Süddeutsche Zeitung

Neuwahl:Zwei Christians konkurrieren um den Münchner SPD-Vorsitz

Beide sitzen im Stadtrat, beide können Wahlkampf: Das Rennen zwischen Christian Köning und Christian Vorländer könnte knapp ausgehen.

Von Anna Hoben

Ein Doktorand der Soziologie und Diplom-Verwaltungswirt? Oder ein Rechtsanwalt und Strafverteidiger mit langjähriger TV-Show-Vergangenheit? An diesem Samstag entscheidet sich, wer die Münchner SPD in die Zukunft führen wird, bei einem Online-Parteitag. Die bisherige Vorsitzende Claudia Tausend gibt ihr Amt nach gut sieben Jahren ab, zwei Männer wollen ihr nachfolgen: Christian Köning und Christian Vorländer.

Beide sitzen im Stadtrat, Köning, 33, ist finanzpolitischer Sprecher, Vorländer, 48, Vize-Fraktionschef der SPD. Köning war von 2018 bis 2021 Vorsitzender der Münchner Jusos, Vorländer ist der Öffentlichkeit bekannt durch seine Auftritte als Fernsehanwalt zwischen 2002 und 2016, vor allem in der Sendung "Richter Alexander Hold". Den Parteitag werden die beiden wie die gut 120 Delegierten am Bildschirm verfolgen, Köning in seiner Wohnung in Neuhausen, Vorländer in seiner Kanzlei in Schwabing, wegen der stabileren Internetverbindung.

Hört man sich um in der Partei, werden Köning etwas bessere Chancen eingeräumt, die Rede ist aber auch von einem engen Rennen. Vorländer wird eine größere Wirkung in die Stadtgesellschaft hinein zugeschrieben, Köning gilt als fleißiger Parteiarbeiter. Beide Bewerber haben sich in den vergangenen Wochen in zwei digitalen Runden den Genossinnen und Genossen vorgestellt und für ihre Ideen geworben.

Dabei legte Köning den Schwerpunkt auf die Kampagnenfähigkeit der SPD. Dass er Mitglieder begeistern und mitnehmen könne, habe er als Juso-Chef und im vergangenen Herbst gezeigt, sagt er. Seine Frau Seija Knorr-Köning kandidierte damals im Münchner Westen für den Bundestag, es gilt als offenes Geheimnis, dass sie in Zukunft Claudia Tausend als Abgeordnete beerben möchte.

Auch Christian Vorländer, 48, betont, dass er Kampagne könne, das habe er vor allem als Bundestagskandidat 2009 und 2013 bewiesen. Beachtliche 28,4 Prozent hat er im Münchner Süden beide Male eingefahren, Sebastian Roloff kam dort im vergangenen Jahr nur auf 19,7 Prozent.

Lust auf die Aufgabe versprühen beide. Sie sind als Teenager der SPD beigetreten, Vorländer im Jahr 1989, Köning 2005. Beide beschreiben sich als Personen, die gut andere Menschen zusammenbringen können - und werden auch von anderen so charakterisiert. Und beide haben Unterstützerteams um sich geschart.

Zu Könings Team gehören etwa die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl, Wohnungsamtschef Gerhard Mayer, die Gewerkschafterin Stefanie Krammer und der Vorsitzende der SPD Pasing, Raoul Koether. Auch Juso-Chef Benedict Lang spricht sich für Köning aus, er stellt vor allem dessen Teamfähigkeit heraus. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt für die SPD, ein Profil zu entwickeln und zu schärfen, in Köning sieht er den richtigen Kandidaten dafür.

Zu Vorländers Unterstützern zählen die ehemalige Bürgermeisterin Christine Strobl, die frühere Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias, der BMW-Betriebsrat Erol Akbulut und der interreligiöse Beauftragte der Stadt, Marian Offman. Strobl etwa sieht bei Vorländer einen Vorsprung durch seine lange Zeit im Stadtrat; er gehe offen auf Menschen zu und zeige auch bei schwierigen Themen klare Kante, so habe er sich beispielsweise früh für eine Impfpflicht ausgesprochen.

Dass die Partei wieder mehr und besser nach außen wirken, zu den Menschen in die Stadtviertel reingehen, ansprechbar sein müsse - was nach vielen verlorenen Wahlen aus der SPD zu hören war, das geben auch die beiden Bewerber für den Vorsitz als Ziel aus. Er wolle "alles dafür tun, damit die SPD wieder die Nummer eins in München wird", sagt Vorländer.

Mit dem Status quo als dritte Kraft will sich freilich auch Köning nicht zufriedengeben. Wer auch immer das Rennen macht: Die Landtagswahl 2023 wird die erste Prüfung für den neuen SPD-Chef. Die größte Aufgabe steht ihm mit der Suche nach einem OB-Kandidaten oder einer OB-Kandidatin für die Kommunalwahl 2026 bevor, wenn Dieter Reiter nicht mehr antritt.

Für die anstehenden Herausforderungen hat ein Kreis um Köning ein Papier erarbeitet, Titel: "Eine Stadt für alle". Es soll eine Arbeitsgrundlage für die Münchner SPD der Zukunft sein, der bisherige Vorstand legt es dem Parteitag an diesem Samstag zur Diskussion vor.

Ein Stadtrat als Münchner SPD-Chef, das hat es zuletzt in den 90er-Jahren gegeben. Das heißt, es war damals eine Stadträtin, die die Partei führte: Ingrid Anker. Wie die beiden Bewerber die mögliche Doppelrolle sehen? "Tiefenentspannt", sagt Köning, die Diskussion über eine Trennung von Partei und Fraktion halte er für "absurd". In der Partei würden Positionen erarbeitet, die Fraktion sei für die Umsetzung zuständig. Aber sie regiere die Stadt nicht alleine - und umgekehrt müsse die Partei auch weit über das Rathaus hinausdenken.

Auch sein Konkurrent Vorländer will im Fall seiner Wahl "Stadtrat bleiben mit Herzblut". Der Parteivorsitz sei aber eine "Mammutaufgabe", für die er sich viel Zeit freiräumen würde. Das Amt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender würde er abgeben.

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