München:Sphinx in der Abendsonne

München: Geheimnisvolle Todesboten oder einfach nur "Scheißviecher", wie ein renitenter Baurat in den Fünfzigerjahren die Sphingen vor der Aussegnungshalle taufte und verschwinden ließ.

Geheimnisvolle Todesboten oder einfach nur "Scheißviecher", wie ein renitenter Baurat in den Fünfzigerjahren die Sphingen vor der Aussegnungshalle taufte und verschwinden ließ.

(Foto: Robert Haas)

Dirk Heißerer bietet literarische Zimmerspaziergänge an

Voraussichtlich noch bis Ende Mai werden sich die Stadtführer und ihre Gäste noch gedulden müssen, bis sie wieder gemeinsam durch München streifen können, dann freilich unter Wahrung aller Sicherheitsauflagen. Auch Dirk Heißerer, Veranstalter literarischer Spaziergänge und Exkursionen, kann dieser Tage sein unerschöpfliches Wissen, etwa über Thomas Mann und die Seinen, nicht an die geneigte Zuhörerschaft bringen. Zumindest nicht analog auf der Straße, von Angesicht zu Angesicht. Deshalb hat er aus der Not eine Tugend gemacht und einen YouTube-Kanal für "Literarische Zimmerspaziergänge" eingerichtet, zu finden unter www.youtube.com/channel/UCaXLdz5UF1LQwxO9xGf4LYg. Dort sitzt er dann, mit Schirmmütze und der obligatorischen Fliege, vor seiner Bücherwand und begleitet Klaus Mann auf seinem Besuch 1938 bei Onkel Heinrich in Nizza, oder er lässt sein Publikum literarisch bei den Spielen und den Schwimmversuchen der Mann-Kinder in Bad Tölz anwesend sein. Zusammen begleitet man Thomas Mann in sein Schreibhaus "Villino" nach Feldafing am Starnberger See. Auch kann man sich in den digitalen Literatur-Schlepptau begeben, wenn Heißerer "die Novelle der Stunde" auspackt, wie er sie nennt: "Der Tod in Venedig" beginnt in München am Nordfriedhof, wo Gustav von Aschenbach bei sinkender Sonne das byzantinische Portal der Aussegnungshalle betrachtet und den unheimlichen Fremden begegnet. Heißerer berichtet Wissenswertes über die Sphingen, jene "Scheißviecher", wie sie ein renitenter Baurat in den Fünfzigerjahren taufte und auf Nimmerwiedersehen verschwinden ließ. Die Zimmerspazierer vor den Rechnern erfahren dann auch, dass Mitte Juli Rekonstruktionen der beiden apokalyptischen Wesen wieder an Ort und Stelle stehen werden. Nicht zuletzt, weil sie in Thomas Manns Welt-Novelle erwähnt wurden. Begonnen und vollendet hatte der Großschriftsteller die Venedig-Geschichte in seinem Landhaus Bad Tölz. Dort war eigentlich für Ende Mai ein Thomas-Mann-Festival geplant, dass nun laut Heißerer auf Oktober verlegt wurde. Der Zimmerspaziergang dazu ist nun ebenfalls freigeschaltet unter www.facebook.com/thomasmann.badtoelz.

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