Kommunalpolitik:CSU-Stadtrat Sauerer wechselt zur ÖDP

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Johann Sauerer sitzt seit 2014 im Münchner Stadtrat. Bisher für die CSU, ab sofort für die ÖDP. (Foto: lukasbarth.com)

Und wieder ein Partei- und Fraktionsübertritt im Münchner Rathaus: Johann Sauerer verlässt die Christsozialen. Die Grünen halten die vielen Wechsel inzwischen für demokratieschädlich.

Von Heiner Effern

Als die CSU an der Reihe war, stand am Mittwoch Stadtrat Johann Sauerer in der Vollversammlung auf und erklärte, warum seine Fraktion für die ungeliebten neuen Busspuren stimmen würde. Den ökologisch schlüssigen Vortrag hätte der 49 Jahre alte Aubinger am Abend noch einmal halten können, und er hätte dafür wohl deutlich mehr Applaus bekommen. Das lag am veränderten Publikum: Sauerer saß mit seinen neuen Parteikollegen von der ÖDP zusammen und besprach die letzten Details seines Übertritts. Am Donnerstagmorgen traf die offizielle Meldung ein: Die CSU-Fraktion verliert einen Stadtrat, die ÖDP besitzt nun einen dritten.

Überraschend kommt der Parteiwechsel nicht, Sauerer hat nach eigenen Angaben verblüfft auf die Ansage reagiert, dass er für die CSU noch am Mittwoch die Busspuren verteidigen sollte. Das Verhältnis zum Kreisverband im Münchner Westen mit CSU-Bezirksvize Josef Schmid an der Spitze gilt schon längere Zeit als zerrüttet. Für die Stadtratswahl im März 2020 erhielt Sauerer keinen Listenplatz mehr. Sauerer und der Kreisvorstand erheben schwere Vorwürfe gegeneinander, auf beiden Seiten ist von Mobbing die Rede.

Mit dem Wechsel reiht sich Sauerer bei den vielen Stadträten ein, die in dieser Amtsperiode ihrer Fraktion den Rücken gekehrt haben. Zuletzt verließ zum Beispiel Fraktionschef Alexander Reissl seine SPD in Richtung CSU. Marian Offman hatte Wochen zuvor den umgekehrten Weg genommen. Für ihn habe sich die Frage gestellt, die Karriere zu beenden oder auf einer neuen Basis fortzusetzen, schreibt Sauerer in einer persönlichen Erklärung. Er habe in seiner CSU-Zeit "sehr oft gemeinsame Positionen mit der ÖDP vertreten und sehr gut zusammengearbeitet". Die Grünen halten die vielen Fraktionswechsel für demokratieschädlich, sagte Stadtchef Dominik Krause. Es könne passieren, dass Stadträte ihre Positionen "im Laufe der Zeit eher bei einer anderen Partei vertreten sehen. Momentan entsteht aber der Eindruck, dass es nur noch um persönliche Vorteile geht."

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Die ÖDP dagegen zeigte sich "hocherfreut" über ein drittes Mandat. "Johann Sauerer wird unseren Bemühungen für ein lebenswertes München mit seiner Expertise bei der Stadtentwicklung und Verkehrswende einen weiteren Schub verleihen", sagte Stadtrat Tobias Ruff. ÖDP-Stadtchef Thomas Prudlo betonte auch die Fähigkeiten Sauerers in der Umweltpolitik. Er könne es nicht verstehen, dass die CSU einen allseits geschätzten Politiker nicht mehr berücksichtige. "Dann werden wir ihm eben einen sehr guten Platz anbieten." Ganz so aussichtsreich ist jedoch der fünfte Platz auf der ÖDP-Liste nicht, das weiß auch Sauerer. Der sei "kein Selbstläufer, sondern ein harter Arbeitsplatz, was mich angesichts des breiten Zuspruchs jedoch nicht abschreckt, sondern im Gegenteil herausfordert", heißt es in dem Schreiben.

Sauerer gehört dem Stadtrat seit der Kommunalwahl 2014 an. Mehr und mehr vertrat er die CSU in Fragen der Stadtplanung und erwarb sich Anerkennung auch bei den anderen Fraktionen. Allerdings waren innerhalb der CSU-Fraktion schon Bruchlinien zu erkennen, zum Beispiel bei der Bebauung des Eggartens. SPD und CSU spürten "den Unmut in der Bevölkerung über das ungesteuerte Wachstum der Stadt und seine negativen Folgen", erklärte Sauerer. Doch würden sie weiter jeden Bebauungsplan durchwinken. "Ihr neuer Anstrich ist daher in der Sache unglaubwürdig und allein Teil ihrer Werbestrategie." CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl hält die inhaltlichen Wechselgründe für "konstruiert". Sauerer habe "bei fast allen wichtigen stadtplanerischen Entscheidungen" die CSU-Positionen unterstützt. Es gehe Sauerer "ganz primär um die Fortsetzung seiner kommunalpolitischen Tätigkeit".

Mit der ÖDP will sich Sauerer für eine Stadtentwicklung einsetzen, "die sich nicht an den Interessen von Investoren und deren Geschäftspartnern" orientiere, sondern nach den Bedürfnissen der Bürger handle. Dazu hat er den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, den Erhalt von Grünflächen und Frischluftschneisen sowie die Bewahrung der traditionellen Ortskerne im Blick.

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