Mord am S-Bahnhof Solln:Als Dominik Brunner Zivilcourage zeigte

Ein Synonym für Zivilcourage: Dominik Brunner.

Ein Synonym für Zivilcourage: Dominik Brunner.

(Foto: dpa)

2009 schlugen zwei Jugendliche den 55-jährigen Manager zu Tode. Zuvor griff Brunner ein, als die jungen Männer zusammen mit einem dritten eine Schülergruppe erpressten.

Von Julian Hans

Was sich am 12. September 2009 am S-Bahnhof Solln zutrug, dauerte nur wenige Minuten. Aber die Tat löste eine Debatte über Jugendgewalt aus, die noch Jahre nachklang. Und der Name Dominik Brunner wurde zum Synonym für Zivilcourage in Deutschland. Was war passiert?

Der 50-jährige Manager ist auf dem Heimweg ins Wochenende. In der S-Bahn wird er zufällig Zeuge, wie drei Jugendliche vier Schüler erpressen. Sie fordern Geld und drohen ihnen Schläge an. Während andere Fahrgäste so tun, als würden sie nichts mitbekommen, mischt sich Dominik Brunner ein.

Er bietet den Gymnasiasten an, mit ihnen an der Haltestelle Solln auszusteigen. Dort folgen dann zwei der Angreifer der Gruppe. Es kommt zu einer Schlägerei, bei der Brunner schließlich am Boden liegt. Immer wieder treten die 17 und 18 Jahre alten Täter auf ihn ein. Er hat mit dem Handy die Polizei gerufen. In der Leitstelle hören die Beamten, wie die Täter schreien: "Komm her, komm her, Mann, du Dreckschwein!" Brunner schreit: "I nim oan mit, i nimm oan mit!" Tritte sind zu hören, Schreie und das Stöhnen des Opfers. Zwei Stunden später stirbt Brunner an Herzversagen, sein Körper hat dem Stress der Attacke nicht standgehalten.

"Aus Wut und Rache" seien die Täter Brunner gefolgt, weil dieser sich in ihren Erpressungsversuch gegen die jüngeren Schüler eingemischt hatte, folgert der Vorsitzende Richter der Jugendkammer am Landgericht München I bei der Urteilsverkündung ein Jahr nach der Tat. Ein Täter, der zur Tatzeit 17 Jahre alt war, bekommt eine Jugendstrafe von sieben Jahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Sein 18 Jahre alter Mittäter muss wegen Mordes für neun Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. Der dritte Jugendliche, der bei der Erpressung der Schüler als Wortführer aufgetreten war, hatte sich von der Gruppe getrennt, bevor es in Solln zu der tödlichen Auseinandersetzung kam.

Weil sich Brunner den Jugendlichen in Boxerhaltung entgegengestellt hatte, wegen seiner Worte "i nimm oan mit!" und weil der Fahrer der S-Bahn ausgesagt hatte, Brunner habe als Erster zugeschlagen, gab es eine Debatte, ob der in Kampftechniken trainierte Geschäftsmann nicht deeskalierender hätte auftreten sollen. Das Gericht entschied anders: Brunner hatte in einer Bedrohungssituation aus Notwehr gehandelt. Posthum wurden ihm zahlreiche Ehrungen zuteil, unter anderem wurde er mit dem Bayerischen Verdienstorden und mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, Straßen und Plätze wurden nach ihm benannt, am Bahnhof Solln wurde ein Mahnmal errichtet, eine Schule trägt seinen Namen. Dass Uli Hoeneß vor einem Spiel in der Arena in Fröttmaning eine Gedenkminute für Brunner ausrief, schaffte es sogar in die Tagesschau.

Der wegen räuberischer Erpressung zu einer Bewährungsstrafe verurteilte 17-Jährige, der nicht an der Schlägerei beteiligt war, stand vier Jahre später erneut vor Gericht, weil er am Flaucher Jugendliche und ihren Lehrer angegriffen hatte und ihnen Getränke und eine Tüte Chips rauben wollte. Der wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sieben Jahren verurteilte Mittäter kam nach fünf Jahren wegen guter Führung frei. Der zur Tatzeit 18 Jahre alte Haupttäter büßte seine Strafe voll ab. Seit diesem Sommer ist auch er frei, muss aber eine Fußfessel tragen.

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Dieses Denkmal am S-Bahnhof in Solln soll an Dominik Brunner erinnern.

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