Pasing:Regenbogenfahne vor Kirche entfernt

Stefan Schori, Diakon von St. Leonhard Pasing, und Gemeindemitglied Wolfgang Mergard

Für die Rechte Homosexueller: Diakon Stefan Schori (links) und Gemeindemitglied Wolfgang Mergard.

(Foto: privat)

Unbekannte haben auf dem Kirchplatz von St. Leonhard die Flagge vom Mast geschnitten. Dass das LGBTQ-Symbol dort überhaupt hing, zeigt, wie sehr es viele Katholiken aufbringt, dass der Vatikan den Segen für gleichgeschlechtliche Paare verboten hat.

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Das Seil wurde glatt durchgetrennt, mit einem Messer oder einer gut geschliffenen Schere. Irgendwann am Donnerstag, 6. Mai, in den Abendstunden muss jemand vorbeigekommen sein am Kirchplatz von St. Leonhard, dort ist er dann zielgerichtet vorgegangen. Ein schneller Schnitt, und die Regenbogenfahne sackte nach unten. "Um 20.10 Uhr hing sie noch", erzählt Wolfgang Mergard, als man ihn am Ort des Geschehens trifft. Er hatte an dem Abend Schließdienst in der Kirche im Pasinger Norden. Ehe er ging, blickte er noch einmal hinüber zum Mast mit der zwei Meter langen Fahne. "Ich hatte mich noch so gefreut, dass wir es geschafft hatten, sie vor dem Wochenende zu hängen." Zuletzt gesehen wurde die Fahne von der Reinigungskraft der Pfarrgemeinde, die vis-à-vis vom Kirchplatz wohnt und gegen 21.10 Uhr auf den Balkon trat. Wenig später war sie verschwunden.

"Ich bin nicht wirklich überrascht", sagt Stefan Schori, der Diakon der Pfarrgemeinde. Er wohnt mit seiner Familie im Pfarrhaus an der Ostseite des Kirchplatzes, hat aber vom Diebstahl nichts bemerkt. Schori und Mergard blicken nachdenklich hoch zur leeren Fahnenstange. Dann sagt der Diakon ziemlich bestimmt: "Sobald wir wieder eine haben, wird sie aufgehängt." Aktuell scheint es Lieferschwierigkeiten zu geben, was repräsentable Regenbogenfahnen angeht. Schon auf das nun gestohlene Exemplar hatte man in St. Leonhard einige Zeit warten müssen. Ob das daran liegt, dass sich in ganz Deutschland Pfarreien, Ordenshäuser, aber auch Verbände für jedermann sichtbar mit diesem Symbol der weltweiten LGBTIQ-Bewegung gegen eine Verlautbarung der vatikanischen Kurie positionieren? Rom hatte Mitte März klargestellt: Die Benediktion, also den Segen auch für homosexuelle Paare, habe es in katholischen Kirchen nicht zu geben, das Sakrament der Ehe bleibe für sie tabu. Im Dekret war von einer "gerechten Diskriminierung" die Rede, weil derlei Verbindungen nicht dem Schöpfungsplan Gottes entsprächen.

Diakon Schori hatte zu diesem Dekret schon in den vergangenen Wochen immer wieder in seinen Predigten Stellung bezogen. Es habe, sagt er, negative Rückmeldungen gegeben, aber auch positive von Menschen, bei denen er das eigentlich nicht erwartet hätte. Schori scheint beliebt zu sein in der Gemeinde, immer wieder muss er an diesem Vormittag das Gespräch unterbrechen, weil ihm und Mergard jemand ein "Guten Morgen!" zuruft. St. Leonhard gehört zum Pfarrverband Menzing, dem Pfarrer Ulrich Bach von Leiden Christi Obermenzing vorsteht. "Ich habe im Pfarrgemeinderat ausdrücklich dafür geworben, dass die Fahne hier herkommt", sagt Schori. Eine sehr große Mehrheit dort habe zugestimmt, dieses Zeichen für die Rechte Homosexueller und aller Benachteiligten zu setzen.

Wolfgang Mergard hat an diesem Tag einen Regenbogenschal mitgebracht, das größte Exemplar, das er bei sich zu Hause finden konnte. Vielleicht könne man es auslegen, irgendwo, bis die große Fahne eintrifft. "Ich lebe seit 16 Jahren mit einem Mann", sagt er. "Mein Mann ist aus der Kirche ausgetreten, würde sich die Kirche uns gegenüber offener und anders verhalten, wäre er mit Sicherheit noch drin und würde einer Segnung zustimmen." Mergard, Jahrgang 1982, ist quasi ein Eigengewächs von St. Leonhard, hier hat er seine Kommunion gefeiert, seine Firmung, hier war er zwölf Jahre Ministrant, dann Pfarrgemeinderatsmitglied und auch Vorsitzender des Gremiums. Diakon Schori nennt ihn eine "Säule der Pfarrei". Gerechte Diskriminierung, wie es die Kurie formuliert - Mergard schmerzt es, dass seine Kirche ihm seine Menschenwürde, sein Menschenrecht nicht zugestehen will. Unter den drei Möglichkeiten - bleiben und sich unterordnen, gehen oder bleiben und kämpfen - hat er sich für letzteres entschieden.

Diakon Schori hofft wie viele Katholiken, dass sich die Amtskirche, die führenden Köpfe des Klerus erklären. In ein paar Wochen, erzählt er, werde Kardinal Marx in St. Leonhard einen Jungen taufen. Er hat sich vorgenommen, dem Kardinal in der Sakristei folgende Frage zu stellen und hofft, eine Antwort zu erhalten: "Wenn dieser Täufling in 20 Jahren auf Sie zukommt und Ihnen sagt, dass er seinen Mann kirchlich heiraten, also das Sakrament der Ehe empfangen möchte und Sie bittet, bei dieser Eheschließung zu assistieren - was werden Sie ihm antworten?"

Auf die Bitte der SZ an das Erzbischöfliches Ordinariat München, diese Frage dem Kardinal schon mal vorzulegen, verweist die Pressestelle auf ein Interview von Reinhard Marx mit dem Bayerischen Rundfunk vom März: "Ob die homosexuelle Beziehung, die wirklich in Liebe gelebt wird, in der man füreinander da ist, in Treue, nicht auch einen guten Wert hat und haben kann, das muss man sicher noch weiter diskutieren. Und da denke ich, ist das nicht das letzte Wort, darüber nachzudenken." Und auf ein weiteres im "Publik-Forum" Ende April: "Da bekommt man knapp vorher eine Information, dass ein Schreiben der Glaubenskongregation zum Verbot der Segnung homosexueller Paare veröffentlicht wird. So geht das nicht. Wir Bischöfe sind nicht einfach der verlängerte Arm der Glaubenskongregation, wir sollten auch gehört werden."

In der Gemeinde von St. Leonhard sind die Menschen angesichts der breiten öffentlichen Woge der Empörung über die Kurie, aber auch über den Diebstahl Handelnde: Dank einer spontanen Spenderin hängt nun wieder eine neue Regenbogenfahne an der Kirche, diesmal direkt über dem Portal.

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