Hunderte neue Wohnungen in bester Münchner Innenstadtlage nahe der Isar, noch dazu mit bezahlbaren Mieten, weil sie auf städtischem Grund entstehen – das klingt auf Anhieb wie ein schöner, aber eher realitätsferner Traum. Tatsächlich gibt es diesen Plan in der Stadt, und zwar für das Viehhof-Gelände in der Ludwigsvorstadt. Und was soll eigentlich aus dem direkt angrenzenden Schlachthof-Gelände werden? Lässt sich das nicht gemeinsam als ein noch größeres Stadtquartier planen, vielleicht sogar noch erweitert um das Großmarkt-Areal auf der anderen Seite der Bahngleise?
Grundsätzlich ja, aber es wird noch eine Weile dauern. So lautet in Kurzform die Einschätzung von Kommunalreferentin Jacqueline Charlier. Sie stellt die aktuelle Lage, die noch bestehenden Verpflichtungen und ein mögliches weiteres Vorgehen in einer Beschlussvorlage für den Stadtrat dar, die auf der Tagesordnung für die Sitzung des Kommunalausschusses in der kommenden Woche steht.
Bereits 2019 hatte das Planungsreferat einen Masterplan für den Viehhof vorgestellt, der zwischen Thalkirchner Straße, Zenettistraße, Tumblingerstraße und den Bahngleisen liegt. Das Ergebnis: Neben dem neuen Volkstheater seien dort der Bau von etwa 600 Wohnungen mit insgesamt 56 700 Quadratmetern Geschossfläche denkbar, plus 18 300 Quadratmeter Gewerbeflächen. An diesen Stand knüpft die aktuelle Vorlage an.
Darin schildert Kommunalreferentin Charlier, dass eine schnelle Entwicklung nicht realistisch sei, weil es noch 50 Nutzungsverträge für das Viehhof-Areal gibt. Die meisten seien mit Unternehmen geschlossen, die mit dem Schlachthof in Verbindung stehen. „Es handelt sich um ein sensibles Firmengeflecht“, schreibt Charlier, in dem es viele Abhängigkeiten untereinander gebe. „Eine übereilte Freimachung“ würde die Existenz dieser Betriebe gefährden. Ebenfalls auf dem Areal untergebracht ist das Kulturzentrum „Bahnwärter Thiel“, derzeit als bis 2027 befristete Zwischennutzung.
Die langfristige Zukunft des Schlachthofs wiederum ist ungewiss, da der Betrieb für die Schweineschlachtung im vergangenen Jahr in die Insolvenz gegangen ist und den Betrieb eingestellt hat. Für die Rinderschlachtung wiederum läuft der Pachtvertrag noch bis 2040.
Wegen dieser Gemengelage schlägt Charlier vor, dass die Verträge für den Viehhof analog zum Schlachthof „grundsätzlich bis 2040 verlängert“ werden könnten, da eine Entwicklung vorher ohnehin unrealistisch wäre. Dann aber, so das Kalkül, hätte die Stadt freie Bahn für die gemeinsame Neuentwicklung von Vieh- und Schlachthof.
Wohnungen statt Gewerbe:Eine Stadt ohne Schlachtplan
Seit in der Isarvorstadt keine Schweine mehr getötet werden, lebt die Frage wieder auf: Gehört ein Schlachthof in die Münchner Innenstadt? Und was passiert mit dem Viertel, wenn es nicht mehr lärmt und stinkt?
Parallel zur Stadtverwaltung hat die CSU einen eigenen Debattenbeitrag erarbeitet, der ebenfalls vom Zeithorizont 2040 ausgeht. Die Stadt solle den Schlachthof von 2040 dann in der Nachbarschaft des neuen Großmarkts ansiedeln, der nach derzeitiger Planung 2030 an der Schäftlarnstraße seinen Betrieb aufnehmen soll.
Dieser neue Großmarkt soll deutlich weniger Grundfläche beanspruchen als der derzeit über ein riesiges Areal verstreute Betrieb. Somit wäre dort noch Platz für einen Schlachthof-Neubau, schreiben die CSU-Stadträte Alexander Reissl und Matthias Stadler in einem bislang nicht veröffentlichten Antrag an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). So könne ein „Lebensmittelzentrum“ entstehen, „das europaweit beispielhaft für die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln“ sei, zugleich würde so die „Tradition des Münchner Schlacht- und Viehhofs“ in der Nachbarschaft weiterleben. Das sei auch im Interesse der Münchner Metzgereibetriebe.
Dieser Vorschlag ist allerdings davon abhängig, dass es mit dem geplanten Neubau des Großmarkts klappt. Diesen soll ein privater Investor im Auftrag der Stadt errichten und betreiben. Bisher sind aber viele Fragen ungeklärt, etwa ob Stadt und Investor sich auf einen Erbbauzins einigen und ob der Investor Mietverträge anbietet, die bei den Händlern auf Akzeptanz stoßen. Noch im Herbst möchte das Kommunalreferat dem Stadtrat ein Finanzierungskonzept vorlegen.
Auch beim Viehhof bleibt in dem Beschlussvorschlag für den Betrieb bis 2040 eines offen: ob und wie es mit dem Bahnwärter Thiel über 2027 hinaus weitergeht. „Bei einer längerfristigen Nutzung“ seien aus juristischen Gründen „bauliche Maßnahmen“ nötig. In anderen Worten: Bei einer Zwischennutzung lässt sich hier und da ein Auge zudrücken, auf Dauer geht das aber nicht. Aus dem Rathaus ist zu hören, bisher habe es noch keine konkreten Gespräche darüber gegeben, ob und wie der Betrieb des Bahnwärter Thiel weitergeführt werden könne.