Der lange Klang der Stadt
Mit Conrad Paumann, geboren 1410, dessen Epitaph heute in der Frauenkirche steht, taucht in Münchens Musikgeschichte erstmals ein großer Name auf. Der blinde Musiker wurde 1451 am Hof Herzog Albrechts als Organist angestellt und war vielseitig einsetzbar, da er auch andere Instrumente spielte. Ende des Jahrhunderts wurde mit der Gründung der Hofkapelle durch Ludwig Senfl und der Verpflichtung von Heinrich Isaac als Hofkomponist ein neues, glanzvolles Kapitel aufgeschlagen. Unter Orlando di Lasso erlebte das Vokal- und Instrumentalensemble dann seit 1556 eine Blütezeit. Ab 1607 spielte mit Michelangelo Galilei der jüngere Bruder Galileos hier Laute. Später wurden berühmte Komponisten an München gebunden wie Agostino Steffani, dessen Opern "Alarico" oder "Enrico Leone" am Hoftheater uraufgeführt wurden, oder Pietro Torri, der sechzehn Opern für dieses Haus komponierte. 1777 verschmolz die Münchner mit der Mannheimer Hofkapelle, seinerzeit eines der größten und besten Orchester europaweit. Sie kam mit Kurfürst Karl Theodor nach München und wirkte 1781 in der Uraufführung von Mozarts "Idomeneo" mit. Ihr Nachfolger ist das Orchester des Hof- und Nationaltheaters, heute Bayerisches Staatsorchester genannt. 1992 als "Neue Hofkapelle" ins Leben gerufen, existiert seit 2009 wieder ein "Münchner Hofkapelle" genanntes Ensemble, das sich der historischen Aufführungspraxis verschrieben und etwa Steffanis "Alarico" aufgeführt hat. Obwohl er Richard Wagners Musik ablehnte, verhalf Hofkapellmeister und Opernkomponist ("Catharina Cornaro") Franz Lachner dessen Musikdramen hier zu großem Erfolg. Auch im 20. Jahrhundert stand München immer wieder im Zentrum des musikalischen Geschehens. Zahlreiche Bruckner-Symphonien wurden von den Münchner Philharmoniker erstmals in der Originalfassung gespielt, Gustav Mahlers 8. Symphonie und sein "Lied von der Erde" mit diesem Orchester hier uraufgeführt. Auch Richard Strauss, geboren 1864 in München, prägte seit 1883 mit seinen Werken und in verschiedenen Positionen jahrzehntelang das hiesige Musikleben. Mit der Gründung der Musica Viva des BR nahm die zeitgenössische Musik - nach dem Kahlschlag der NS-Zeit - bereits unmittelbar nach dem Krieg (wieder) eine wichtige Rolle ein. Hans Werner Henze gründete 1988 die "Münchner Biennale für zeitgenössisches Musiktheater", die das einzige ausschließlich modernem Musiktheater gewidmete Festival geblieben ist und sich bis heute immer wieder neu erfunden hat. Drei seiner Opern wurden wiederum mit dem Ensemble der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt, ebenso viele wie von Aribert Reimann, darunter auch der weltweit erfolgreiche "Lear" (1978), soeben wieder in einer Neuinszenierung am Nationaltheater zu sehen. Die Musikgeschichte der Stadt schreibt sich also auch in der Gegenwart weiter.
Spaziergang I
Gralsglocken und Heilsversprechen
Weit über die Grenzen Münchens hinaus bekannt ist die Michael-Jackson-Gedenkstätte vor dem Hotel Bayerischer Hof am Promenadeplatz, in dem der legendäre Popstar bei seinen Besuchen und Konzerten wohnte. Doch der mit Fotos, Grablichtern und Blumen von seinen Fans immer wieder neu und frisch bestückte Sockel gehört einem Standbild Orlando di Lassos. Er prägte das Münchner Musikleben als Sänger, Komponist und Leiter der Hofkapelle, heute das Bayerische Staatsorchester, maßgeblich bis zu seinem Tod 1594. Er zählt darüber hinaus zu den großen, einflussreichen Komponisten der Geschichte. Der Epitaph seiner Grabstätte, die ein im 19. Jahrhundert aufgelassener Friedhof beherbergte, ist im Bayerischen Nationalmuseum ausgestellt. Ursprünglich 1849 unter König Ludwig I. am Odeonsplatz enthüllt, wurde das Lasso-Denkmal im Krieg zerstört. Seit 1958 steht ein Nachguss am Promenadeplatz. Neben der St.-Michaels-Kirche in der Neuhauser Straße erinnert seit 1962 ein Brunnen an Richard Strauss. 1864 in München geboren, wirkte er seit seinem 20. Lebensjahr mit mehreren Unterbrechungen bis 1935 in verschiedenen Positionen vor allem an der Bayerischen Staatsoper. "Friedenstag" und seine letzte Oper "Capriccio" wurden 1938 und 1942 in München uraufgeführt. Der Bildhauer Hans Wimmer lehnte sich formal an die römische Bildsäule an und griff mit Szenen aus der Strauss-Oper "Salome" das antike Thema auf. Wer mag, kann bei der Schale, aus der das Wasser die Säule herabfließt, an die "Silberschüssel" denken, auf der die Prinzessin Salome von ihrem Stiefvater Herodes "den Kopf des Jochanaan" forderte - und bekam.
