Wirtschaft in München:Stadtsparkasse kündigt Zehntausende Verträge

Wirtschaft in München: Die Stadtsparkasse nutzt ein Urteil des Bundesgerichtshofs, um sich von teuren Verträgen zu befreien.

Die Stadtsparkasse nutzt ein Urteil des Bundesgerichtshofs, um sich von teuren Verträgen zu befreien.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Bei den betroffenen Verträgen handelt es sich um sogenannte Prämiensparverträge, die vor allem in den 1990er-Jahren beliebt waren.
  • Im Mai hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Sparkassen ihren Kunden unter bestimmten Bedingungen kündigen dürfen.
  • Verbraucherschützer raten aber dazu, die Verträge im Detail zu prüfen.

Von Pia Ratzesberger

Die Stadtsparkasse München hat in dieser Woche Tausende Briefe verschickt, die ihre Empfänger nicht freuen dürften. Viele Kundinnen und Kunden werden ihre sogenannten Prämiensparverträge verlieren, und damit einen Haufen Geld. Betroffen sind etwa 28 000 Kundinnen und Kunden - und noch einmal 15 000 weiteren steht eine Kündigung in den kommenden Jahren bevor. "Die Verträge sind zum größten Teil in den 1990er-Jahren geschlossen worden. Die Renditen sind nicht mehr zeitgemäß", sagt Ralf Fleischer, Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse.

Seine Bank stellt sich in eine Reihe mit vielen anderen Sparkassen, die solche Sparverträge bereits gekündigt haben, wobei die Stadtsparkasse München (SSKM) wohl so viele Verträge beendet wie keine andere Bank in Bayern. Als Grund nennt Fleischer, wie andere Sparkassen auch, die anhaltend niedrigen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB), wegen derer immer schwerer Geld mit dem klassischen Zinsgeschäft zu verdienen sei: "Am Ende treibt die EZB alle Institute in solche Maßnahmen."

Prämiensparverträge haben in der Vergangenheit nicht nur Sparkassen ausgegeben, sondern auch Genossenschaftsbanken, doch die Sparkassen in besonders großem Stil. Über viele Jahre hinweg waren sie beliebt, vor allem in den 1990er- und den frühen 2000er-Jahren. Das Besondere daran ist, dass man für gespartes Geld nicht nur Zinsen bekommt, sondern zusätzlich fest vereinbarte Prämien, die mit der Zeit ansteigen. Wer 15 Jahre eingezahlt hat, erhält bei der Stadtsparkasse München etwa die höchste Prämie von 50 Prozent. Wenn eine Kundin innerhalb eines Jahres 1200 Euro gespart hat, bekommt sie also noch einmal 600 Euro oben drauf.

Ab diesem 15. Jahr lohnt sich der Vertrag für Sparerinnen und Sparer enorm, für die Bank aber werden die Verträge dann richtig teuer - und die Stadtsparkasse München kündigt deshalb in einem ersten Schritt nun Tausenden Sparerinnen und Sparern, deren Verträge bereits länger als 15 Jahre laufen. Nach und nach wird dann auch den übrigen Sparern gekündigt, sobald deren Verträge ebenfalls die 15 Jahre überschritten haben.

Denn Banken können nicht einmal eben einen Sparvertrag aufkündigen, sondern brauchen dafür einen sogenannten sachgerechten Grund. Die Sparkassen sehen die anhaltend niedrigen Zinsen als solch einen Grund, und der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom Mai der Argumentation zugestimmt: Die Richter entschieden, dass Banken solche Prämiensparverträge unter bestimmten Umständen kündigen dürfen - allerdings nur, wenn die versprochenen Prämien gezahlt worden sind - und in den Verträgen keine konkrete Laufzeit vereinbart worden ist, sie also unbefristet abgeschlossen wurden.

"Wir kündigen nur unbefristet abgeschlossene Verträge, die seit mindestens 15 Jahren laufen", sagt Fleischer dazu. In den vergangenen Monaten habe man die Kunden und Kundinnen bereits angesprochen und Alternativen angeboten, am Donnerstag werden nun die Kündigungsschreiben in den Briefkästen liegen, mit einer Frist von drei Monaten. In den vergangenen Wochen haben viele Sparkassen in Deutschland ähnliche Kündigungen verschickt. In Bayern zum Beispiel die Sparkassen Landshut, Bayreuth und Fürstenfeldbruck. Allein die Stadtsparkasse Nürnberg hatte im Sommer insgesamt 21 000 Prämiensparverträge gekündigt, betroffen waren 16 000 Kunden.

"Wir werden überrannt von Anfragen, aber man muss sich jeden Vertrag im Detail ansehen", sagt Sibylle Miller-Trach von der Verbraucherschutzzentrale Bayern. Wenn im Vertrag eine konkrete Laufzeit vereinbart ist, dürfe er nicht vor deren Ablauf gekündigt werden. Wenn die Prämien über einen längeren Zeitraum als 15 Jahre gestaffelt seien, auch nicht. Es komme auf die Details an: "Wenn im Vertrag steht, ,ab dem 15. Jahr wird die Prämie in Höhe x gezahlt' und nicht ,bis zum 15. Jahr', kann man durchaus diskutieren, wie lange eine Bank die versprochenen Prämien noch zahlen muss", sagt Miller-Trach.

Die Stadtsparkasse München will sich mit ihren Kündigungen von einem Großteil der Prämien befreien: Die zum Ende des Jahres auslaufenden Verträge haben insgesamt ein Volumen von einer Milliarde Euro. Die Einlagen in der Bilanz der Stadtsparkasse umfassen insgesamt etwa 15 bis 16 Milliarden Euro, sagte der Vorstandsvorsitzende Ralf Fleischer am Mittwoch. Die übrigen Prämiensparverträge, die noch nicht das 15. Jahr erreicht haben, belaufen sich auf ein Volumen von etwa 173 Millionen Euro. "Dass der Sparer nicht glücklich ist, ist nachvollziehbar" sagte Fleischer. Aber man könne nicht "über zwei Prozent für Sparverträge zahlen, wenn man nur ein Prozent für Kreditverträge bekommt."

Die Stadtsparkasse bereitet sich auf schwierige Zeiten vor, und schließt mittlerweile selbst Negativzinsen für private Kunden nicht mehr aus. Zumindest bereitet man den Schritt rechtlich vor. Alle Kunden, die vom 1. Oktober an ein Girokonto oder ein sogenanntes Cashkonto bei der Bank eröffnen, werden eine Zusatzvereinbarung unterschreiben müssen, die es der Stadtsparkasse München ermöglicht, später Negativzinsen zu berechnen. Alle Kundinnen und Kunden, die bereits ein Konto haben, sind davon nicht betroffen. Die neue Regelung wird auf viele womöglich abschreckend wirken - was der Stadtsparkasse nur recht sein kann. Denn heute ist sie für das Geld ihrer Kundinnen und Kunden nicht mehr unbedingt dankbar, sondern muss dafür zahlen.

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