Süddeutsche Zeitung

Münchner SPD:"Ich habe mich ein bisschen gewundert"

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Sebastian Roloff versteht den Wirbel nach der Aufstellung der Liste für den Bundestagswahlkampf nicht. Wer ist der Mann, der es geschafft hat, gegen alle Gesetze der SPD den amtierenden Abgeordneten Post auszustechen?

Von Heiner Effern

Der Mann, der die Münchner SPD eine Woche lang kräftig durcheinandergewirbelt hat, wirkt mit sich im Reinen. "Ich habe mich ein bisschen gewundert", sagt Sebastian Roloff. Dass seine Kandidatur und sein Sieg über den Münchner Parteikollegen Florian Post im Kampf um einen guten Platz für die Bundestagsliste ein paar Tage für Aufregung sorgen würden, damit hat er gerechnet. Aber eine ganze Woche voller Turbulenzen und dann auch noch der Rücktritt des Vize-Stadtvorsitzenden Roland Fischer, das habe ihn überrascht. Schließlich habe es sich um eine reguläre Abstimmung auf einem Parteitag in Oberbayern gehandelt.

Wer ist der Sozialdemokrat, der es geschafft hat, gegen alle Gesetze der SPD den amtierenden Abgeordneten Post auszustechen? Ein kurzer Spaziergang mit Roloff, 38, durch sein Heimatviertel Obergiesing. Hier wohnt er fast in Steinwurfnähe zum Grünwalder Stadion. Der Wind am Freitagmorgen pfeift noch um die Ecken in der Tegernseer Landstraße, die er als Schlagader des Quartiers so gerne mag. Auf seiner dicken Jacke prangt das Logo seines Arbeitgebers: MAN. Roloff ist Personalleiter für die gesamte LKW-Sparte, verantwortlich für knapp 30 000 Mitarbeiter. Ist er nun Manager oder doch überzeugter Gewerkschafter, wie es in der SPD heißt?

Beides, sagt Roloff, und das ginge bei MAN ganz gut, weil er dort wegen der traditionell starken Mitbestimmung der Beschäftigten auch auf der anderen Seite "meine Werte leben" könne. Die wurden geprägt von 21 Jahren Mitgliedschaft in der SPD. Vor zehn Jahren kam der in der Oberpfalz geborene Roloff nach München, um bei der IG Metall als Jurist zu arbeiten. Nebenher sammelte er Erfahrung als ehrenamtlicher Richter am Landesarbeitsgericht. Als er dann vor zwei Jahren Personalleiter im MAN-Werk München werden konnte, schlug er zu. "So ein Angebot bekommst du nur einmal im Leben." Manch klassischer Manager habe das kritisch beäugt, aber das sei vorbei. "Ich bin ein umgänglicher Typ", sagt Roloff. Viele SPDler sehen das auch so. Bei MAN kam er offenbar an, im Herbst schaffte er den Sprung nach oben. Das heißt für Roloff gerade auch, 3500 Stellen sozialverträglich abzubauen. "Das war gerade der Reiz. Man kann genau auf diesen Positionen den Unterschied machen."

Daneben wirkt die Chance, SPD-Bundestagsabgeordneter für den Münchner Süden zu werden, nicht unbedingt riesengroß. 2017 trat er dort das erste Mal an, und er stehe seither für eine erneute Kandidatur im Wort, sagt Roloff. Die Partei habe angekündigt, ihn daran zu messen, und das habe sie getan. Mit 98,4 Prozent der Stimmen wurde er dann aufgestellt. Nochmals auf aussichtslosem Listenplatz zuzuschauen, wie andere in den Bundestag einziehen, das war nicht Roloffs Plan. Es sei darum gegangen, "wie wir den Münchner Süden und meine politische Positionen maximal platzieren", sagt er.

Wenn die Landesdelegierten ihn als den Spitzenmann aus Oberbayern wie erwartet am Samstag gut platzieren, dann ist ihm das maximal gelungen. Roloff ist in der Stadt nicht eines der prominentesten Gesichter der SPD, aber aus seiner Zeit als Gewerkschafter und Juso bestens vernetzt. Auch bundesweit mischt er mit, zum Beispiel für die Bayern-SPD in der Antragskommission für Bundesparteitage. Deshalb gelang es ihm, seinen Coup durchzuziehen, am Münchner Stadtvorstand vorbei, der Post für die Spitzenposition in Oberbayern ohne Gegenstimme nominiert hatte. Dass er zu dieser Sitzung nicht erschienen sei, nennt Roloff "unglücklich", aber er habe einen unaufschiebbaren Termin bei MAN gehabt. "Im Nachgang habe ich Gespräche gesucht und geführt, dementsprechend überrascht mich, dass viele dem Vernehmen nach davon überrascht waren", sagt er.

Mittlerweile steht Roloff auf einer Wiese, auf der einen Seite die neuen Wohnblöcke auf dem früheren Agfa-Gelände, daneben die alten der Gewofag. Hier verlaufe gut sichtbar die Grenze der Gentrifizierung, sagt er. Über das Thema Bauen und Wohnen müsse man auch im Wahlkampf sprechen, schließlich gebe der Bund den entscheidenden Rahmen vor. Und natürlich über die Folgen von Corona, für Familien und Alleinstehende, für Bildung und Betreuung, für die Wirtschaft und die Arbeitslosen und die Menschen, die Kurzarbeitergeld erhalten. "Die Bürgerinnen und Bürger wollen wissen: Wer setzt sich für mich ein, wer hat Ahnung von meinem Leben, wer ist ansprechbar und wer kümmert sich?" Das sei entscheidend, und nicht, ob er sich zum linken Flügel der SPD zählt, wie er selbst, oder zum rechten. Auf dem Rückweg verabschiedet sich Roloff schnell Richtung Grünwalder Stadion. Es eilt, gleich hat er ein digitales Meeting mit dem Standort in Krakau.

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SZ vom 13.03.2021
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