An ganz andere, populäre Sanges- und Schauspiel-Kunst erinnern die sechs sogenannten "Volkssängerbrunnen" am Viktualienmarkt, wo einst sieben Stadtbäche zwischen den Ständen flossen: Neben Karl Valentin und Liesl Karlstadt, Weiß Ferdl und dem Roider Jackl trifft man auf Ida Schumacher und Elise Aulinger. Leider fehlt Bally Prell, die am 31. Oktober 1953 in der Kleinkunstbühne Am Platz unweit des Hofbräuhauses, wo alle Volkssänger ihre Karriere begannen, mit "Die Schönheitskönigin von Schneizlreuth" ihren größten Hit erstmals sang. Dafür erinnert seit 1992 vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Leopoldstraße 77 ein Brunnen an die Künstlerin, die sich selbst als Tenor bezeichnete. Gleich neben dem Markt und hinter der Schrannenhalle beherbergt die "Sammlung Musik des Münchner Stadtmuseums", die sich ihr Gründer Georg Neuner als "Klangmuseum" vorstellte, nicht nur eine der größten Sammlungen von Gamelan-Instrumenten außerhalb Indonesiens, es gibt auch ein entsprechendes Orchester. Daneben kann man afrikanische Instrumente, jede Menge alte Akkordeons und Kuriositäten bestaunen wie ein "Totenkopf-Quartett" aus zwei Geigen, Bratsche und Cello in Gestalt von Skeletten oder klingendes Spielzeug aus der Zeit von 1915 bis 1960. Von den 6000 Stücken sind 1500 ausgestellt, darunter die Kontrabass-Posaunen für die Uraufführungen von "Rheingold" und "Walküre" oder die sogenannten "Gralsglocken", die für Wagners "Parsifal" an der Bayerischen Staatsoper bis in die 1990er Jahre verwendet wurden. Eigentlich sind das seit der Uraufführung 1883 verwendete Klaviersaiten in der Stimmung C - G - A - E, die mit speziellen Hämmern geschlagen wurden.
Spaziergang II
Und täglich ruft der Nachtwächter
Seit 1908 ist das berühmte Glockenspiel am Neuen Rathaus mit 43 unterschiedlichen Glocken und sechs Walzen mit je vier Liedern, die monatlich wechseln, touristischer, viel fotografierter Publikumsmagnet am Marienplatz. Zur Musik sieht man jeweils um 11, 12 und 17 Uhr vor Figuren von Herzog Wilhelm I. von Bayern und von Renata von Lothringen das Turnier zum Anlass ihrer Hochzeit 1568. Unüberhörbar die Entzückensschreie mancher Touristen, wenn vor dem bayerischen Ritter mit weißblauer Decke der lothringische Ritter fällt! Darunter drehen sich unter Blumenkränzen die tanzenden Schäffler. Das waren Fassmacher, die sich der Legende nach am Ende einer Pestepidemie als erste wieder auf die Straße trauten, um die Menschen aufzuheitern. Eine Besonderheit des Glockenspiels stellt die nur zweiminütige Vorführung um 21 Uhr dar: Der Nachtwächterruf aus Wagners "Meistersingern" wird von einer Posaune gespielt, während der lebensgroße Mann samt vorauslaufendem Hund seine kurze Runde dreht. Es folgt das Wiegenlied von Brahms und das Münchner Kindl. Über ihn hält der Friedensengel schützend seine Hand.
uf dem Weg zum Nationaltheater findet man das Vereinshaus der musischen Studentenverbindung des Akademischen Gesangvereins von 1890 mit verschieden großen, historischen Sälen und einem Wohnheim. Mehrere gemischte Chöre und Orchester, eine Bigband und Theatergruppen proben hier in der Ledererstraße 5 und sind in Aufführungen zu erleben. Am östlichen Eck des gelben Gebäudes sitzt der legendäre König David mit seiner Harfe. Auf dem Sockel der Sandstein-Skulptur steht in alten Großbuchstaben der historische Text: Ehr unser Zier / Lied das Panier / Tat unser Wort / Gott unser Hort." Vor dem Opernhaus, dem ehemaligen Königlichen Hof- und Nationaltheater, Ort der Uraufführung von Richard Wagners "Die Feen", "Rheingold", "Walküre", "Tristan" und "Meistersinger", befindet sich die Sitzstatue von König Maximilian I. Joseph, unter dessen Regentschaft das Haus 1818 eingeweiht wurde. Das Denkmal am heutigen Max-Joseph-Platz wurde erst Jahre nach seinem Tod enthüllt, da er lieber stehend dargestellt worden wäre. Die Bayerische Staatsoper zählt heute zu den in jeder Hinsicht großen Musiktheater-Institutionen Europas und der Welt. Jenseits der Oper und des Hofgartens vor dem Herkulessaal der Residenz gelangt man direkt zum Deutschen Theatermuseum. Hier ist eine der größten Sammlungen weltweit zur Geschichte des (Musik-)Theaters verwahrt und wird in wechselnden Ausstellungen gezeigt. Die Bestände des Museums gehen auf den Nachlass der Hofschauspielerin Clara Ziegler zurück, der bis 1944 in ihrer Villa am Englischen Garten gezeigt wurde. Seit 1953 ist das Museum in den heutigen Räumen in der Galeriestraße beheimatet. Derzeit ist noch bis zum 1. August "Regietheater - eine deutsch-österreichische Geschichte" zu sehen. Beginnend beim universellen Theatermann Max Reinhardt, dem Mitbegründer der Salzburger Festspiele, über Fritz Kortner und Gustav Gründgens werden bis Peter Zadek, Peter Stein und Claus Peymann die unterschiedlichsten ästhetischen Linien gezogen und mit Bühnenbildmodellen oder historischen Zeichnungen anschaulich gemacht.
