Süddeutsche Zeitung

Münchner Sommernachtstraum:Die hellsten Raketen am Songwriter-Himmel

Der "Münchner Sommernachtstraum" kehrt mit "Silbermond", "Culcha Candela", "2Raumwohnung" und Paul Kowol zurück. Im Jubiläumsjahr des Olympiaparks werden erstmals auch Stadion und Turm ins Feuerwerk eingebunden.

Von Michael Zirnstein

Der richtige Mensch zur richtigen Zeit am richtigen Ort - zu der Rolle mussten Paul Kowol erst einige Freunde überreden. Der Münchner Musiker war eigentlich ohne Auftrag beim Puls-Open-Air auf Schloss Kaltenberg gewesen, nur als Gast, er hatte den ersten Abend lang gefeiert und morgens einen Kater. Da hörte er aus den Nachrichten: Das Festival ist sofort abgesagt, zu viele Sicherheitskräfte seien erkrankt. "Ein schlechter Scherz?", dachte sich Kowol. Nein. Seine Begleiter hätten ihn dann "gepusht", etwas gegen die miese Stimmung zu unternehmen. Er hatte eine Gitarre und einen Akku-Lautsprecher dabei, stellte sich neben seinem Zelt auf und begann zu spielen. Er begann mit dem Song mit dem treffenden Titel "Nie mehr nach Hause", einem wunderbaren Liebeslied wie ein Coming-of-Age-Roadmovie. Niemand wollte heim, 500 blieben bei ihm hängen, und es wurde noch "eine super Stimmung an einem traurigen Tag", erinnert sich der Gute-Laune-Retter. Ein Tiktok-Schnipsel von diesem "scheiß-schönen Tag" (Songzitat) mit dem "Mainact auf der Zeltplatzbühne" (Ironie) wurde bereits 450 000 Mal aufgerufen. Kowol hat wirklich was draus gemacht.

Und damit ist er auch der Richtige, den "Sommernachtstraum" im Olympiapark auf der Hauptbühne zu eröffnen. Denn uns allen gehe die Leichtigkeit ab, findet Marion Schöne, die Chefin und Gastgeberin im Olympiapark, mit Corona und der Ukraine sei man noch nicht durch, das drücke aufs Gemüt, aber heimgehen will man eben auch nicht. Man sehne sich nach dem "Gefühl, wow, ich habe einen super Sommerabend erlebt." Und das liefert der "Münchner Sommernachtstraum" zuverlässig seit 2004 (wenn er nicht gerade wegen einer Pandemie ausfällt).

Diese Eigenveranstaltung der Olympiapark GmbH ist ein einzigartiger Mischmasch für die Massen: Das Areal rund um den See wird mit Girlanden herausgeputzt, Imbiss-Buden und Foodtrucks und blumenbunte Kunst werden in Stellung gebracht, und ein "instagramable Point" soll eine prächtig-vervielfältigbare Kulisse liefern (offizieller Hashtag: #atraum). Gut, das ist quasi die Dauerdeko im Jubiläumspark "50 Jahre Olympia". Aber auch der Höhepunkt der Sommernacht will zum Jubiläum eines draufsetzen: Das 35-minütige größte Großfeuerwerk Deutschlands über dem See, das zum Motto "A Sign Of Life" (Lebenszeichen) aus 150 Positionen 11 000 funkgesteuerte Einzelfeuerungen simultan zur Musik "tanzen" lässt (so Pyroprojektleiter Thomas Jorhann), wird mittels "Pixeltechnik" nicht nur eine leuchtende 50 und ein Herz in die Luft ballern. Erstmals wird auch dem Fernsehturm eine strahlende Krone aufgesetzt und das Olympiastadion ins Feuermeer eingetaucht. Parksprecher Tobias Kohler wertet das als Sensation, es hat aber auch praktische Gründe. So sind alle in drei preislich unterschiedlichen Kategorien Silber (35 Euro), Gold (45 Euro) und VIP (245 Euro, auf einer Plattform im See) dicht und mit bester Sicht am brenzligen Geschehen.

Zu den Musikbühnen haben alle Besucher die gleichen Zugangsrechte, und das ist schön, denn so können alle gemeinsam feiern. Wobei unterschiedliche Geschmäcker bedient werden. Auf der etwas gemütlicheren "Halbinselbühne" geht es etwas clubbiger zu, da spielt nach den Münchner Hy-Top-DJs die hyperkreative Lena Britzelmair alias Ray Lennon alias Litzki ihren aufregenden "Hyperpop". Das Gefühl auf der Zweitbühne ist, wie es der Hauptact 2Raumwohnung mit der unvergleichlichen Inga Humpe und Tommi Eckart dort in seinen Indie-Pop-Hymnen besingt: "Wir trafen uns in einem Garten" und "36 Grad ... und es wird noch heißer".

Auf der großen Rundbühne am Hans-Jochen-Vogel-Platz, dem "Magic Skye", sind Silbermond die Zugnummer. Die Bautzener Band um Steffi Kloß hat Anfang des Jahrtausends eine neue Welle deutschsprachicher Popmusik losgetreten mit Arena-Hymnen wie "Das Beste" und "Sinfonie" und ist inzwischen eine der letzten Überlebenden ihrer Art (Frontfrau mit Männerband). Auch weil sie sich nach einer Burnout-Krise zuletzt mit den zupackend erwachsenen Alben "Leichtes Gepäck" und "Schritte" neu aufgelegt haben. Ihre Mitstreiter Culcha Candela hingegen machen seit genau 20 Jahren immer noch das gleiche: Gute-Laune-Reggae-Dancehall-Hop-Pop aus Berlin, multikulti-mäßig inszeniert, ein bisschen wie Seeed für den ZDF-Fernsehgarten, aber durchaus peppig.

Es geht stark in Richtung Deutsch-Pop heuer, sagt Sommernachts-Projektleiterin Klara Rebers, und erklärt das mit der komplizierten Planbarkeit international tourender Bands. Aber Rebers, selbst Musikerin der Aufsteiger Umme Block, beweist ein gutes Gespür für die Komposition des Programms. Eben auch wegen Paul Kowol, mit dem sie schon die Bühne geteilt hat. Der 25-Jährige, gerade die hellste Rakete am Münchner Singer-Songwriter-Himmel, hat auch schon zusammen mit Culcha Candela einen Sommer-Hit gelandet. Bei den Aufnahmen zu seinem Song "Sommer" sagte sein Produzent Kraans de Lutin, den könne man auch seinen anderen Kunden aus Berlin anbieten und daraus in deren "Monsta"- oder "Hamma"-Stil einen "Somma" machen. Das klappte famos und fluffig. "Braungebrannt wie ausm Toaster, mit Flip-Flops aufm Mofa, Tequila Sunrise Whisky-Cola, wir werden blau, die Wolken rosa", textet Kowol da geschmeidig. Und die Culchas rappen auf ihre Art zurück, als hätten sie eine Hymne für den Sommernachtstraum im Sinne von Marion Schöne erschaffen wollen: "Wir fühlen uns so high so high so high, komm doch vorbei, der Vibe ist nice, wir genießen die Zeit, die Zeit, die Zeit, so schnell kommt die nicht zurück, also nehm' wir sie mit."

Münchner Sommernachtstraum, Sa., 16. Juli, 16-23 Uhr, Olympiapark München

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