruiter Erma und Andi, sie sind sofort beim „Du“ und nach ein paar kurzen, einführenden Worten werden die Männer und Frauen in Gruppen aufgeteilt: am Stehtisch die Ingenieure, am lang gezogenen Konferenztisch die technischen Fachkräfte.

Zu den Ersten, die zum Interview gebeten werden, gehört Felix Emmer; die Atmosphäre zwischen dem 24-Jährigen und seiner Recruiterin ist locker und entspannt, es wird viel gelacht. Und bei diesem ersten Gespräch wird es nicht bleiben, so viel steht nach dem Kennenlernen fest. „Das war ein echt gutes Gespräch. Für mich geht es gleich mit dem nächsten weiter“, sagt Emmer, der Maschinenbau studiert hat. Auf die Veranstaltung sei er über Freunde aufmerksam geworden, die bereits bei den SWM arbeiten, erzählt er. Wohin die Recruiting-Reise gehen könnte? Möglicherweise in Richtung erneuerbare Energien oder Ähnliches, sagt Emmer.
Spürbar ist der Fachkräftemangel bei den Stadtwerken für die Münchner vor allem, wenn es um Bus-, U-Bahn- und Trambahnfahrer geht; auch für diese Berufszweige finden regelmäßig Bewerbungsveranstaltungen statt – auch für Quereinsteiger. Aber auch in den technischen Berufen sei der Bedarf an gut ausgebildeten Menschen enorm, sagt Pröll. „Es geht schlichtweg darum, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das U-Bahn- und Tram-Netz wird ständig erweitert, die Technik entwickelt sich immer weiter, die Flotten werden größer“, sagt die Recruiterin. Und dann kommen möglicherweise noch Olympische Sommerspiele auf die Landeshauptstadt und die SWM zu.
Die Stadtwerke versuchen, auf mehreren Wegen geeignetes Personal zu finden: Mit etwa 160 Auszubildenden im Jahr sind sie einer der größten Ausbildungsbetriebe in der Stadt – und wer „sich entsprechend macht“, der habe auch eine Übernahmegarantie, so Pröll.
Deutschlands größter kommunaler Dienstleistungs- und Versorgungsbetrieb wirbt aber auch gezielt im Ausland um neue Fachkräfte. Zuletzt in Marokko, Bosnien und sehr erfolgreich in Spanien. Die SWM versuchen zudem, mit „Benefits“ gutes Personal anzulocken, die dem wohl größten Problem in München etwas entgegensetzen sollen. „Wir haben Werkswohnungen, die wir anbieten. Das heißt zwar nicht, dass jeder eine bekommt, aber jeder kann sich bewerben“, sagt Pröll.
Für neue Bewerber stünden zudem sogenannte Onboarding-Apartments zur Verfügung, die für zwölf Monate nach dem Umzug nach München eine Übergangslösung darstellen können. Und bei den Stadtwerken gelten zwei Tarifverträge: der für den Nahverkehr in Bayern und ein zweiter für die Versorgungsbetriebe, die für zahlreiche Mitarbeiter noch mit Zusatzleistungen wie der München-Zulage ergänzt werden.

Auf interne Wohnungssuche bei den SWM könnte auch bald Jian Tan gehen. Die 30-Jährige stammt ursprünglich aus China, wohnt derzeit aber in Ingolstadt. Und hat dort bei einem Zulieferbetrieb für Audi gearbeitet, ehe auch sie die Krise in der Automobilindustrie traf und sie ihren Job verlor. Im Jahr 2023 hat Tan an der TUM ihre „Master Graduation“ abgelegt, wie sie sagt; als Ingenieurin und zuletzt als Softwareentwicklerin sei sie thematisch breit aufgestellt. „Die Stadtwerke wären ein guter Platz für mich, ich würde gerne hier arbeiten und meine Karriere neu starten“, sagt sie, bevor ihr erstes Kennenlerngespräch mit der Recruiterin beginnt.
Es ist eine lockere Atmosphäre im Erdgeschoss der SWM-Zentrale. Auch Quereinsteiger würden immer wieder zu den Veranstaltungen kommen, für die keine Anmeldung notwendig ist, sagt Pröll. Auf ihrer Homepage bieten die SWM auch eine eigene Rubrik für Menschen an, die sich beruflich verändern wollen. Khori Browne gehört eher zu jener Kategorie Kandidat, die von den Recruitern sehr direkt auf bestimmte Stellen hingeführt werden. Er selbst weiß ganz genau, welche das sein könnten: „Hochbau. Vor allem nachhaltiges Bauen.“