Spaziergang III
Noch ein grüner Hügel
In Anlehnung an die Architektur des Bayreuther Festspielhauses geplant, wurde das Prinzregententheater 1901 mit Wagners "Meistersinger" eröffnet. Es war als ausdrückliche Konkurrenz zum "Grünen Hügel" gedacht und erregte folglich den Zorn Cosima Wagners, die allen Bayreuth-Sängern verbot, hier aufzutreten. Nach der Zerstörung des Nationaltheaters im zweiten Weltkrieg und wurde von 1949 bis zur Wiedereröffnung im Jahr 1963 hier Oper gespielt. Dann stand das Haus leer, bis unter August Everding genügend Geld gesammelt war für die Renovierung. Nach einer "kleinen" Lösung, der Instandsetzung des Zuschauerraums bis 1988, gab es mit einer "großen" Lösung und der Sanierung der Bühne 1996 die glanzvolle Wiedereröffnung mit "Tristan und Isolde". Stadteinwärts, etwas versteckt unter Bäumen, sieht man das Denkmal Richard Wagners von Heinrich Waderé, der schon die Figuren über dem Portal des Prinzregententheaters geschaffen hat. Es zeigt den Komponisten sitzend wie "Goethe in der Campagna". Eingeweiht wurde das Denkmal am 21. Mai 1913, dem Vorabend von Wagners 100. Geburtstag. Geht man das Hochufer der Isar Richtung Gasteig, sieht man auf halbem Weg die Bronzestatue König Ludwigs II. von Toni Rückel aus dem Jahr 1967. Auf dem Sockel erkennt man in den vier Himmelsrichtungen Reliefs der Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee, aber auch den an exakt dieser Stelle geplanten "Semper-Festbau". Von ihm "wünscht sich der König, er möge im Spätsommer 1867 schon benutzbar sein", schrieb Wagner 1865 an den Architekten Gottfried Semper. Doch die Münchner Pläne zerschlugen sich, die Pläne Sempers wurden in Dresden verwirklicht.
Ohne die Unterstützung Ludwig II., der sich seit seinem 18. Lebensjahr für die Musik des Komponisten begeisterte, hätte es weder die diversen Uraufführungen Wagnerscher Musikdramen in München noch die des "Parsifal" 1883 in Bayreuth gegeben. Dafür entsandte Ludwig die Musiker seines Hof- und Nationaltheaters in die fränkische Kleinstadt. Öffentlichkeitsscheu, wie er war, blieb er jedoch der Premiere fern und erlebte das Werk später in einer seiner berühmt-berüchtigten Separataufführungen am Nationaltheater. Wie das Stadtmuseum am St. Jakobsplatz und das Deutsche Museum, das als Technikmuseum neben diversen Tasteninstrumenten vor allem mechanische und elektronische Musikinstrumente und -automaten beherbergt, besitzt das Bayerische Nationalmuseum eine wertvolle Sammlung historischer Musikinstrumente. Sie enthält diverse Exponate - vor allem aus Europa - vom 16. Jahrhundert bis heute. Schon kurz nach der Gründung im Jahr 1855 überließ König Maximilian II. fünfzehn Instrumente "aus dem Besitz seiner kurfürstlichen Vorfahren", darunter etwa zwei Jagdzinken aus Elfenbein und Ebenholz, dem Museum. Zu Beginn der beiden Ausstellungsräume gibt es mit den zwölf silbernen, teils feuervergoldeten Trompeten Kurfürst Karl Theodors, die noch in seiner Mannheimer Zeit (1744-1775) hergestellt wurden, einen schillernden Blickfang. Es ist eines der wenigen Ensembles dieser Art, die sich erhalten haben. Später erregen historische Blockflöten und Klarinetten, darunter ein Chalumeau des Erfinders dieses Vorläufers der Klarinette, seltene Hammerflügel oder sogenannte "Tanzmeister-Geigen" die Aufmerksamkeit heutiger Musikliebhaber.