SZ-Serie: Streifzüge durch die Stadt:Münchens größte Ausstellung

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Vom schwarzen Granitkeil bis zum monumentalen "Walking Man" - die Stadt ist voll von Werken moderner Kunst, die man auch sehen kann, wenn die Museen geschlossen sind.

Von Franz Kotteder

Klar, viele trifft es gar nicht so besonders hart, dass momentan keine Kunstmuseen geöffnet haben. Andere aber vermissen aktuelle Ausstellungen und die überraschenden Blickwechsel, die Kunst ermöglicht, gerade jetzt. Dabei ist die Stadt eigentlich voller Werke, die auch unter Pandemiebedingungen jederzeit zu sehen sind - auf Straßen, Plätzen, in Parks und an anderen Orten, die nach wie vor besucht werden können.

Bildende Kunst hat ja viel von einer fremden Sprache: Beschäftigt man sich nicht damit, dann versteht man erst einmal nur Bahnhof. Manchmal drückt diese Sprache große Dinge aus, manchmal tut sie nur so, bisweilen geht es auch nur um ganz banale Dinge. Dann finden sich unter Künstlern wie unter anderen Menschen auch solche, die mächtig angeben und großsprecherisch tun, und dann wieder solche, die sich schüchtern ein bisschen abseits halten und quasi sagen: "Ich mein' ja nur..." Diese Aussagen versteht man aber in der Regel nicht mit den Ohren, sondern vor allem mit den Augen.

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(Foto: Robert Haas)

Der "Rossebändiger" trägt "Wunden der Erinnerung".

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(Foto: Robert Haas)

Der "Walking Man" spaziert auf der Leopoldstraße.

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(Foto: Robert Haas)

"Mondplatz und Sonnentor" schmücken das Patentamt.

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(Foto: Robert Haas)

Der Staccioli-Ring im Alten Botanischen Garten.

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(Foto: Robert Haas)

Und Henry Moores Skulptur ziert die Alte Pinakothek.

Deshalb gibt es gleich zu Beginn unseres Spaziergangs (die GPX-Tracks finden Sie hier) ordentlich was zu sehen. Von der Hackerbrücke geht es in Richtung Süden und am Ende der Brücke gleich links ab. "Zwischen Sonnentor und Mondplatz" heißt die monumentale, 100 Meter lange Skulptur von Hannsjörg Voth in der Passage des Europäischen Patentamts. Durch den Schlitz im fast fünf Meter hohen Tor am Ende des Ensembles fällt idealerweise Sonnenlicht auf die "Meridianlinie", versinnbildlicht durch einen 40 Meter langen, schwarzen Granitkeil. Voth arbeitet als Land-Art-Künstler gerne mit archaisch anmutenden Bauwerken. So hat er in den Achtzigerjahren unter anderem in der marokkanischen Wüste eine 16 Meter hohe "Himmelstreppe" aus Lehm gebaut.

Vom Sonnentor aus geht es links runter in die Bayerstraße und von dort zum Haupteingang des Amts. Die drei hier sichtbaren Werke von Christian Hinz, Markus Stangl und Max Bill sind auf den ersten Blick fast ein bisschen ingenieurhaft geraten, was ja zum Standort passt, aber im zweiten Innenhof links findet man "Geöffnete Granite II" von Nikolaus Gerhart, acht hohe Marmor- und Granitstelen, ein ganz typisches Werk des Münchner Bildhauers. Es ist immer wieder beeindruckend, welche Poesie er dem vermeintlich groben Material abgewinnt. Wer ihn persönlich kennt, staunt auch, wie einfühlsam seine dann doch - mit Verlaub - imposanten Pratzen den Stein bearbeiten und welch filigranen Ergebnisse das zeitigt.

Vom Patentamt folgt man der Bayerstraße durch den Hauptbahnhof zu dessen Nordseite. Beim Alten Botanischen Garten, vor dem Luxushotel The Charles, sieht man den zwölf Meter hohen Stahlring des Mailänder Bildhauers Mauro Staccioli. Er sollte eigentlich 1996 nur vorübergehend hier stehen, aber dank einer Bürgerinitiative und der Kunststiftung der Stadtsparkasse wurde er dauerhaft installiert - kommt nicht eben oft vor, dass Kunst im öffentlichen Raum auf so viel Zustimmung trifft.

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Im Alten Botanischen Garten stößt man auf den Kunstpavillon, ein Bau aus dem Jahr 1936, den der Nazi-Bildhauer Josef Thorak als Atelier nutzte. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird er als Ausstellungsraum für den gewerkschaftsnahen Schutzverband Bildender Künstler genutzt; an seiner Südseite liest man in Neonschrift den Satz: "Kunst ist kein Luxus", eine Arbeit der Künstlerin Christina Ruhland. Nördlich des Kunstpavillons befindet sich an der Sophienstraße die heutige Oberfinanzdirektion. Dass der Mordstrumm Adler an der Fassade einst ein Hakenkreuz in den Klauen hielt, ist unschwer zu erkennen, der megalomane Baustil ist eindeutig der Nazizeit zuzuordnen. Im Innern hat der Künstler Gerhard Merz 1990 eine seiner seltenen öffentlichen Arbeiten verwirklicht, die Umgestaltung des Treppenhauses in Rot, Gelb und Blau. Leider ist sie nur zu besichtigen, wenn man sich unter einem Vorwand hineinschleicht...

