Süddeutsche Zeitung

Münchner SPD:Nun heißt es Trümmer sortieren

Tief gespalten und wenig professionell: Ein halbes Jahr vor der wegweisenden Bundestagswahl steht es nicht gut um die Münchner SPD.

Kommentar von Heiner Effern

Die Münchner SPD steht ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl tief gespalten vor den Trümmern ihrer Kandidatenaufstellung. Ihrem stadtweiten Spitzenkandidaten Florian Post droht urplötzlich das politische Karriereende, der Münchner Vorstand ist blamiert und in Oberbayern offensichtlich isoliert. Sonst wären die SPD-Chefs und auch der amtierende Bundestagsabgeordnete Post nicht so eiskalt erwischt worden von einem politischen Handstreich, der im Regierungsbezirk offenbar gründlich vorbereitet und dann knallhart durchgezogen wurde.

Auch wenn nach der Listenaufstellung der SPD in Oberbayern ein Münchner die Liste für die Bundestagswahl anführt, dem Wahlkampf in der Stadt dürfte das einen weiteren Hieb verpassen. Ein Kandidat im Münchner Norden, das ist immerhin einer der besten SPD-Stimmbezirke in Bayern, der nun erst Mal überlegen muss, ob er komplett hinwirft oder eine nur auf seine Person zugeschnittene Kampagne mit Wut auf die SPD führt, das lässt Böses ahnen. Dabei haben die Sozialdemokraten schon mit den schlechten Vorgaben aus dem Land und dem Bund und mit dem eigenen Abwärtstrend genug zu kämpfen. Das wird auch die Gesamtpartei zu spüren bekommen, die Münchner müssen in der Regel einen großen Teil dazu beitragen, dass die SPD in Oberbayern nicht in die Regionen einer Splitterpartei abrutscht.

Eines bleibt jedoch auch festzuhalten: Der Ärger ist wenigstens zum Teil von der Parteispitze in München und Oberbayern mitzuverantworten. Niemand hat ernsthaft die Frage gestellt, ob die eisernen Regeln für die Aufstellung von Kandidaten noch in die Zeit passen. Das ist für eine Partei, die um ihre Bedeutung auf allen politischen Ebenen kämpft, zumindest leichtfertig. Wer einmal drin ist, bleibt drin. Wer länger drin ist, rückt nach vorne. Der Proporz muss stimmen. Das muss für einen ehrgeizigen jungen Kandidaten wie Sebastian Roloff unerträglich gewesen sein. Denn nur der erste Münchner Listen-Kandidat alleine kann derzeit in den Bundestag einziehen, weil Direktmandate gerade unerreichbar scheinen und die Zweitstimmen nicht mehr zulassen.

Roloff hatte ein bestens funktionierendes Netzwerk hinter sich und einen Gegner vor sich, der durch seine persönliche Art viele Parteikollegen vergrault hat. Er hat die Möglichkeit zur Revolution genützt, nun heißt es Trümmer sortieren. Vielleicht bietet sich eine Chance, daraus etwas Neues zu bauen. Da müssten aber mal alle in der SPD mithelfen, was man sich im Moment in dieser Partei nur schwer vorstellen kann.

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SZ vom 08.03.2021/syn
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