Stadtrat:München gibt 256 Millionen Euro für Beraterverträge aus

Oberbürgermeister Dieter Reiter im Münchner Stadtrat

Guter Rat ist teuer: Oberbürgermeister Dieter Reiter, hier mit der Dritten Bürgermeisterin Christine Strobl, bei einer Vollversammlung des Münchner Stadtrats.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Bei den Kosten für externe Gutachten sei es zu einer "bemerkenswerten Zunahme" gekommen, räumt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ein.
  • Stadtrat André Wächter (Bayernpartei) sieht Personalengpässe in der Verwaltung als Grund. Externe Berater seien nicht nur teurer als eigene Mitarbeiter, mit ihnen lasse sich auch kein eigenes Know-how aufbauen.
  • Der OB widerspricht, der Stadtrat könnte die Zahl der Gutachten senken, wenn er nur "mehr Vertrauen in die Kompetenz der Verwaltung" hätte.

Von Dominik Hutter

Das Münchner Rathaus hat in den vergangenen fünf Jahren für 256 Millionen Euro externe Berater beauftragt. Weitere Consulting-Aufträge für mindestens vier Millionen Euro befinden sich für 2019 und 2020 in der Pipeline. Das geht aus der Antwort der Stadtspitze auf eine Anfrage der Bayernpartei hervor. Eine "bemerkenswerte Zunahme" sei das, räumt selbst Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ein, der Gutachten persönlich nur mäßig schätzt. Eine externe Untersuchung helfe dem Stadtrat "nicht zwangsläufig weiter", da oft ein "ja-so-vielleicht-anders" herauskomme. Oder das Papier diene dazu, eine schon bekannte Haltung zu untermauern. Dennoch sei in manchen Fällen externer Sachverstand unvermeidbar.

Zwar sind in der Statistik aus dem Rathaus aus vergaberechtlichen Gründen keine Details zu den einzelnen Gutachten aufgeführt. Man kann aber deutlich herauslesen, dass vor allem die oft gescholtene städtische IT für hohe Kosten in diesem Bereich sorgt. Von 2015 bis einschließlich 2017 war das Direktorium, zu dem damals noch die IT gehörte, mit fast 140 Millionen Euro der einsame Spitzenreiter unter den städtischen Referaten.

Mit Gründung des IT-Referats 2018 ging die Zahl der Gutachten im Direktorium frappant zurück, während die neue städtische Computerbehörde Beraterkosten in Höhe von gut 72 Millionen Euro anhäufte. Es folgen: das Bau- und das Kreisverwaltungsreferat (7,3 beziehungsweise 7,75 Millionen von 2015 bis 2019). Oberhalb der Fünf-Millionen-Marke liegen auch noch das Referat für Gesundheit und Umwelt sowie die Kämmerei. Am sparsamsten waren das Personalreferat (711 000 Euro) und das Kulturreferat (487).

"Wir halten das für deutlich zu hoch", ärgert sich Stadtrat Andre Wächter von der Bayernpartei. Es müsse nun das Ziel sein, diese Ausgaben deutlich zu reduzieren. Externe Berater seien nicht nur teurer als eigene Mitarbeiter - mit ihnen lasse sich auch kein eigenes Know-how aufbauen. Wächter fordert, eventuelle Personalengpässe in der Verwaltung schnellstmöglich zu schließen. Es gehe nicht an, dass die Referate ständig neue Stellen fordern, während Tausende offene Stellen nicht besetzt seien. Wächter geht davon aus, dass die tatsächlichen Kosten für Consultingfirmen noch höher sind, da ja auch städtische Töchter wie die Stadtwerke derartige Leistungen ausschrieben.

Das Thema externe Berater hat in den vergangenen Monaten bereits auf der Bundesebene für Wirbel gesorgt. Im März etwa kam durch eine Anfrage der Linken heraus, dass bei der Bundesregierung aktuell 903 Verträge für "Beratungs- und Unterstützungsleistungen" liefen - mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro. Dahinter könne sich München mit seinen 256 Millionen Euro nicht unbedingt verstecken, findet die Bayernpartei. Fragwürdig sei etwa ein Auftrag des Kreisverwaltungsreferats, für sieben Millionen Euro mit Unterstützung von Beratern ein Projekt zum Laufen zu bringen, das die Mobilität von Familien erhöht ("Go! Family"). So etwas müsse in den Ohren von Steuerzahlern wie Hohn klingen, findet Wächter.

Legendär ist die Flut an Studien zum S-Bahn-Ausbau

Oberbürgermeister Reiter verweist allerdings darauf, dass es meist der Stadtrat selbst ist, der ein Gutachten will - "weil er seiner Verwaltung nicht zu 100 Prozent glaubt". Ohnehin dürften die Referate Moderationen, Beratungsleistungen und bestimmte Gutachten ab einer Grenze von 100 000 Euro (bis 2018: 50 000 Euro) nur dann in Auftrag geben, wenn der Stadtrat dem zugestimmt habe. Bei Aufträgen oberhalb der 15 000-Euro-Marke (bis 2018: 5000) müsse der Stadtrat zumindest informiert werden. Die Zahl der Gutachten könne der Stadtrat also selbst reduzieren, "indem er mehr Vertrauen in die Kompetenz der Verwaltung hat".

Ein Beispiel dafür sei das TÜV-Gutachten zur Stilllegung des Kohleblocks im Münchner Norden. Es sei in Auftrag gegeben worden, weil das Vertrauen in die Verwaltung gefehlt habe - tatsächlich lagen ja bereits Expertisen vor, an denen das Wirtschaftsreferat, die Stadtwerke und auch das Öko-Institut beteiligt waren. "Da hätte der Stadtrat auch noch drei weitere in Auftrag gegeben, wenn es nicht zu einer Entscheidung gekommen wäre", mutmaßt Reiter.

Politik über Gutachten und Gegengutachten ist vor allem bei langjährigen Debatten nicht unüblich. Legendär wurde, allerdings auf der Landesebene, die Flut an Studien zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke, die das Projekt wahlweise für sehr wichtig oder komplett sinnlos erklärten.

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