Von Januar an immer freitags offenes HausStaatsoper öffnet Prunksäle tagsüber zum Verweilen

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Bald soll hier jedermann verweilen können: Der Königssaal des Nationaltheaters wird vom nächsten Jahr an freitags tagsüber geöffnet sein. Bei freiem Eintritt, und ausgestattet mit Sitzmöglichkeiten.
Bald soll hier jedermann verweilen können: Der Königssaal des Nationaltheaters wird vom nächsten Jahr an freitags tagsüber geöffnet sein. Bei freiem Eintritt, und ausgestattet mit Sitzmöglichkeiten. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Staatsoper und drei weitere Münchner Kulturinstitutionen verfolgen ein gemeinsames Projekt. Sie wollen mehr soziale Teilhabe ermöglichen und künftig als „Dritte Orte“ fungieren.

Von Susanne Hermanski

Der Königssaal des Bayerischen Nationaltheaters trägt nicht nur einen majestätischen Namen. Mit seinen prunkvollen Lüstern, den goldverzierten Stuckaturen, den gewaltigen Spiegeln und seinem auf Hochglanz polierten, kunstvoll verlegten Holzparkett ist er eine seltene Pracht. Bald soll unter diesem Lüster jedermann verweilen können. Ganz, ohne dass er zuvor eine Karte für eine Opernaufführung etwa mit Jonas Kaufmann oder Anna Netrebko gekauft haben muss. Sondern einfach so. Um in Ruhe zu lesen, zu arbeiten, andere Leute zu treffen oder sich ein wenig auszuruhen vom emsigen Treiben in der Stadt.

Mehr noch: Von Januar 2026 an wird fast das gesamte Vorderhaus der Münchner Oper an einem Tag der Woche frei zugänglich sein. Neben dem Königssaal gehören dazu auch die nicht weniger eindrucksvollen beiden Ionischen Säle sowie die elegante Rheingoldbar.

Jeden Freitag sollen sie dann von 11 bis 16  Uhr geöffnet sein. Das Projekt läuft unter dem Namen „Apollon Foyers“. Der ist angelehnt an die „Apollon Stufenbar“, die in den vergangenen Jahren zur Festspielzeit bereits Passanten wie Opernbesucher auf die Treppe vor das prominent mitten im Herzen Münchens gelegene Haus lockte; zu Getränken und gelegentlichen DJ-Sets.

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„Kein anderes Opernhaus in dieser Größenordnung weltweit hat etwas Ähnliches zu bieten“, sagt ein Sprecher der Oper. Es gebe allerdings einige, die derzeit über ähnliche Initiativen nachdenken; etwa die Berliner Staatsoper unter den Linden und das Nürnberger Staatstheater als Vierspartenhaus.

Damit das Nationaltheater, in dem die Bayerische Staatsoper ebenso beheimatet ist wie das Bayerische Staatsballett, entsprechend genutzt werden kann, „bedarf es kleinerer baulicher Veränderungen“. So muss etwa der Zugang zu den Toiletten von der Rheingoldbar aus umgestaltet werden. Kostenintensiver ist auf die Dauer aber das zusätzliche Personal, das gebraucht wird, um das Haus entsprechend öffnen zu können.

Zur Finanzierung trägt wesentlich die Beisheim-Stiftung bei. Max Wagner, der bis 2023 Geschäftsführer des städtischen Kulturzentrums Gasteig war, leitet sie. Die Stiftung gibt ihr Geld zudem für eine größere Initiative, zu der sich neben der Bayerischen Staatsoper noch drei weitere Münchner Kulturinstitutionen zusammengefunden haben: die Schauburg – Theater für junges Publikum, das Haus der Kunst und die Pinakothek der Moderne. An diesem Dienstagnachmittag präsentieren sie ihre Pläne erstmals der Öffentlichkeit.

Die vier Institutionen streben zunehmend einen Wandel hin zum „Dritten Ort“ an. Dies sollen Orte des sozialen Miteinanders, der Teilhabe und der kulturellen Begegnung jenseits klassischer Veranstaltungsformate sein. Das Konzept der „Dritten Orte“ stammt ursprünglich von dem amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg. Ihm zufolge ist der „Erste Ort“ das Zuhause oder die eigene Wohnung, der „zweite Ort“ die Arbeits- oder Studienstätte, wie ein Büro, eine Fabrik oder Universität.

Ein Dritter Ort namens Flux: So soll er nach Vorstellung von Künstlerin Morag Myerscough bald neben der Pinakothek der Moderne aussehen.
Ein Dritter Ort namens Flux: So soll er nach Vorstellung von Künstlerin Morag Myerscough bald neben der Pinakothek der Moderne aussehen. (Foto: Morag Myerscough)

Den „Dritten Ort“ definiert Oldenburg als einen „neutralen öffentlichen Treffpunkt, an dem Menschen freiwillig zusammenkommen“. Bibliotheken, Cafés, Parks gehören dazu. „In einer Stadt wie München, wo viele Menschen auf engem Raum leben, nicht selten beengt in kleinen Wohnungen, ist der Bedarf an diesen Dritten Orten besonders hoch.“ Davon ist Max Wagner überzeugt. „Dafür ist es wichtig, dass sie ohne Eintritt und ohne den Zwang, etwas zu konsumieren, zugänglich sind“, sagt er.

