Der Moosgrund, ganz im Münchner Nordosten gelegen, wird doch kein Landschaftsschutzgebiet, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Eine Mehrheit im Stadtrat aus CSU und SPD hat das Vorhaben abgelehnt, mit dem die Verwaltung seit mehr als 30 Jahren beschäftigt ist. Die SPD will nichts entscheiden, ehe die Planungen für den neuen Stadtteil in dieser Gegend weiter gediehen sind. Die CSU wiederum schließt sich dem Widerstand von Landwirten an. Die Grünen kritisieren das Nein ebenso wie Naturschutzverbände, die langfristig eine Bebauung des Areals befürchten.
Das Gebiet im Stadtbezirk Bogenhausen, östlich von Johanneskirchen gelegen und an Aschheim und Unterföhring grenzend, hat eine Fläche von 362 Hektar und ist damit doppelt so groß wie der Nymphenburger Schlosspark. Der erste Beschluss des Stadtrats, im äußerten Nordosten des Stadtgebiets nach einem Landschaftsschutzgebiet (LSG) zu suchen, stammt aus dem Jahr 1993. Vor gut zehn Jahren begannen dann intensivere Vorbereitungen für ein solches Schutzgebiet im Moosgrund, nordöstlich des Lebermooswegs, einer ehemaligen Bahntrasse.
Das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) und Naturschutzverbände halten den Moosgrund aus diversen Gründen für schutzwürdig: Dort gibt es die für München typische Kulturlandschaft aus bäuerlichen Flächen, kleinen Bäumen und Hecken; auch seltene Feldvögel leben dort, deren Bestand in den vergangenen Jahren enorm zurückgegangen sei. Wichtig sei er zudem als Naherholungsgebiet für Menschen, und wenn der neue Stadtteil steht, werde er vermutlich noch stärker genutzt. Im neuen Stadtteil soll auch das Olympische Dorf entstehen, falls München den Zuschlag für die Spiele bekommt.
Im Rahmen der Bürgerbeteiligung wurde jedoch heftiger Widerspruch laut, insbesondere von Landwirten, denen Flächen im Moosgrund gehören. Sie befürchten negative Auswirkungen des LSG auf ihre Betriebe. Das RKU widerspricht dem zwar vehement und betont, dass normale Bebauung verhindert, nicht aber Landwirte eingeschränkt würden; es drang damit aber nicht durch.
Die CSU stellt sich ausdrücklich an die Seite der protestierenden Landwirte. Diese fühlten sich von der Stadt in beiden Planungen „übergangen“, fürs LSG und die angrenzende Stadtentwicklungsmaßnahme (SEM) Nordost für den neuen Stadtteil. Sebastian Schall, umweltpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion: „Wir möchten nicht, dass gegen den Willen der Menschen vor Ort Fakten geschaffen werden, die die Landwirtschaft im Münchner Nordosten gefährden.“ Der Stadt sei es „trotz jahrelanger Gespräche nicht gelungen“, die betroffenen Bürger zu überzeugen.
Stadtrat Jens Luther erinnert daran, dass die zwei maßgeblichen städtischen Referate unterschiedlicher Meinung seien: Das Planungsreferat hat sich gegen das Klimareferat gestellt. Man solle warten, bis die SEM-Planungen weiter fortgeschritten seien, heißt es aus dem Haus von Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Dieses Argument war entscheidend für die Abstimmung im Klimaausschuss, die SPD schloss sich ihm an: Man begrüße ein Schutzgebiet grundsätzlich, sagte Fraktionsvorsitzende Anne Hübner, aber noch nicht jetzt. Damit hat sich die grün-rote Koalition erneut entzweit.
Die grüne Fraktion bedauert das Nein zum LSG, gerade angesichts des geplanten Quartiers für rund 30 000 Menschen. Eine gesunde Stadtentwicklung brauche eine gute Balance zwischen Verdichtung und Freiflächen. „Dass die anderen großen Fraktionen diese Dringlichkeit nicht erkennen, ist eine bittere Nachricht“, sagte Fraktionschefin Mona Fuchs.
Noch deutlicher ist die Kritik der Umweltverbände. Der Bund Naturschutz (BN) hat vor der Abstimmung in einem offenen Brief ans Rathaus der CSU-Argumentation widersprochen: Im Moosgrund wäre die bisherige landwirtschaftliche Nutzung ausdrücklich gesichert. Das LSG „wäre auch ein Landwirtschaftsschutzgebiet“, sagt BN-Vorsitzender Christian Hierneis, der für die Grünen im Landtag sitzt. Das Nein zum LSG „öffnet einer großflächigen Bebauung und Versiegelung der Flächen im Moosgrund Tür und Tor.“ Er befürchte, sagt Hierneis, dass die SPD das Gebiet langfristig als potenzielles Baugebiet betrachte.
Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) kritisiert, dass mit der Entscheidung eine zukunftsfähige Stadtentwicklung „unmöglich gemacht“ werde. Diese sei auch für die Landwirtschaft kontraproduktiv, sie gerate „gegenüber Bebauungswünschen ins Hintertreffen“. Die LBV-Vorsitzende Christina Schneider erklärt: „Ein Landschaftsschutzgebiet schadet nur den Grundstücksspekulanten“ – allen anderen Bürgern nütze es, weil es Lebensgrundlagen in der stark versiegelten Stadt erhalten helfe.
Dem Vorwurf der Naturschützer, die SPD denke auch im Moosgrund vor allem ans Bauen, widerspricht SPD-Fraktionschefin Hübner auf SZ-Nachfrage: „Es soll im Moosgrund überhaupt nicht gebaut werden.“ Die SPD wolle lediglich die Option für einen möglichen Flächentausch zwischen Moosgrund und SEM-Gebiet offenhalten.
Damit stellt sich die SPD gegen die städtische Klimareferentin. Christine Kugler lässt auf SZ-Nachfrage wissen, sie und ihre Mitarbeitenden seien „traurig“ über die Entscheidung, „denn wir alle haben viel Energie und Fachwissen“ in eine für alle möglichst verträgliche Lösung am Moosgrund gesteckt. „Auch für die Natur und ihre besondere Artenvielfalt am Moosgrund ist es ein enttäuschendes Ergebnis.“