Sportvereine:Streit am Spielfeldrand

Sportvereine: Auch die Bezirkssportanlage Bert-Brecht-Allee in Neuperlach soll ohne städtischen Platzwart auskommen.

Auch die Bezirkssportanlage Bert-Brecht-Allee in Neuperlach soll ohne städtischen Platzwart auskommen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Stadt München will Kosten für Platzwarte sparen und den Vereinen die Verantwortung für frühere Bezirkssportanlagen übertragen - doch dagegen regt sich Widerstand.

Von Julian Raff und Patrik Stäbler

Auch wenn es bei wachsender Nachfrage nie reicht, unterhält die Stadt mit 24 Bezirks- und 13 Freisportanlagen ein ziemlich dichtes Netz an öffentlichen Plätzen für Fußballvereine und andere Breitensportler. Um Kosten zu senken und den Zugang für externe Nutzer zu erleichtern, wollen Sportreferat (RBS) und Stadtrat möglichst viele der Areale in Freisportanlagen umwandeln, was hauptsächlich darauf hinausläuft, dass die Stadt dort keinen Platzwart mehr stellt. Stattdessen sollen die Vereine künftig ihre Plätze gegen eine Unkostenpauschale selbst in Schuss halten. Umstritten bleibt, ob sie es auch können.

Im Oktober 2021 beschloss der Sportausschuss, zunächst vier Anlagen für ein Jahr versuchsweise umzuwidmen. Mit der Kronwinkler Straße in Aubing, der Westpreußenstraße in Englschalking, der Bert-Brecht-Allee in Neuperlach und der Thalkirchner Straße in Sendling verteilen sich die Standorte gleichmäßig übers Stadtgebiet. Den Ausschlag gab zudem, dass die Platzwarte dort nicht mit eigener Wohnung stationiert sind und auf den Plätzen mindestens zwei Vereine spielen, darunter ein größerer.

Etwa 466 000 Euro pro Jahr will die Stadt so einsparen. Doch die betroffenen Vereine protestieren gegen die Neuerung. Der Vollzug ist vorerst ausgesetzt, es wird verhandelt. Bei den Platzwarten spart die Stadt schon länger. Um eine größere Anlage zu unterhalten, braucht es nach bisheriger Rechnung idealerweise 80 Arbeitsstunden pro Woche, also zwei Vollzeitstellen. Bereits in den vergangenen Jahren wurde diese Betreuung ausgedünnt, weil Platzwartstellen nicht nachbesetzt wurden. Eine Aufstockung um 16 Stellen, die im Jahr 2016 mit längeren Öffnungszeiten einherging, hat die Stadt so großteils wieder einkassiert. Geht man davon aus, dass dennoch zwei Vollzeitkräfte nötig sind, fragen sich die Vereinsvorstände, wie sie diese Lücke schließen sollen. Die Stadt zahlt zum Ausgleich eine Platzwart-Pauschale von maximal 18 000 Euro.

In Sendling soll die Spielvereinigung (SpVgg) Thalkirchen 12 500 Euro für die Dienste bekommen, was nach aktuellem Mindestlohn 26,5 Minijobber-Stunden pro Woche entspräche, mit der Erhöhung ab Juli knapp 25 Stunden. "Ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt der Vereinsvorsitzende Thomas Huber über ein Konzept, das offensichtlich von vornherein unentgeltlichen Einsatz mit einkalkuliere. Nicht dass die Bereitschaft unter den 800 SpVgg-Mitgliedern nicht hoch wäre, allerdings sind die ehrenamtlichen Kräfte eben komplett sportlich gebunden in der Betreuung von 18 Fußballmannschaften aller Altersklassen sowie in der Tischtennis- und Gymnastikabteilung.

"Es geht nicht nur ums Geld"

Auf der Sendlinger Anlage spielen außerdem die Südamerikaner von Latino Munich und der FC Bosna i Hercegovina. Unklar, so Huber, bleibt bisher sowohl die Arbeitsteilung zwischen den Vereinen als auch die Frage, welche konkreten Folgen das Hausrecht - laut städtischem Konzept soll es künftig beim jeweils größten Verein liegen - haben soll. Einerseits drohe dem Verein als Hausherr wider Willen die Haftung, andererseits ist er offenbar weder gegenüber den beiden kleineren Vereinen weisungsbefugt noch gegenüber den anderen Schul-, Vereins- und sonstigen Sportgruppen, die die Freisportanlage künftig nutzen werden.

"Es geht nicht nur ums Geld", betont Huber, der sich leichter täte, seine Mitglieder zu unentgeltlichen Leistungen zu motivieren, wenn er ihnen im Gegenzug auch einen "Mehrwert auf sportlicher Basis" versprechen könnte, seien es freie Nutzungszeiten oder gar eine Beteiligung an den Nutzungsentgelten künftiger Gäste zu Gunsten der Vereinskasse. Die bisherigen Verträge sähen viele Pflichten und kaum Rechte vor, was Huber gegenüber dem Ehrenamt schlicht "schäbig" findet. Die "höhere Identifikation mit der Sportanlage", laut RBS auch ein Ziel der Neuerung, werde jedenfalls so nicht erreicht. Mitte März haben sich die betroffenen Vereinsvorstände virtuell mit den Stadträten besprochen, aber keine Einigung erzielt, etwa über höhere Entschädigungen.

Eine komplette Rücknahme der Pläne und die Beibehaltung der Bezirkssportanlagen fordert derweil der Bezirksausschuss (BA) Sendling - ebenso wie der BA in Ramersdorf-Perlach für die Bezirkssportanlage Bert-Brecht-Allee in Neuperlach. Dort müsse die Stadt beide Platzwartstellen unverzüglich wieder besetzen und "die Anlage in einen ordentlichen Betriebszustand für die Sportvereine und Stadtteilbevölkerung bringen", heißt es in einem interfraktionellen Antrag. Würden die Pläne des RBS umgesetzt, warnt das Gremium, bedeute dies "eine Überforderung des Ehrenamts und einen Missbrauch von gemeinnützigen Sportvereinen für Aufgaben der städtischen Daseinsvorsorge".

Kritik äußert auch Kurt Damaschke (SPD), BA-Mitglied und Vorsitzender des SVN München. Dieser soll laut den Plänen des RBS das Hausrecht auf der Neuperlacher Bezirkssportanlage übernehmen - "für ein Taschengeld von 17 000 Euro", ärgert sich Damaschke. Er betont: "Wir können als Verein nicht die Verantwortung übernehmen für diese Riesenanlage, wo jederzeit jemand über den Zaun klettern kann. Und erst recht können wir das nicht, wenn auch Schulen dort Sport machen."

Überdies verweist der BA in seinem Antrag darauf, dass durch die RBS-Pläne ein Stadtratsbeschluss von 2016 quasi aufgegeben werde, wonach die Stadt die Bezirkssportanlagen länger öffnen solle - auch für die Anwohner. Mit den geplanten Umwandlungen in Freisportanlagen "wird auch die aktuelle Diskussion über die Verbesserung der sportlichen und spielerischen Nutzung des öffentlichen Raums konterkariert".

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