Über die Arco- und Ottostraße und rechts an der Hochschule vorbei gelangt man zur Max-Joseph-Straße und zum "Kunstblock", der seinen Namen wohl der Kunst der bestmöglichen Immobilienverwertung verdankt. Immerhin findet sich auf der Straßenseite gegenüber, vor der Handwerkskammer, eine Bronzeplastik des Ebersberger Bildhauers Manfred Bergmeister, dessen verschlungene, dynamische Gitterstrukturen die Fassaden der Fünfzigerjahrebauten in der Straße aufnehmen. Über den Karolinenplatz mit seinem Obelisken, der an die 28 000 toten Bayern von Napoleons Russlandfeldzug erinnern soll, gelangt man in die Barer Straße. Links oben am Sims des Rechenzentrums der Technischen Universität erblickt man in schwindelnder Höhe einen schwarzen Basketballkorb: "Never Ever" heißt das witzige Werk von Benjamin Bergmann.

An der Ecke zur Gabelsberger Straße trifft man links, nach der Filmhochschule, auf das Staatliche Museum ägyptischer Kunst mit einem Eingang, der an Hannsjörg Voths Sonnentor erinnert. Links davon steht die Großplastik "Present Continuous" des niederländischen Bildhauers Henk Visch. Überhaupt findet man hier rund um die Alte Pinakothek einen schönen Skulpturenpark und derzeit, noch bis zum 14. Februar, zwischen 17 und 21 Uhr sieben Lichtinstallationen unter Federführung der Künstlerin Betty Mü.

Ein schönes Beispiel für die Uminterpretation bestehender Kunst liefern die Münchner Kunstpreisträgerin Beate Passow und Andreas von Weizsäcker mit ihrem Projekt "Wunden der Erinnerung". Mit diesem Etikett versahen sie vor mehr als 25 Jahren in ganz Europa Objekte, die im Zweiten Weltkrieg durch Einschüsse und Granatsplitter beschädigt worden waren. Gegenüber der TU in der Arcisstraße hat es zum Beispiel den "Rossebändiger" von Bernhard Bleeker aus dem Jahr 1931 getroffen. Eine weitere "Wunde" findet sich im Verlauf unseres Spaziergangs an der Ecke Schelling-/Ludwigstraße. Bis dahin führt uns der Weg allerdings noch nördlich an der Alten Pinakothek vorbei mit Skulpturen von Henry Moore, Alf Lechner und Fritz Koenig zur Pinakothek der Moderne und der Stahlplastik von Eduardo Chillida sowie dem Ufo "Futuro" von Matti Suuronen. Man kommt dann zum alten Türkentor, jetzt Domizil des Kunstwerks "Large Red Sphere" von Walter de Maria.

Von hier aus wandert man die Türken- und Schellingstraße hinauf zur Universität. Rechts vom Uni-Institut Schellingstraße 3 führt der Weg in einen Innenhof mit einem bunten Brunnen und, um die Ecke, zur "Exzentrischen Pyramide" des berühmten Bildhauers Alf Lechner. Er hat hier, ungewöhnlich für ihn, mit filigranen, rostfreien Stahlstäben gearbeitet und sich auf die Türme der Ludwigskirche bezogen.

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Vom Haupteingang der Uni am Geschwister-Scholl-Platz mit ihrem etwas verschämten Bodendenkmal der Weiße-Rose-Flugblätter geht es an der Kunstakademie vorbei die Leopoldstraße hinauf. Deren auffälligstes Kunstwerk stammt vom internationalen Großkünstler Jonathan Borofsky, es ist der 17 Meter hohe, etwas protzige "Walking Man" vor der Zentrale der Münchener Rück auf Nummer 36. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite findet man vor der Waldorfschule ein viel bescheideneres Werk: die Bronzeplastik "Der Schwere enthoben", ein typisches Werk der Siebzigerjahre von dem Schweizer Bildhauer Raoul Ratnowsky.

Natürlich kann man den Spaziergang nun an der Münchner Freiheit auch beenden. Wer in die Verlängerung gehen will, kann aber auch der Germaniastraße hinauf folgen bis zum legendären Restaurant Tantris, vor dem man hinter den Bauzäunen die seltsamen Beton-Fabeltiere des Bildhauers Bruno Weber sehen kann. Am östlichen Ende der Johann-Fichte-Straße findet man den "Berolina"-Brunnen, eine Hommage des Bildhauers Ernst Andreas Rauch an die deutsche Hauptstadt. Derzeit ist sie unter einem Bretterverschlag verborgen und ziemlich versteckt hingeklebt an das letzte Eck des Ungererbads, vor einer Kulisse, die frappant an die Berliner Mauer erinnert. Ein echtes Zeugnis für die nie erlöschende, heiße Liebe der Bayern zu den Preußen. Eine monumentale Großplastik hätte da vielleicht gar nicht so gepasst.

© SZ vom 19.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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