SPD-Fraktion im Stadtrat:Ende des Abnutzungskampfes

München: SPD Rundtour zum Jugendtreffpunkt Harthof. MiloÅ° Srdić mit Christian Müller, Verena Dietl und Simone Burger.

Von Stellvertretern zur Doppelspitze: die SPD-Stadträte Verena Dietl und Christian Müller.

(Foto: Stefanie Preuin)

Nach dem überraschenden Wechsel von Fraktionschef Alexander Reissl zur CSU sehnt sich die SPD nach Ruhe und Geschlossenheit. Dafür könnten Verena Dietl und Christian Müller als Doppelspitze sorgen.

Von Heiner Effern

Die SPD trifft sich regelmäßig am Montagmorgen um neun Uhr im Rathaus, um die politische Lage zu besprechen. Fraktionschef Alexander Reissl dürfte in verblüffte bis geschockte Gesichter geblickt haben, als er den nun früheren Parteifreunden erklärte, dass er von diesem Zeitpunkt an auf der anderen Seite des Sitzungssaals Platz nehmen werde, in den Reihen der CSU. Bis zum Abend hatten die Sozialdemokraten Zeit, sich neu zu sortieren. Kommissarisch übernahmen die Fraktionsvizes Verena Dietl und Christian Müller die Verantwortung. Gut möglich, dass sich die beiden bald auch offiziell als Doppelspitze Reissls Posten teilen werden.

Allerdings hat dem Vernehmen nach auch Stadtrat Christian Vorländer Interesse bekundet, Teil eines Führungsduos zu werden.

Schon gegen Mittag teilte die SPD nach ersten Krisensitzungen mit, dass die Fraktion nächsten Montag die Entscheidung darüber treffen werde. Dietl und Müller übten sich bereits als Doppel, ihre Statements ergänzten sich. "Die SPD im Münchner Rathaus bedauert den Austritt von Alexander Reissl, der als langjähriger Vorsitzender die Politik der Fraktion mitgeprägt hat. Wir wünschen ihm persönlich alles Gute", erklärte Dietl. Einen leicht bitteren Gruß schickte sie dem Abtrünnigen aber schon hinterher. "Die Politik der Fraktion ist klar zukunftsgerichtet - diesen Weg gehen wir konsequent weiter." Viele SPD-Stadträte empfanden Reissl dabei als Hemmschuh. Müller verwies nüchtern auf Sachthemen und warb für die Sozialdemokraten. "Die Kommunalpolitik braucht gute Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft. Hier ist die SPD gut aufgestellt."

Um 14 Uhr kamen die Stadträte zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Für eine Doppelspitze spricht, dass sich die Fraktion nach Jahren des Abnutzungskampfes mit ihrem Vorsitzenden nach Ruhe und Geschlossenheit sehnt. Die wäre gefährdet, wenn sich die SPD-Stadträte jetzt auf eine Person an der Spitze festlegten, da dies als Vorentscheidung für die Zeit nach der Kommunalwahl ausgelegt werden könnte. Es soll auch Stimmen gegeben haben, die sich eine Frau als alleinige Chefin vorstellen können. Dann würde alles auf Dietl zulaufen. Eine Kampfabstimmung nur wenige Monate vor der Wahl will wohl aber kaum jemand in der SPD.

Auf diese Weise hatten Teile der Fraktion bereits zweimal versucht, Reissl an der Spitze abzulösen. Als erste Warnung, dass die Stadträte unzufrieden sind, durfte die Wahl zum Fraktionschef im Frühjahr 2016 gelten. Damals war Reissls Stellvertreter Hans Dieter Kaplan überraschend gegen ihn angetreten. Obwohl dieser nicht als Zukunftshoffnung der SPD galt, erhielt er neun von 23 Stimmen. Deutlich knapper ging es 2018 zu, als Reissl gegen Sozialsprecher Müller im ersten Wahlgang keine Mehrheit erhielt. Mancher führende Sozialdemokrat hätte es für richtig befunden, wenn Reissl daraufhin zurückgezogen hätte. Doch dies tat Müller, worauf der neue Chef der alte war.

In den vergangenen Monaten entfernten sich die Fraktion und ihr Chef weiter. Viele Stadträte machten sich für eine grüne Verkehrswende stark, die Reissl für Unfug hält. Seine Leute überstimmten ihn ein ums andere Mal, er zog sich mehr und mehr zurück. Nun kommt der Neuanfang zu Beginn der heißen Wahlkampfphase früher als gedacht, von manchen auch ersehnt. Dafür auf eine Art und Weise, auf die niemand in der Fraktion viel Geld gewettet hätte.

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