Vorweg eine Trigger-Warnung: Dieser Text kann Spuren von Früher-war-alles-besser-Nostalgie enthalten. Ist blöd, schon klar, aber manchmal geht’s halt nicht anders. Vor allem, wenn es um so klassische Tränendrücker-Themen wie das Abschiednehmen geht. Denn nur wenige Tage nach dem frisch verendeten Untergiesinger Klassiker „Lucullus“ muss nun die nächste Gastro-Institution die Segel streichen: das „Stadtcafé“ am Sankt-Jakobs-Platz.
„Nach 36 bewegten und bewegenden Jahren am Sankt-Jakobs-Platz schließt das Stadtcafé seine Pforten“, schreibt Geschäftsführer Otto-Gerhard Knoller-Weber in einer Pressemitteilung und klärt gleich in Absatz zwei die Warum-Frage: „Die seit Längerem angespannte wirtschaftliche Lage und lahmende Konjunktur, die Schließung des Stadtmuseums im Januar, die seit dem Frühjahr stark beeinträchtigende Baustelle und der Verlust der Terrasse im Innenhof haben uns nach der nur mit großen Anstrengungen überstandenen Corona-Krise in die Knie gezwungen.“ Trotz verschiedener Maßnahmen, die man ergriffen habe, um die Situation zu meistern, sei es nun nicht möglich, weiterzumachen.
Samstag war der letzte Tag, am Sonntag musste allen 16 Angestellten mit sofortiger Wirkung gekündigt werden, „um nicht noch mehr Miese zu machen“, erklärt der Geschäftsführer. Pardauz.
‚Ein Café mehr oder weniger in der Stadt - was macht das denn für einen Unterschied?‘, könnten Zyniker fragen. Nun, das Stadtcafé hat schon einen Unterschied gemacht, gerade für gar nicht mal so wenige Redakteure dieser Zeitung. Ziemlich genau 20 Jahre lang dackelte so mancher SZler nach Redaktionsschluss mit schöner Regelmäßigkeit wie ferngesteuert über die Sendlinger Straße, runter zum Sankt-Jakobs-Platz und direkt an die Theke oder ins rote Fauteuil: We call it a Feierabendbier.
Es soll auch Abende gegeben haben, an denen es nicht bei einem geblieben ist, nicht wahr Stefan, Franz, Charly? War ja auch sehr fein da: kühle Getränke, mitunter heiße Diskussionen und nach Filmemachern benannte Gerichte. Intellektuellencafé halt. Ein paar Treppenstufen tiefer: große, garantiert Blockbuster-freie Kinokunst. Im Sommer saß man im Innenhof, nicht ohne vorher die Kuchenvitrine gescannt zu haben. Vorbei. Hach.
Das einst als Museumscafé gegründete Unternehmen war schon länger im Sinkflug: Corona, die Konjunktur und dann auch noch die jahrelange Baustelle. Im Sommer verlor man zudem entgegen der Absprache den Innenhof, da der Baustellenkran aus Sicherheitsgründen nicht auf dem Sankt-Jakobs-Platz über der Synagoge schweben durfte und somit im Innenhof aufgestellt wurde.
Von 50 Prozent Umsatzeinbußen gegenüber dem Vorjahr berichtet Knoller-Weber. Seit 1991 sei er hier Gast gewesen, habe einst als Spüler angefangen, sich zum Betriebsleiter hoch geschuftet, vor sechs Jahren den Geschäftsführer-Job übernommen, um nun die Insolvenz abwickeln zu müssen. Wie es weitergeht? „Möglich, dass das jemand als Pop-up-Betrieb übernimmt“, sagt Knoller-Weber, mehr wisse er auch nicht, nur das hier: „Eine Ära ist zu Ende gegangen. Wir werden an diesen besonderen, einzigartigen Ort und die Menschen, die ihn mit Leben erfüllt haben, stets mit Freude, Dankbarkeit und Wehmut zurückdenken.“ Kein Widerspruch, nirgends.