Das „Stadion an der Schleißheimer Straße“ ist gerettet – zumindest vorerst. Der legendären Fußballkneipe drohte eine Beschränkung der Konzession auf 22 Uhr, der vorzeitige Abpfiff sozusagen, was für eine Wirtschaft, deren Kerngeschäft die abendliche Übertragung von Sportereignissen ist, wohl ähnlich vernichtend wäre wie ein Bier-Ausschankverbot samt Currywurst-Bann. Eine Miet-Partei des Hauses an der Schleißheimer Straße 82 hatte sich den Wirten zufolge über den Lärm im Lokal beschwert, das Kreisverwaltungsreferat wurde eingeschaltet. Man sei „extremst in Gefahr“ hatte Wirt Holger Britzius vor einigen Wochen gewarnt. Doch nun konnte man sich offenbar auf einen Kompromiss einigen.
Kurz zusammengefasst lautet der: Die beiden Wirte Britzius und Michael Jachan sorgen dafür, dass in Zukunft leiser gejubelt wird, und sie sperren früher zu. Man habe sich mit Vermieter und Mietern zusammengesetzt und sich auf eine Reihe freiwilliger Maßnahmen verständigt, berichtet Britzius: Der Schankschluss wird auf 23.15 Uhr vorverlegt, um 23.45 Uhr müssen alle Gäste das Lokal verlassen haben und von Mitternacht an gilt Nachtruhe. Das Fachsimpeln nach den Spielen muss in andere Kneipen verlegt werden, vor dem „Stadion“ muss Ruhe herrschen. Zusätzlich soll im Frühjahr eine neue, besser isolierte Eingangstür installiert werden und man habe schon jetzt Filzgleiter unter die Möbel geklebt. Außerdem sollen Kneipenbesucher die Lautstärke ein wenig zurückdrehen, „massive Grölung“ und „Tischedresche“ sollen künftig ausbleiben, schreiben die Wirte auf ihrer Internetseite.

Beim Fußballschauen kann es schon mal laut werden – das ist nichts Neues. Das „Stadion an der Schleißheimer Straße“ residiert seit knapp 20 Jahren an dieser Adresse. Hier wird Fußball gefeiert, gelitten und gelebt. Schals, Wimpel und gerahmte Trikots von Lautern bis Leeds, von Nürnberg bis Napoli bedecken beinahe jeden Quadratzentimeter der Wände. In der Kneipe werden aber nicht nur Fernsehübertragung von Spielen auf mehreren Bildschirmen gezeigt – einer davon hängt sogar im Flur zur Toilette –, dort finden auch Filmabende und Podiumsdiskussion statt, Seminare, Buchvorstellungen und Fußballquizze mit dem Kommentator Uwe Morawe.
Schon oft haben TV-Teams ihre Kameras unter der Kunstrasendecke aufgebaut, um die einzigartige Atmosphäre dort einzufangen. An Spieltagen treffen Anhänger aller Vereine friedlich aufeinander, egal ob Zweite Liga (Britzius selbst ist Karlsruhe-Fan) oder Premier League. Lothar Matthäus war schon hier und Felix Magath, Mats Hummels und Oliver Kahn, Matthias Sammer und Mario Götze. Wenn eine Kneipe die Bezeichnung „Institution“ verdient, dann diese.
Der Ärger begann, als vor etwa zwei Jahren eine Wohnung im Haus der Kneipe neu vermietet wurde. Plötzlich waren Torjubel und Stühlerücken zu laut, das Kreisverwaltungsreferat wurde involviert. Auf Anfrage hält sich die Behörde bedeckt, man könne „zum konkreten Einzelfall keine Auskunft“ geben, teilt eine Sprecherin mit. Lärmbeschwerden gehe man grundsätzlich nach. Eine offizielle Lärmmessung durch das Referat für Umwelt- und Klimaschutz soll ein Überschreiten der zulässigen Grenzwerte festgestellt haben, konkret bestätigen will die Sprecherin das allerdings nicht.
Prinzipiell gilt: Einigen sich Gewerbetreibende und Beschwerdeführer untereinander, dann muss die Behörde auch nicht einschreiten. Genau das ist jetzt offenbar geschehen. „Die Beschwerde wurde seitens der Betroffenen zunächst auf Eis gelegt, das Verfahren damit von der Behörde gestoppt“, berichten die beiden Wirte. Britzius spricht von einer „Testphase“: Hält man die freiwilligen Auflagen nicht ein, könne das Verfahren jederzeit wieder aufgenommen werden – „und dann ist der Ofen wohl final aus“.
Um überleben zu können, wird das „Stadion“ künftig also früher für Ruhe sorgen. Den Super Bowl am 9. Februar werde man aufgrund der früheren Nachtruhe dieses Jahr leider nicht zeigen. Bei K.-o.-Spielen der Champions League könnte es bei Verlängerung und Elfmeterschießen allerdings eng werden mit dem neuen Schankschluss. „Schön ist das nicht“, schreiben die Wirte auf ihrer Internetseite, „aber leider nötig.“