Münchner Spaziergang:Die schönsten Bäume der Welt

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Ein erhabener Anblick: pinke Kerzen in dichten Baumkronen. (Foto: Robert Haas)

Erhaben recken die Kastanien ihre Kerzen in die Höhe, die Stadt präsentiert sich von ihren besten Seiten. Würden nur nicht Verschwörungstheorien gerade beinahe so vehement aufblühen wie die Natur

Kolumne von Laura Kaufmann

Macht die Corona-Krise so klein und demütig, oder sind die Kastanienbäume in die Höhe geschossen, als hielten sie sich für Elefantenbäume in der afrikanischen Steppe? Vor der Tür einer Boutique in der Maximilianstraße wird gerade einem interessierten Kunden eine Luxusuhr feilgeboten, wie man es sonst eher von billige Rolex-Kopien in den Gassen von Touristenmetropolen kennt. Hebt man den Blick weg von dieser Szene, reihen sich in Richtung Maximilianeum wie auf einer Perlschnur wahre Prachtexemplare von Kastanien. Luxus der Natur. Als wäre ihnen gerade aufgefallen, dass sie die schönsten Bäume der Welt sind, recken sie Hunderte weiße und pinke Kerzen aus einer dichten Baumkrone heraus dem Himmel entgegen. Erhaben.

Die Stadt hat sich dem Spaziergänger in den letzten Wochen von ihren besten Seiten präsentiert. Fast könnte man glauben, Corona sei vom Tourismusamt in die Welt gesetzt worden, um den Münchnern einen Urlaub dahoam schmackhaft zu machen, aber da dümmliche Verschwörungstheorien ohnehin schon beinahe so vehement aufblühen wie die Natur, verbieten sich Scherze dieser Art. Tatsache ist, dass der letzte derart schöne Frühling in der Stadt schon eine Weile her ist. Und ihre Bewohner laufen mit etwas mehr Zeit als sonst umher, um diese Pracht neu zu entdecken. Den Fliederduft. Den Blütenregen. Die Pusteblumen.

Statt der viel gelobten Nähe zu den Seen und Bergen schätzen der Münchner nun die kleine Grünanlage um die Ecke und erobert Plätze, die er sonst stiefmütterlich behandelte. Hatte der Bordeauxplatz in Haidhausen, zu dem es vom Maximilianeum aus nicht weit ist, früher höchstens ein paar zombiesk aufs Smartphone starrende Pokémon-Fanatiker angelockt, so wird jetzt auf den Bänken tagsüber Eis gegessen und abends Sprizz getrunken. Auf der Wiese spielen sie Federball, da wird der Golfschwung geübt, dort ein Buch gelesen. Es könnte so kitschig-schön sein, wären so viele Menschen draußen in der Stadt nicht eine Herausforderung für den coronasicheren Mindestabstand. Glücklicherweise hat der hiesige Frühling eine natürliche Bremse eingebaut: die Eisheiligen.

© SZ vom 13.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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