Süddeutsche Zeitung

Sommerstraßen in München:"Ganz ehrlich? Das hat überhaupt nicht funktioniert"

Lesezeit: 3 min

Manche Stadtviertel profitieren vom Konzept der Sommerstraßen. Doch andere wie die Maxvorstadt wollen sich im kommenden Jahr nicht wieder an der Belebung des öffentlichen Raums beteiligen. Woran es hakt.

Von Ilona Gerdom, Lea Kramer und Patrik Stäbler

"Die Sommerstraßen waren insgesamt ein Erfolg", heißt es aus dem städtischen Mobilitätsreferat. Ganz so unumstritten scheint diese Einschätzung aber nicht zu sein, nicht überall wird sie geteilt. Fragt man in unterschiedlichen Stadtvierteln nach, ergibt sich ein durchaus differenziertes Bild, was die Nutzung von Straßen und Plätzen für Treffen, Spiel und Spaß angeht. Nicht überall war die Aktion ein Hit.

Die städtische Behörde stützt ihre Aussagen auf eine von ihr in Auftrag gegebene Bilanzuntersuchung. Von den 517 Teilnehmerinnen und Teilnehmern befanden 72 Prozent, dass die "Sommerstraßen gut für unsere Stadt" seien, so das Referat. Der "umfassende Abschlussbericht", wie die Münchnerinnen und Münchner das Projekt bewerten, werde aber erst im kommenden Jahr vorliegen. Die Bezirksausschüsse (BA) dürfen sich aber schon jetzt wieder Straßenzüge für den kommenden Sommer wünschen, die dann alternativ genutzt werden können.

Die Kurfürstenstraße war optisch nicht als verkehrsberuhigt erkennbar

Das wollen nicht alle: "Ganz ehrlich? Das hat überhaupt nicht funktioniert", sagt Svenja Jarchow-Pongratz (Grüne), Vorsitzende des Gremiums in der Maxvorstadt, über die Kurfürstenstraße. In diesem Fall handelte es sich um einen verkehrsberuhigten Bereich. Allerdings sei das "optisch überhaupt nicht sichtbar" gewesen. Außerdem hätten Autofahrer die temporären Halteverbote ignoriert. Sie selbst und andere BA-Mitglieder seien ein paar Mal dort gewesen, um mit Anwohnern ins Gespräch zu kommen. Die Reaktionen waren eher ernüchternd. "Die klassische Rückmeldung war: Welche Sommerstraße?" Das sei "super schade". Aber auch wenn man das Konzept grundsätzlich "richtig gut" findet, hat sich das Gremium entschieden, für das kommende Jahr keine Vorschläge mehr zu machen und lieber auf eine Sommerstraße zu verzichten.

Ähnlich wenig Beachtung fand die Nietzschestraße in Milbertshofen. Der Teil, der vor der Dankeskirche an den Curt-Metzger-Platz angrenzt, habe durch die Verkehrsberuhigung nicht gerade an Beliebtheit gewonnen. "Es war immer tote Hose, wenn ich dort war", sagt CSU-Fraktionsvorsitzender Thomas Schwed. Und Jutta Koller (Grüne) formuliert: "Da sind ein Blumenkübel und ein Stuhl. Das ist nicht kommunikativ. Das ist nicht schön. Das ist nicht ansprechend." Nun will man darüber nachdenken, wie das Konzept verbessert werden könnte. Die Lokalpolitikerinnen und -politiker sind sich nämlich einig: Kunst und Kultur im Sommer - das könnte die Gegend rund um die Nietzschestraße und den Curt-Mezger-Platz eigentlich gut vertragen.

Auf der anderen Seite gibt es Straßenzüge, die besonders gut angenommen worden sind. Dazu gehört zum Beispiel die Westenriederstraße in der Altstadt. Sie wird vom örtlichen Gremium, aber auch von Anwohnern und Wirten gelobt. Deshalb, so erklärt das Mobilitätsreferat, werde die Verkehrsberuhigung dort verlängert, "bis sich ein Verkehrsversuch zu einer Fußgängerzone anschließt".

Neben den Wegen, die Fahrzeuge in warmen Monaten nur langsam passieren dürfen, gibt es die sogenannten "Spielstraßen". Dort dürfen Autos weder fahren noch parken. Im vergangenen Sommer betraf das beispielsweise die Kugler- und Schneckenburgstraße in Haidhausen. Die, das zeigte sich in der jüngsten Bezirksausschuss-Sitzung, wurde unterschiedlich angenommen. Durch die temporäre Sperrung der Umfahrung beim Spielplatz sei ein "Ort der Begegnung und Kommunikation entstanden", lobte ein Anwohner. "Und zwar dort, wo man sonst immer nur aufpassen musste, weil die Autos vorbeigefahren sind." Ganz anders klang das bei einem zweiten Anwohner, der sich ebenfalls in der Sitzung zu Wort meldete. "Um 22.30 Uhr war da noch Remmidemmi, was nicht besonders schön ist, wenn die Schlaf- und Kinderzimmerfenster zur Straße raus gehen", sagte der Mann. Sowohl Kritiker als auch Befürworter der Sommerstraße hatten Unterschriften für ihr Ansinnen gesammelt. Eine abschließende Beschäftigung mit dem Komplex haben die Lokalpolitiker vorerst vertagt.

In Nymphenburg kam das Prinzip gut an, es kam aber auch zu Protesten

Ähnlich unterschiedlich fielen die Reaktionen bei der Südlichen Auffahrtsallee in Nymphenburg aus. Sie wurde ebenfalls gut angenommen, allerdings kam es auch dort zu Beschwerden wegen Ruhestörungen.

Also: Erfolg oder Misserfolg? Es lässt sich vor allem bei den verkehrsberuhigten Abschnitten nicht klar sagen. Sowohl in den Innenstadtbezirken als auch weiter draußen kommen sie mal besser, mal schlechter an. Viel genutzt werden in den meisten Fällen die Spielstraßen. Zugleich sorgen sie für mehr Unmut bei Anwohnerinnen und Anwohnern. Das ergab auch die Umfrage des Mobilitätsreferats. Die Rückmeldung sei "insgesamt positiv, jedoch durch die höhere Nutzung auch konfliktreicher".

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Kritiker und Befürworter hätten Unterschriften für und gegen einen Vorschlag der SPD gesammelt, die Straße dauerhaft umzuwandeln. Tatsächlich haben die Kritiker Unterschriften gesammelt gegen eine Wiederholung der Sommerstraße in diesem Bereich.

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