Stimmen für AfD:Tabubruch in der Vollversammlung

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Vier Stadträte stimmten bei der Wahl des Wirtschaftsreferenten für die AfD. (Foto: Robert Haas)

Bei der Wahl des Wirtschaftsreferenten entfallen vier Stimmen auf eine Kandidatin der AfD – obwohl die Partei nur drei Vertreter im Stadtrat hat. Bei den anderen Fraktionen herrscht Entsetzen.

Von Sebastian Krass

Es ist die Aufgabe der CSU-Stadträtin Evelyne Menges als Mitglied des Wahlvorstands, an diesem Mittwochvormittag das Ergebnis vorzutragen: 29 Stimmen für Clemens Baumgärtner (CSU) als Wirtschaftsreferenten, 44 Stimmen für Christian Scharpf (SPD), der damit gewählt ist, und vier Stimmen für Iris Wassill (AfD). Vier Stimmen? In der Vollversammlung entsteht sofort Unruhe, denn die AfD stellt nur drei Mitglieder im Stadtrat.

Es ist formal eine Randnotiz ohne Folgen, politisch ist es ein Tabubruch. Denn trotz der vielen inhaltlichen Streitpunkte waren alle anderen im Stadtrat vertretenen Parteien sich bisher in einem einig: dass die AfD keinen Fußbreit Unterstützung bekommt. Nun ist es zum ersten Mal passiert.

Es kann kein Versehen, kein Kreuz an der falschen Stelle gewesen sein, die Person hat den Namen der AfD-Stadträtin auf den Wahlzettel geschrieben. Wer es war, wird man nicht erfahren, sofern die Person sich nicht offenbart.

Marian Offman (SPD) läuft danach aufgebracht durch die Reihen des Sitzungssaals. Er ist aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde und eine führende Stimme gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus in der Stadt. „Jetzt haben wir einen vierten Nazi im Stadtrat“, sagt Offman, „sie kriechen aus allen Löchern.“

Sein Parteifreund, Oberbürgermeister Dieter Reiter, ist bemüht, das Thema nicht zu hoch zu hängen. Er hält die Stimme für die AfD nicht für politisch motiviert, „dafür hat es in den vergangenen vier Jahren kein Anzeichen gegeben“. Es handele sich um „einen unangemessenen Scherz“.

Manuel Pretzl, Fraktionsvorsitzender von CSU/Freie Wähler, bezeichnet den Vorfall als „völlig unerklärlich“. Sollte jemand die Stimme aus Protest abgegeben haben, wäre das verfehlt, dafür gäbe es „andere Wege“. Sebastian Weisenburger, Fraktionschef von Grünen/Rosa Liste, findet die Sache „schockierend“. Und er will sie nicht auf sich beruhen lassen. „Ich gehe davon aus, dass das noch mal Thema im Ältestenrat wird.“

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