Die Amsel singt schon früh ihr Lied. Noch leuchten Lampen sanft die morgendliche Siedlung aus. Es sind große alte Wohnblöcke, kasernengleich in Reih' und Glied. Vereinzelt rauscht von Ferne ein Auto über den Innsbrucker Ring, hier in der Genossenschaftssiedlung erwacht langsam das stille Leben dieser Tage. Ein Mann mit seinen zu dick geratenen Hunden schlurft in weißblauen Adiletten über einen der Wege, die sich um Garagenblöcke schlingen.
Die Hausmeisterin pickt den verstreuten Müll auf, den am Abend zuvor Krähen aus Mülleimern gezupft oder junge Männer achtlos fallengelassen haben. Auf dem Parkplatz erwächst Leben, zwischen den Platten drängen Scharen Löwenzahnblumen ans Licht, seit kaum noch ein Auto vom Platz bewegt wird. Zwei Tauben flanieren auf der Straße. Die Natur erobert sich ein Wohnquartier zurück.
Drüben, auf der anderen Seite des Innsbrucker Rings, sind nur Spuren menschlichen Daseins zu sehen. Die alte Siedlung an der Haldenseestraße ist zum Teil verlassen, die Häuserzeilen sollen modernen Wohnhäusern weichen. Graffiti-Künstler haben die leer stehenden Häuser in eine bunte Zeile verwandelt, mittlerweile ist die Siedlung mit Bauzäunen umringt. In diesem Eck von Ramersdorf südlich von Anzinger und Bad-Schachener-Straße sind die Wohngegenden auch ohne Corona-Zeiten ruhige Orte.
An der Baldhamstraße liegt eine Wohnanlage mit einem idyllischen Gemeinschaftsgarten. Bunte Blumen sprießen aus Beeten, auf dem Rasen steht ein mit Blümchen verzierter Tisch, vielleicht der Rest vom Osterfest. Daneben gibt es Kunst am Baum: Richard Litzinger hat hier aus einem riesigen Baumstumpf mit der Motorsäge eine Alpenlandschaft mit Wegen, Bäumen und Bauernhäuschen geschaffen. Kreatives in Corona-Zeiten, das ist wohltuend.
Von solchen Ecken bekommen die jungen Männer ein paar Straßen weiter nichts mit. Sie stehen tagein, tagaus zusammen, tauschen womöglich das Virus und manchmal weiße Tütchen aus. Die leer gefutterten Pizzakartons lassen sie dafür links liegen. Es gibt ja Krähen und die geduldige Hausmeisterin.