Süddeutsche Zeitung

Kritik und Vorschau:Der Mensch im Arbeiter

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Ozan Ata Canani und "Karaba" eröffnen die "Clubbühnen"-Reihe im Innenhof des Münchner Stadtmuseums.

Von Jürgen Moises, München

Sein erstes deutschsprachiges Lied? Das hat Ata Canani vor 43 Jahren geschrieben. Damals war der türkischstämmige Sänger 15 Jahre alt und seit drei Jahren in Deutschland. Inspiriert dazu hatte ihn ein bereits Mitte der Sechziger geprägter, recht bekannt gewordener Satz des Schweizer Schriftstellers Max Frisch, den der Sohn eines anatolischen Gastarbeiters auf der Titelseite des IG-Metall-Magazins las: "Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen." Ob Frisch wusste, dass er in einem Lied von Ata Canani vorkommt? Vielleicht wenn er auf einer der türkischen Hochzeiten war, auf denen der Musiker damals mit seiner Saz, einer türkischen Langhalslaute, gespielt hat. Oder wenn er zufällig die Sendung " Bios Bahnhof" gesehen hat, in der Canani einmal auftrat. Auf Schallplatte hat er das Lied sicherlich nicht gehört. Denn das Debütalbum von Ozan Ata Canani "Warte mein Land, warte" ist erst im vergangenen Mai erschienen.

Die Musik Cananis wurde vom Münchner Label Trikont wiederentdeckt

Im Innenhof des Münchner Stadtmuseums stellte der in Leverkusen lebende Musiker das Album nun vor. Und zwar als Auftakt der Reihe " Clubbühne", die eine Woche lang von Münchner Veranstaltern wie Club2, Heppel & Ettlich oder Rote Sonne bespielt wird. In den nächsten Tagen treten dort die Düsseldorf Düsterboys (27.8.), Laura Lee & The Jettes (28.8.), das Andrea Hermenau Quartett (29.8.), Karl Hector & The Malcouns (30.8.) sowie Ducks on Drugs (31.8.) auf. Mit der Münchner Musiklandschaft ist auch Ata Canani eng verbunden. Denn wiederentdeckt wurde er durch den vor sieben Jahren erschienenen Trikont-Sampler " Songs Of Gastarbeiter", auf dem "Deutsche Freunde" zu hören ist. Und live auf der Bühne wird er von der Münchner Krautrocktruppe Karaba unterstützt.

Die gibt dem zwischen Wehmut und Lebensfreude schwankenden Anadolu-Rock von Ata Canani ein solides Fundament. Canani selbst spielt die elektrisch verstärkte, leicht verzerrte Saz. Er macht das mit den für die traditionelle türkische Musik typischen Verzierungen, die in seinem an Melismen reichen Baritongesang ihr Äquivalent finden. Die zugehörigen Texte singt Canani auf Deutsch und Türkisch. Sehnsüchtige Balladen wie "Warte mein Land, warte" oder "Maraşlim", die von Heimweh erzählen. Oder kritische Politsongs wie das flotte "Import/Export" über deutschen Waffenhandel und "Deutsche Freunde". Womit übrigens deutsche Politiker gemeint sind, welche die Gastarbeiter früher gerne mal mit "meine türkischen Freunde" ansprachen.

In "Stell Dir einmal vor" schildert Canani eindringlich die Einsamkeit von in Deutschland lebenden Migranten. Und er macht das auch in den Geschichten, die er zwischen den Liedern erzählt. Tatsächlich war Canani einer der ersten, die über dieses Thema sangen, von dem parallel Schriftsteller wie Aras Ören erzählten. Dass er erst jetzt, rund 40 Jahre später damit Anklang findet, ist bezeichnend. Aber es weckt auch Hoffnung, die ebenfalls in seinen Liedern steckt. Etwa in "Alle Menschen dieser Erde", das Canani zu Beginn und dann nochmal als herbei gejubelte Zugabe spielt. Sätze darin wie "Sei ein Freund, dann hast Du Freunde" mögen etwas naiv klingen. Aber den Glauben daran hat Ata Canani nie verloren.

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