Wagner und seine Mitstreiter wollen vorhandene Kulturinstitutionen entsprechend weiterentwickeln. Wie die Münchner Oper sind viele an zentralen Plätzen gelegen und verkehrstechnisch ohnehin ideal angebunden. Sie sind von öffentlicher Hand finanziert und waren in der Vergangenheit trotzdem nur zeitweise – etwa abends zu bestimmten Vorstellungen – zugänglich. Manche Bevölkerungsgruppen kämpfen dennoch immer noch mit einer gewissen Schwellenangst, sie überhaupt zu betreten. Auch das soll sich dringend ändern.

Nicht zuletzt, weil ihr Erhalt für Staat und Steuerzahler kostspielig ist. In ganz Deutschland stehen in den nächsten Jahren unzählige Kulturbauten und Denkmäler zur Sanierung an. Genaue Zahlen gibt es nicht. Aber allein in Bayern zählte die Landtagsopposition 2022 einmal 54 Bauprojekte des Freistaats im Kulturbereich und 39 bei den Schlössern und Seen, die dringend saniert werden müssen.

Max Wagner in der Halle E, die er zum Foyer der Isarphilharmonie umfunktionieren ließ, damit der Gasteig während der Generalsanierung ein Ausweichquartier hat. Heute findet dort viel soziokulturelles Programm statt.
Max Wagner in der Halle E, die er zum Foyer der Isarphilharmonie umfunktionieren ließ, damit der Gasteig während der Generalsanierung ein Ausweichquartier hat. Heute findet dort viel soziokulturelles Programm statt. (Foto: Robert Haas)

Auch der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer forderte erst am vergangenen Wochenende eine „Kulturbauten-Offensive“ nach seinem Besuch bei der Architektur-Biennale in Venedig. „Die Kultur-Infrastruktur in Deutschland braucht Stärkung. Damit unterstützen wir die Kultur- und Kreativwirtschaft als Innovationstreiber“, sagte er. In Bayern fließen Bundesgelder etwa der Sanierung des Festspielhauses von Richard Wagner in Bayreuth zu.

Auch Weimer ist überzeugt, „Kulturbauten fördern den gesellschaftlichen Zusammenhalt, da sie Anregung und Begegnung möglich machen“, wenngleich der Kulturstaatsminister einen anderen Schwerpunkt setzt. „Kulturbauten gehören zu unserer Identität als Kulturnation“, sagt er, „im internationalen Kontext sollten wir unsere kulturellen Leuchttürme noch heller strahlen lassen“.

Die Bayerische Staatsoper ist ein solcher kultureller Leuchtturm. Auch sie wird in einigen Jahren für eine Generalsanierung geschlossen. Die „Apollon Foyers“ und alles, was die Oper für diese erst noch an speziellen Programmen entwickeln will, gelten damit auch als Testlauf für die „Oper der Zukunft“.

An tragfähigen Konzepten für die „Museen der Zukunft“ arbeiten unterdessen die Pinakothek der Moderne und das Haus der Kunst. Einiges davon ist dort bereits sichtbar. Im Süden des Pinakothek-Gebäudes ist der Aufbau einer begehbaren Installation namens „Flux“ im Gange. Schon im Juni soll das farbenfrohe Architekturobjekt eingeweiht werden.

Flux soll ein „Wohlfühlort ohne Konsumzwang“ sein, ein Aufenthaltsort mit Raum für Kultur, Spiel und Teilhabe. Der temporäre Bau wird an das bisherige Café andocken. Dort war früher einmal der zweite Bauabschnitt der Pinakothek der Moderne geplant, mit Räumen für die Graphische Sammlung.

Stattdessen werden dort nun verschiedene, von der britischen Künstlerin Morag Meyerscough entworfene, farbenfrohe Bauten entstehen. Darunter eine Art Bühne für Konzerte, Lesungen und Diskussionen. Flux soll auch unabhängig von den Öffnungszeiten des Museums funktionieren – und das sieben Tage die Woche von morgens bis spätabends.

Das Haus der Kunst hat unter seinem künstlerischen Direktor Andrea Lissoni den Weg zum „Dritten Ort“ längst eingeschlagen. Viele Ausstellungsformate zielen auf den Dialog mit dem Publikum. Workshops, Partys und Aktionen ergänzen dies. Historisch gesehen war das Haus bereits von Hitlers Architekten als ein Hybrid aus Kunst- und Ausflugsstätte konzipiert. In der Nachkriegszeit haben dann Künstlerfeste zu seiner Programm-Finanzierung beigetragen, und es beherbergt mit dem Club P1 eine eigene Ikone der Popkultur.

Lissoni und sein Kuratoren-Team haben es sich mittlerweile zur Aufgabe gemacht, bei der  – nicht nur künstlerischen – Erforschung des digitalen Wandels eine führende Rolle einzunehmen. Sie wollen den Menschen helfen, die zunehmend digitalisierte Welt besser zu verstehen. Jeden letzten Freitag im Monat, von 16 bis 22 Uhr, sind alle Ausstellungen im Haus kostenlos zu sehen und Programme wie das „Open Atelier“ ohne vorherige Anmeldung zugänglich.

Die vierte Institution im Bunde, das neue „Schauburg Labor“, ist im ehemaligen „Festspielhaus“ in Ramersdorf angesiedelt. Dort können Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene selbst aktiv werden und das Programm nach eigenen Ideen mitgestalten. Was sie sich für diesen Dritten Ort neben Theater und Tanz noch ausdenken, wird bald sichtbar sein.

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