Süddeutsche Zeitung

Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt:Open-Air-Gefühl

Die Betreiber des Harry Klein und anderer Clubs wollen sich mit elektronischer Musik am Sommer-Kulturprogramm auf der Theresienwiese beteiligen. Lokalpolitiker erwarten sich davon Entlastung von Hotspots wie dem Gärtnerplatz

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

In den Clubs, da läuft gar nichts, seit mehr als einem Jahr nicht. Das Harry Klein bietet inzwischen DJs und DJanes zumindest zweimal die Woche eine Plattform über Livestream, seit November verfügt der Club dank Mitteln aus der Bundeskulturförderung über das nötige Equipment - das war's. Doch eventuell könnten die Freunde elektronischer Musik ihre Helden bald auf der Theresienwiese treffen. Denn Peter Fleming, Geschäftsführer des Harry Klein, sagt, er könne sich vorstellen, in diesem Sommer ein Areal auf der Theresienwiese zu bespielen - im Kollektiv mit anderen Clubs und anderen Münchner Kulturgestaltern.

Im Bezirksausschuss traf Fleming mit seinem Vorschlag auf offene Ohren. Die im Sommer 2020 kurzfristig geschaffenen Angebote auf der Theresienwiese im Rahmen von "Sommer in der Stadt" seien von Anwohnern und anderen Münchnern, von Kindern und Jugendlichen sehr gut angenommen worden, hieß es. Das Angebot solle noch breiter werden, darüber herrschte Einigkeit im Gremium.

Christian Modrow (Die Linke) warb für die seit März 2020 brachliegende Nachtkultur. Die Theresienwiese biete Platz, auch in der Pandemie, das Kulturfestival Kunst im Quadrat im vergangenen Sommer, organisiert von den soziokulturellen Institutionen und Kulturvereinen aus den drei angrenzenden Stadtbezirken, habe das gezeigt, und es sei erfreulich gut gelaufen. Man solle auch kommerziellen Nachtkulturschaffenden der angrenzenden Viertel Möglichkeiten für Veranstaltungen bieten: "Wenn wir die Theresienwiese umfangreicher kulturell nutzen, kann nicht nur Künstlern, Künstlerinnen und Kulturschaffenden in der Krise geholfen werden, sondern auch der Hotspot Gärtnerplatz entlastet werden."

Verabschiedet wurde ein interfraktioneller Antrag. Was im vergangenen Sommer schon mal auf der Theresienwiese aufgebaut wurde, soll die Stadt auch in diesem Jahr wieder bereitstellen: die mobilen Sitzmöbel und die Pflanzen, den Palmengarten, die Sportgeräte - und möglichst auf einem größeren Areal noch mehr anbieten, um die Aufenthaltsqualität auf dem Gelände noch zu erhöhen. Das Kultur-Festival Kunst im Quadrat soll wieder steigen. Dass die Club-Kultur das weite Areal in diesem Sommer bespielen soll, ist in dem Antrag ebenfalls formuliert.

2020 hatte die außerplanmäßige Nutzung des Areals erst im Sommer begonnen, nach der Absage des Oktoberfests. Heuer sollen die Angebote von April an bis zum Start des Oktoberfest-Aufbaus, normalerweise Mitte Juli, stattfinden können. Wird die Wiesn abgesagt, dann bis Ende September. "Wir wollen vermeiden, dass sich das öffentliche Leben wieder auf wenige kleine Plätze konzentriert. Deswegen soll die Theresienwiese früh als Alternative etabliert werden", sagte der BA-Vorsitzende Benoît Blaser (Grüne).

Peter Fleming kann sich vorstellen, dass er und andere Club-Betreiber, mit denen er aktuell eine Genossenschaft gründet, im Juni und Juli bis zum Wiesn-Aufbau auf dem Gelände Programm machen werden. Bei dem Kollektiv stehe elektronische Musik im Vordergrund, doch auf der Theresienwiese solle ein etwas breiteres Kulturprogramm geschaffen werden - und entsprechend der Anforderungen: niederschwellig, also meist ohne Eintritt, Corona-bedingt mit begrenzter Besucherzahl und Abstand, ohne Tanzen und nur bis 22 Uhr. Mit dem, was in einem Club abgehe, sei dies also nicht vergleichbar.

Möglich wäre, dass der Kulturschauplatz in Teilen "Haralds Kollektivgarten" von Harry Klein im vergangenen Sommer ähnelt, im Weißenseepark, eine Grünanlage in Obergiesing, die erst 2010 in einem ersten Teil fertig war und 2015 deutlich erweitert wurde. Auch im Bezirksausschuss wurde der Kollektivgarten als Vorbild genommen, professionell organisiert und beschwerdefrei, hieß es. Fleming bezeichnet den Kollektivgarten als elektronischen Pop-up-Biergarten, den Corona-Bestimmungen gemäß eingezäunt und auf 200 Menschen gleichzeitig begrenzt. Jeder musste am Eingang seine Daten hinterlassen. Im Angebot waren dort nicht nur Bier und Schorle, sondern auch Techno-Musik, gemäß der städtischen Vorgaben nicht laut. Peter Fleming plant, Haralds Kollektivgarten im August wieder im Weißenseepark aufploppen zu lassen.

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SZ vom 18.03.2021/van
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